BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/6500 21. Wahlperiode 08.11.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Inge Hannemann (DIE LINKE) vom 31.10.16 und Antwort des Senats Betr.: Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege beim Arbeitslosengeld II und Sozialleistungen nach dem SGB XII Das SGB II sieht in den §§ 11 – 11b Ausnahmen in der Anrechnung von Einkommen vor, wenn gleichzeitig Arbeitslosengeld II bezogen wird. Dazu zählen Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege. Nach dem SGB II „liegt eine Zuwendung vor, wenn sie in Ergänzung zu der Sozialleistung zum Wohle des Leistungsberechtigten und nicht als Gegenleistung im Zusammenhang mit einem Austauschvertrag (...) steht“. Nach § 84 SGB XII „bleiben Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege als Einkommen außer Betracht. Dies gilt nicht, soweit die Zuwendung die Lage der Leistungsberechtigten so günstig beeinflusst, dass daneben Sozialhilfe ungerechtfertigt wäre“. Die Stadt Hamburg hat zahlreiche Wohlfahrtsverbände, die in besonderen Lebenslagen Alleinerziehende, Familien oder Einzelpersonen in Form von Sachgegenständen oder finanziellen Hilfen unterstützen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Welche Wohlfahrtsverbände oder Stiftungen sind der Stadt Hamburg bekannt? Bitte nach Bezirk auflisten. 2. Welche Wohlfahrtsverbände gelten nach Frage 1. als Spitzenverbände, Sonstige Stellen oder ähnliche der freien Wohlfahrtspflege? Bitte einzeln auflisten. Die zuständige Behörde führt die Rechtsaufsicht über aktuell 1.304 rechtsfähige öffentliche Stiftungen, die ihren Sitz in der Freien und Hansestadt Hamburg haben. Öffentliche Stiftungen sind Stiftungen, die überwiegend der Allgemeinheit dienen, insbesondere gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke im Sinne der Abgabenordnung verfolgen. Eine Verteilung auf die Bezirke wird statistisch nicht erfasst. Eine Vielzahl der Stiftungen fördert das Sozialwesen oder das Gesundheitswesen. Es wird jedoch nicht erfasst, welche oder wie viele Stiftungen einem Verband der freien Wohlfahrtspflege angehören oder tatsächlich auf vergleichbare Weise Zuwendungen an Alleinerziehende, Familien oder Einzelpersonen vergeben. Gleichermaßen gibt es eine Vielzahl von Wohlfahrtsverbänden. Zu nennen sind insbesondere folgende anerkannte Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege, die in der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege Hamburg e.V. (AGFW) zusammengeschlossen sind Arbeiterwohlfahrt Landesverband Hamburg e.V. Caritasverband für Hamburg e.V. Der PARITÄTISCHE Wohlfahrtsverband Hamburg e.V. Drucksache 21/6500 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Deutsches Rotes Kreuz e.V. Diakonisches Werk Hamburg – Landesverband der Inneren Mission e. V. Jüdische Gemeinde in Hamburg KdöR 3. Welche Wohlfahrtsverbände oder Stiftungen nach Frage 1. und Frage 2. fallen nicht in die Regelung nach §§ 11 – 11b SGB II und § 84 SGB XII und warum nicht? Bitte ausführlich begründen. Hinsichtlich des Erhalts von Zuwendungen gibt es weder im SGB II noch im SGB XII Beschränkungen oder Ausschlüsse bestimmter Verbände oder Stiftungen. 4. Werden Leistungen nach § 2 Absatz 1 i.V.m. § 4 Absatz 2 MuKStiftG auf das Arbeitslosengeld II oder nach dem SGB XII angerechnet? Wenn ja, nach welcher Grundlage? Diese Leistungen sind privilegiert und somit weder auf Leistungen nach dem SGB II noch nach dem SGB XII anzurechnen. 5. Welche Höhe im Rahmen einer sogenannten Motivationszuwendung der freien Wohlfahrtspflege wenden das SGB II und das SGB XII in der Anrechnung bei Sozialleistungen als Einkommen an? Im SGB II wird bei Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege davon ausgegangen, dass sie nicht auf das Einkommen angerechnet werden, soweit nicht daneben Leistungen nach dem SGB II ungerechtfertigt wären und diese Zuwendung gerechtfertigt erscheint (siehe Antwort zu 11.). Dies kann auch der Fall sein für Motivationsprämien der freien Wohlfahrtspflege. Anrechnungsfrei bleibt im SGB XII mindestens ein Achtel der Regelbedarfsstufe 1 (für einen Haushaltsvorstand beziehungsweise eine alleinstehende Person) zuzüglich ein nach den Umständen des Einzelfalls zu bestimmender Teil aus dem übersteigenden Teil der Zuwendung. 6. Besteht im Rahmen der Anrechnung nach SGB II und SGB XII der sogenannten Motivationszuwendung der freien Wohlfahrtspflege eine Weisung oder Arbeitshilfe zur Berücksichtigung von Einzelfällen? Im SGB II gelten für alle Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege die Regelungen der §§ 11 – 11b SGB II, die in der Fachlichen Weisung der Bundesagentur für Arbeit zu §§ 11 – 11b SGB II „Zu berücksichtigendes Einkommen“ (Link: https:// www.arbeitsagentur.de/web/wcm/idc/groups/public/documents/webdatei/mdaw/mdk0/ ~edisp/l6019022dstbai377935.pdf) konkretisiert werden (vergleiche dort Kapitel 5.7, Randziffer 11.100). Für das SGB XII gibt es eine Arbeitshilfe (vergleiche Ziffer 7.1 unter folgendem Link: http://www.hamburg.de/basfi/ah-sgbxii-kap11-82-84/). 7. Welche Kriterien gelten neben der Höhe der Zuwendung von Leistungen der freien Wohlfahrtspflege als anrechenbares Einkommen nach dem SGB II und SGB XII? Bitte ausführlich darstellen. Im SGB II wie im SGB XII sind bei der Beurteilung über eine Anrechnung der Zuwendung auf das Einkommen im Einzelfall Art, Wert, Umfang und Häufigkeit der Zuwendung zu betrachten. Außerdem kommt es auf die wirtschaftliche und persönliche Lage des Leistungsberechtigten an. Wesentliches Kriterium ist neben der Höhe der Zuwendung insbesondere die mit der Zuwendung verfolgte Absicht. 8. Sind Mitarbeiter bei Jobcenter t.a.h. und der Grundsicherung grundsätzlich dazu verpflichtet Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege auf besondere Härte zu überprüfen? Im SGB II wie im SGB XII werden grundsätzlich alle Einkünfte auf Umfang und Herkunft geprüft. Dabei bleiben Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege grundsätzlich als Einkommen außer Betracht. Lediglich in Fällen, in denen die Zuwendung die Lage der Leistungsberechtigten so günstig beeinflusst, dass daneben eine Zuwendung Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/6500 3 nicht gerechtfertigt erschiene, wird eine Anrechnung von Teilen der Zuwendung geprüft. 9. Wie erfolgt die Einzelfallprüfung nach Frage 8. konkret? Anhand der Zuwendungsunterlagen und/oder durch Befragung wird geprüft, ob auf eine Anrechnung der Zuwendungen als Einkommen ganz oder zum Teil verzichtet werden kann. 10. Sind die Empfänger/-innen von Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege oder Ähnliche dazu verpflichtet, diese Leistungen im Rahmen des SGB II und SGB XII anzugeben? Wer derartige Leistungen erhält oder beantragt, ist verpflichtet, alle Einkünfte anzugeben . 11. Welche Freigrenzen werden bei Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege oder ähnliches im Rahmen des SGB II und SGB XII zugrunde gelegt? Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege sind nach § 11a Absatz 4 SGB II nicht als Einkommen zu berücksichtigen soweit Art, Wert, Umfang und Häufigkeit der Zuwendung der Leistung nicht dazu führen, dass Leistungen nach dem SGB II ungerechtfertigt wären (Gerechtfertigkeitsprüfung). Wenn nicht im Einzelfall andere Erkenntnisse offensichtlich sind, ist hiervon bei Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege auszugehen . Zuwendungen werden im SGB XII nicht als Einkommen angerechnet, soweit die Lage des Leistungsberechtigten durch die Zuwendung nicht so günstig beeinflusst wird, dass daneben Sozialhilfe ungerechtfertigt wäre. Diese Höhe wird grundsätzlich angenommen bei der Hälfte des Sozialhilfe-Regelsatzes (zurzeit 202 Euro monatlich für einen Haushaltsvorstand beziehungsweise für eine alleinstehende Person); im Einzelfall sind jedoch auch höhere Beträge möglich. 12. Sind Leistungsempfänger/-innen nach SGB II und SGB XII dazu verpflichtet , Leistungen nach dem SGB II und SGB XII zurückzubezahlen, wenn die Freigrenze nach Frage 11. überschritten ist? Wenn ja, in welchem Rahmen und Dauer erfolgt die Rückzahlung? Soweit jemand zu Unrecht gezahlte Leistungen erhalten haben sollte, sind diese bei Bezug von Leistungen nach den SGB II oder SGB XII zu erstatten. Sowohl der Rahmen als auch die Dauer sind unter Berücksichtigung des Einzelfalles zu betrachten. 13. Wie bewertet der Senat, dass Zuwendungen durch die freien Wohlfahrtsverbände als Einkommen nach dem SGB II und SGB XII unter Umständen angerechnet werden und somit die Zuwendungen ihren eigentlichen Hilfecharakter verlieren? Siehe Antworten zu 4., zu 5. und zu 11. 14. Stimmt der Senat der Aussage zu, dass in Einzelfällen Jobcenter t.a.h. und Bezirksämter – Grundsicherung auf Zuwendungen der freien Wohlfahrtsverbände verweisen, um ihren originären Leistungen nach § 24 SGB II und § 31 SGB XII aus dem Weg zu gehen? Wie bewertet der Senat diese Handlung? Dem Senat liegen keine Erkenntnisse hinsichtlich einer entsprechenden Praxis vor.