BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/6496 21. Wahlperiode 08.11.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Karin Prien und Philipp Heißner (CDU) vom 31.10.16 und Antwort des Senats Betr.: Vorsorgeuntersuchungen für Flüchtlingskinder Im Rahmen der Früherkennungsuntersuchungen (U1 – U9) haben Kinder einen Anspruch auf regelmäßige Untersuchungen von der Geburt bis zum Vollenden des sechsten Lebensjahres. Danach besteht außerdem die Möglichkeit , zwischen dem 12. und 14. Lebensjahr die Jugendgesundheitsuntersuchung (J1) in Anspruch zu nehmen. Zusätzlich verpflichtet die Freie und Hansestadt Hamburg zu Schuleingangsuntersuchungen gemäß § 34 Absatz 4, 5 Hamburgisches Schulgesetz (HmbSG) sowie dem Vorstellungsverfahren für Viereinhalbjährige. Auch geflüchteten Kindern stehen diese Untersuchungen zu. Zurzeit ist allerdings unklar, wie viele Flüchtlingsfamilien diese Untersuchungen in Anspruch nehmen und auf welche Weise Mütter und Väter informiert und aufgeklärt werden. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen unter anderem auf Grundlage von Auskünften der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (KVH) wie folgt: 1. Wie viele Flüchtlingskinder in den Altersgruppen, die sich jeweils für die Untersuchungen U1 – U9, J1, die Viereinhalbjährigenuntersuchung sowie die Schuleingangsuntersuchung qualifizieren, lebten 2015 und 2016 jeweils in Hamburg? (Bitte pro Jahr darstellen.) Hamburgweit ist aus dem Ausländerzentralregister (AZR) eine Auswertung nach Alter und Staatsangehörigkeit möglich. Der Begriff Flüchtling ist im Sinne des Aufenthaltsgesetzes kein feststehender Fachbegriff. Über das AZR wäre eine Auswertung nach Aufenthaltstiteln möglich, aus der aber eine Zahl für „Flüchtlingskinder“ nicht abzuleiten wäre. Für den Bereich Erstaufnahmen erfolgte daher eine Auswertung aus dem Quartiersmanagement (MM), mit der eine Auskunft über die in Erstaufnahmeeinrichtungen gemeldeten Kinder der unten stehenden Altersgruppen jeweils zum Stichtag 31. Oktober der Jahre 2015 und 2016 möglich ist. Anzahl Kinder/Jugendliche in Hamburger Erstaufnahmeeinrichtungen Altersgruppe in Jahren 0 1 2 3 4 5 6 12-14 Anzahl am 31. Oktober 2015 132 149 158 155 137 133 131 265 Anzahl am 31. Oktober 2016 248 158 190 169 178 176 174 328 Aufgrund seitens des Betreibers f & w fördern und wohnen AöR gemeldeter Zahlen sind für Kinder in Folgeunterkünften die nachstehenden Angaben möglich: 30.06.2015: 3.990 Drucksache 21/6496 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 31.12.2015: 4.922 30.06.2016: 6.236. Eine Differenzierung nach Kindern aus wohnungslosen Familien und Flüchtlingskindern ist nicht möglich. Um festzustellen, wie viele Flüchtlingskinder in den erfragten Altersgruppen im Laufe der Jahre 2015 und 2016 jeweils in Folgeunterkünften untergebracht waren, wäre eine händische Auswertung von rund 25.000 Bewohnerakten nötig. Dies ist in der zur Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 2. Wie viele der in Hamburg lebenden Kinder haben jeweils an den Vorsorgeuntersuchungen U1 – U9 in den Jahren 2015 und 2016 tatsächlich teilgenommen? Angabe bitte je Untersuchung für Kinder insgesamt und Anzahl sowie Anteil der Flüchtlingskinder davon. 3. Wie viele Jugendliche nehmen die J1 Untersuchung in Anspruch und wie viele davon sind Flüchtlinge? Die KVH hat hierzu übermittelt, dass ausschließlich Zahlen basierend auf Abrechnungsdaten der KVH für Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG mit Ausnahme der Leistungsempfänger nach § 2 AsylbLG und unbegleitete minderjährige Flüchtlinge vorliegen. Sie betreffen nur den niedergelassenen Bereich und enthalten darüber hinaus nicht die Vorsorgeuntersuchungen von gesetzlich versicherten Flüchtlingen (SGB- II-Leistungsbezieher). In allen Erstunterkünften für Flüchtlinge wurden und werden kinderärztliche Sprechstunden angeboten, in deren Rahmen auch der Entwicklungsstand der Kinder überprüft wird. Die schulärztlichen Daten zur Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen können nicht zur Beantwortung herangezogen werden, da die Untersuchungen im Rahmen der Schuleingangsuntersuchungen in einem Alter von durchschnittlich sechs Jahren stattfinden . Die Informationen aus den in diesem Alter von den Eltern vorgelegten Untersuchungsheften sind somit ausschließlich retrospektiv, je nach Untersuchung mit einem entsprechenden Timelag nutzbar. Eine Differenzierung nach Flüchtlingskindern findet im Übrigen nicht statt. 4. In wie vielen Fällen ist bekannt, dass Schülerinnen und Schüler an der Schuleingangsuntersuchung nicht teilgenommen haben? Bitte aufschlüsseln nach Fällen in diesem und dem vergangenen Schuljahr, Bezirk sowie Grund für das Versäumnis. Bezirk Kinder ohne Schuleingangsuntersuchung Schuljahr 2014/2015 Kinder ohne Schuleingangsuntersuchung Schuljahr 2015/2016 HH-Mitte 210 209 Altona 336 449 Eimsbüttel 128 166 HH-Nord 125 48 Wandsbek 490 518 Bergedorf 100 77 Harburg 202 232 Stand: 15.09.2015 beziehungsweise 15.09.2016 Die Gründe für die Nichtteilnahme sind vielfältig und werden von den Bezirken nicht separat statistisch erfasst. Als Gründe wurden angegeben: Eltern lehnen Untersuchung ab, Wegzug aus dem Bezirk im Erhebungszeitraum, Terminschwierigkeiten, krankheitsbedingte Personalausfälle, Nichterscheinen trotz Einladung, zu späte Erfassung in der zentralen Schülerdatenbank als Einschulkinder und nicht erfolgte Meldung der vorzeitigen Einschulung von den Schulen. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/6496 3 5. In wie vielen Fällen haben Flüchtlingskinder, entweder vor Eintritt in die Schule in eine Regeklasse oder in eine Vorbereitungsklasse die Untersuchung versäumt? Bitte differenziert darstellen. Eine entsprechende Statistik wird von der zuständigen Behörde nicht geführt. 6. Wie wird verfahren, wenn die Teilnahme an einer solchen Untersuchung versäumt oder verweigert wird? Das Verfahren ist in der Fachanweisung „Umsetzung des § 34 Abs. 4 und 5 des Hamburgischen Schulgesetzes (HmbSG) – Erste schulärztliche Untersuchung und Schuleingangsuntersuchung“ geregelt. Wenn ein Untersuchungstermin nicht in Anspruch genommen wurde, wird zeitnah ein neuer Termin angeboten. Wird auch die zweite Einladung zum Untersuchungstermin ohne Angabe von nachvollziehbaren Gründen nicht wahrgenommen, erfolgt eine Mitteilung an die Schule und die Bezirksämter prüfen zur Umsetzung der Untersuchung im Einzelfall geeignete Maßnahmen. 7. Inwieweit nehmen Kinder insgesamt und davon Flüchtlingskinder am Vorstellungsverfahren für Viereinhalbjährige teil und wie viele Versäumnisse sind hier bekannt? Angabe bitte wie bei Frage 2. und mit zusätzlicher Angabe von Gründen für die Versäumnisse. Alle Kinder, die im maßgeblichen Zeitraum in Hamburg wohnen, nehmen am Vorstellungsverfahren teil. Im Jahr 2016 wurden der Rechtsabteilung der für Bildung zuständigen Behörde von 16.068 Kindern, die im Schuljahr 2015/2016 vorgestellt werden mussten, 123 Kinder gemeldet, bei denen die Schulen oder die Regionalen Bildungsund Beratungszentren (ReBBZ) die Vorstellung nicht erwirken konnten und daher Unterstützung benötigten. Die Vorstellung wird häufig versäumt, weil Kinder zwar in Hamburg gemeldet sind, sich jedoch, zumindest zeitweilig, nicht hier aufhalten. Diese Fälle werden durch die zuständige Behörde geklärt und gegebenenfalls amtliche Abmeldungen eingeleitet. Der Status Flüchtling wird im Rahmen der Viereinhalbjährigenuntersuchung sowie der Schuleingangsuntersuchung von der zuständigen Behörde nicht erfasst, entsprechende Zahlen liegen daher nicht vor. 8. Wie informiert die Stadt Hamburg Mütter und Väter, insbesondere Flüchtlingsfamilien, über den Anspruch auf Vorsorgeuntersuchungen U1 – U9 sowie J1? In den pädiatrischen Sprechstunden in den Erstaufnahmeeinrichtungen und durch das Sozialmanagement der Einrichtungen wird regelmäßig über die Vorsorgeuntersuchungen informiert und bei der Vereinbarung von Terminen unterstützt. Mit der Anmeldung des Kindes in der Kita wird auch dort regelmäßig informiert und zur Teilnahme an den Kindervorsorgeuntersuchungen motiviert. Ergänzend zu den Informationen, die alle Mütter und Väter durch die gesetzliche Krankenversicherung (Gelbes Vorsorgeheft) und im Rahmen der kinderärztlichen Betreuung erhalten, informiert die Stadt Hamburg Eltern auf verschiedenen Wegen über die hohe Bedeutung und den Anspruch auf Kindervorsorgeuntersuchungen. Die Informationsvermittlung zu den Kindervorsorgeuntersuchungen und die Förderung der Motivation der Sorgeberechtigten, an den Kindervorsorgeuntersuchungen teilzunehmen , ist integraler Teil des Landeskonzeptes „Guter Start für Hamburgs Kinder“. Hierzu gehören vor allem das verbindliche Einladungswesen zu den Kindervorsorgeuntersuchungen U6 und U7 gemäß Drs. 20/10665 sowie die im Auftrag der Stadt Hamburg mit dem Kinderschutzbund Landesverband Hamburg seit 2006 durchgeführte Hamburger Informationskampagne „Enemenemu – ich geh´ zur U“ sowie der Ordner „Rundum willkommen – Hilfreiches für den Start ins Leben“ und der Erinnerungsservice sowie die von der für Gesundheit zuständigen Behörde 2014 gestartete Plakatund Postkartenkampagne zur U7a. Die Kampagne „Enemenemu“ wird durch Gesundheitsmediatorinnen des aus Zuwendungsmitteln geförderten Projektes MiMi regelhaft unterstützt, um insbesondere Menschen mit Migrationshintergrund zu erreichen. Die Kampagne zur U7a wurde mit dem Slogan „Bleib gesund“ in fünf Sprachen umgesetzt . Drucksache 21/6496 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Darüber hinaus informieren die wohnortnahen Familienteams und die Einrichtungen der Mütterberatung der Gesundheitsämter sowie die aus Zuwendungsmitteln finanzierten Babylotsinnen der Stiftung SeeYou in den Geburtskliniken regelhaft Eltern über die Bedeutung der Kindervorsorgeuntersuchungen und motivieren zur Teilnahme . Insbesondere die Familienteams und die Mütterberatung informieren im Rahmen ihrer Tätigkeit in den Flüchtlingsunterkünften zu den Kindervorsorgeuntersuchungen, unterstützt durch MiMi-Mediatoren und weisen dabei auf die hohe Bedeutung und den Anspruch auf Vorsorgeuntersuchungen im Rahmen des AsylblG hin.