BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/6494 21. Wahlperiode 04.11.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Jörn Kruse (AfD) vom 28.10.16 und Antwort des Senats Betr.: Salafisten im Fokus – Ein Querschnitt der Hamburger Szene (II) Am 25.Oktober 2016 ist die Polizei in mehreren Bundesländern gegen eine Gruppe von insgesamt 14 Asylbewerbern tschetschenischer Abstammung vorgegangen, die im Verdacht stehen, eine schwere staatsgefährdende Straftat geplant zu haben. Dem Hauptbeschuldigten wird vorgeworfen, sich dem IS in Syrien anschließen zu wollen, während seine Komplizen bezichtigt werden, die Terrororganisation finanziell unterstützt zu haben. Im Rahmen der Operationen, bei denen mehrere Wohnungen durchsucht wurden, sind die Sicherheitskräfte auch in Hamburg aktiv geworden. Da es sich im vorliegenden Falle bei allen Tatverdächtigen um Tschetschenen handelt, stellt sich erneut die bereits in Drs. 21/5665 formulierte Frage, welche Rolle diese Volksgruppe für die salafistische Szene in Hamburg spielt. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie ist die Struktur der salafistischen Szene gegenwärtig in Hinblick auf die Staatsangehörigkeit ihrer Angehörigen beschaffen? Bitte anhand der Staatsangehörigkeit aufschlüsseln sowie die bislang nach Syrien Gereisten gesondert nennen. 2. Wie viele von ihnen verfügen über die doppelte Staatsbürgerschaft? Die Angehörigen der salafistischen Szene stehen im besonderen Fokus des Landesamts für Verfassungsschutz (LfV) Hamburg. Die Zahlen unterliegen aufgrund der sich ständig verändernden Informationslage, datenschutzrechtlicher Pflegemaßnahmen der gespeicherten Daten sowie Länderzuständigkeiten einer ständigen Fluktuation. Zum Zeitpunkt der Beantwortung der Anfrage waren beim LfV Hamburg 660 Personen als Salafisten gespeichert. Diese gliedern sich hinsichtlich der Staatsangehörigkeit wie folgt auf: Staatsangehörigkeit Anzahl Deutsch 205 Türkei 48 Afghanistan 18 Marokko 14 Russland 15 Syrien 15 Libanon 9 Tunesien 11 Algerien 7 Bosnien-Herzegowina 6 Ägypten 5 Sonstige* 50 Drucksache 21/6494 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Staatsangehörigkeit Anzahl Staatsangehörigkeit unbekannt 60 * Unter „Sonstige“ sind diejenigen Staatsangehörigkeiten erfasst, deren Anzahl jeweils unter fünf liegt. Eine tschetschenische Staatsangehörigkeit existiert nicht. Darüber hinaus besitzen 197 Deutsche eine weitere Staatsangehörigkeit. 72 in Richtung Syrien/Irak ausgereiste Personen gliedern sich nach folgenden Staatsangehörigkeiten : Staatsangehörigkeiten Anzahl Deutschland 22 Türkei 8 Syrien 4 Jordanien 3 Libanon 2 Israel, Russland, Kamerun, Ägypten, Mazedonien, Irak Je 1 Staatsangehörigkeit unbekannt 1 Darüber hinaus besitzen 26 der ausgereisten Personen die deutsche und eine weitere Staatsangehörigkeit. 3. Wie viele russische Staatsbürger sind seit dem 1. Januar 2016 in Hamburg registriert worden? 4. Wie hoch fällt der Vergleichswert für 2015 aus? Das Statistikamt Nord erhält halbjährlich – jeweils zum 30. Juni und 31. Dezember – einen Gesamtabzug des Melderegisters und wertet dieses aus. Das Ergebnis der Auswertung nach russischen Staatsangehörigen und den Stichtagen 30. Juni 2015, 31. Dezember 2015 und 30. Juni 2016 stellt sich wie folgt dar: Russische Bevölkerung in Hamburg am 30.06.2015, 31.12.2015 und 30.06.2016 Stand 30.06.2015 Stand 31.12.2015 Stand 30.06.2016 Staatsangehörigkeit Bevölkerung insgesamt Bevölkerung insgesamt Bevölkerung insgesamt (Land) Russische Föderation 8.203 8.339 8.641 Quelle: Statistikamt Nord, Melderegister, Staatsangehörigkeit wie im Register geführt. Im Zeitraum Januar bis einschließlich September 2016 sind in der Zentralen Erstaufnahme für Flüchtlinge insgesamt 371 russische Staatsangehörige registriert und Hamburg zugewiesen worden. Im gleichen Zeitraum 2015 waren es 241 Personen. 5. Wie viele Personen russischer Staatsangehörigkeit sind 2015 und 2016 bislang strafrechtlich in Hamburg in Erscheinung getreten? Gibt es Informationen darüber, wie hoch der Anteil der Tschetschenen daran ausfällt? 2015 wurden in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) für Hamburg 643 und im 1. bis 3. Quartal 2016 572 Tatverdächtige mit der Staatsangehörigkeit Russische Föderation erfasst. In dem Vorgangsbearbeitungs- und Vorgangsverwaltungssystem MESTA der Staatsanwaltschaft sind im Aktenzeichenjahrgang 2015 1.112 Verfahren mit 1.181 Beschuldigten mit russischer Staatsangehörigkeit und im Jahr 2016 1.034 Verfahren mit 1.085 Beschuldigten (bis 28.Oktober 2016) registriert. Eine gesonderte Erfassung der zur Russischen Föderation gehörenden Volksgruppe der Tschetschenen erfolgt weder in der PKS noch in MESTA. Zur Beantwortung der Frage müssten sämtliche Akten der erfragten Jahrgänge händisch ausgewertet werden. Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/6494 3 Nachfragen bei der für politisch motivierte Delikte zuständigen Abteilung der Staatsanwaltschaft sowie bei der Generalstaatsanwaltschaft Hamburg haben ergeben, dass dort derzeit keine Erkenntnisse zu salafistischen Terroristen tschetschenischer Volkszugehörigkeit vorhanden sind. 6. Wie viele Personen russischer Staatsangehörigkeit saßen 2015 in Hamburger Justizvollzugsanstalten? Wie viele waren es bis zum 1. November 2016? Die Anzahl der ausländischen Gefangenen in den Hamburger Justizvollzugsanstalten – unterteilt nach Staatsangehörigkeiten, Haftarten und Anstalten – wird in der Justizvollzugsstatistik nur an vier Stichtagen im Jahr erfasst. Nicht erhoben werden Daten über die Anzahl der ausländischen Personen, die sich insgesamt innerhalb eines definierten Zeitraumes in Haft befinden. Die Datenlieferungen aus den Anstalten erfolgen zum 1. Februar, 1. Mai, 1. August und 1. November des Jahres. Insofern kann die Beantwortung der Frage, wie viele Personen russischer Staatsangehörigkeit in Hamburger Justizvollzugsanstalten untergebracht waren, nur stichtagsbezogen erfolgen. Stichtag Anzahl 01.02.2015 9 01.05.2015 8 01.08.2015 8 01.11.2015 6 01.02.2016 7 01.05.2016 9 01.08.2016 6 7. In wie vielen Fällen lassen sich religiöse Motive nachweisen? 8. Wie oft liegt den Verurteilungen nicht religiöse Kriminalität zugrunde? Der Umstand, ob eine Tatbegehung religiös motiviert ist, wird im Vorgangsbearbeitungs - und Vorgangsverwaltungssystem MESTA nicht erfasst. Zur Beantwortung der Frage müssten sämtliche in der Antwort zu 5. genannten Verfahren ausgewertet werden . Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 9. In der Presse war die Rede von einer Billstedter Wohnung, die von der Polizei durchsucht wurde. Gab es darüber hinaus noch weitere? Falls ja, wo und von wem werden diese angemietet? 10. Was ist dem Senat über die Identität des Tatverdächtigen in Hamburg bekannt? Bitte Geschlecht, Alter, Staatsagehörigkeit, etwaige Vorstrafen, Aufenthaltsstatus und Ersteinreisezeitpunkt nennen. 11. Wie lange lebte der Tatverdächtige in seiner Wohnung? Wer trägt die Kosten für die Miete? 12. Hatte der Tatverdächtige eine Arbeitserlaubnis? 13. Wird in Zusammenhang mit den Ereignissen des 25. Oktober 2016 gegenwärtig noch gegen andere Personen ermittelt? Falls ja, gegen wen? Bitte Geschlecht, Alter, Staatsagehörigkeit, etwaige Vorstrafen, Aufenthaltsstatus und Ersteinreisezeitpunkt nennen. 14. Hat der Senat Kontakt mit den russischen Behörden aufgenommen, um Informationen über den beziehungsweise die Täter zu erhalten? Falls ja, welche? Falls nein, warum nicht? 15. Warum wurde der Tatverdächtige nach seiner Vernehmung durch die Polizei wieder auf freien Fuß gesetzt? Bitte die Entscheidung ausführlich begründen. Drucksache 21/6494 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Die Ermittlungen zum in der Anfrage benannten Sachverhalt werden durch das Landeskriminalamt Thüringen und die sachleitende Staatsanwaltschaft Gera geführt. Das LKA Hamburg hat die Thüringer Durchsuchungskräfte lediglich in Amtshilfe unterstützt . Auch die Pressearbeit erfolgte durch die Polizei Thüringen. Die Polizei Hamburg hat keine eigene Presseerklärung abgegeben. Darüber hinaus nimmt der Senat keine Stellung zum Strafverfahren der zuständigen Staatsanwaltschaft Gera.