BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/6550 21. Wahlperiode 08.11.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Karl-Heinz Warnholz (CDU) vom 02.11.16 und Antwort des Senats Betr.: Bürgerbegehren unerwünscht? Bürgerbeteiligung zum geplanten Gewerbegebiet Viktoriapark („Kein Rahlstedt 131“) Viele Bürger des Stadtteils Rahlstedts, des Bezirks Wandsbek und der Gemeinde Stapelfeld sind nicht damit einverstanden, dass in Rahlstedt und Stapelfeld mitten in der Natur die Gewerbegebiete „Viktoriapark“ und „Minervapark “ entstehen sollen und gleichzeitig viele Grünflächen, Pflanzen und Tiere weichen müssen. Aus diesem Grund haben einige Bürger ein Bürgerbegehren auf bezirklicher Ebene beim Bezirk Wandsbek eingereicht, um das Volk über das Vorhaben der Verwaltung abstimmen zu lassen. Mit Bescheid vom 27. Oktober 2016 hat das Bezirksamt Wandsbek das Bürgerbegehren „Kein Rahlstedt 131“ wegen vermeintlicher Unzulässigkeit zurückgewiesen. Als Begründung wurde angegeben, dass der Bezirk an den Beschluss des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg vom 11.10.2016 gebunden sei, der den Bezirk anweist, ein Bebauungsplanverfahren mit dem Ziel einer gewerblichen Ausweisung zügig durchzuführen. Daher könne auch kein gegenteiliges Bürgerbegehren auf bezirklicher Ebene erfolgen. Bei dieser Vorgehensweise handelt es sich um ein Paradebeispiel dafür, wie der amtierende Senat die Bürgerbeteiligung mit Füßen tritt – und das trotz der Regierungsbeteiligung der GRÜNEN, die stets für Volksentscheide in der Öffentlichkeit auftreten. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Das geplante ländergrenzenübergreifende Gewerbegebiet ist ein beispielhaftes Modellprojekt für die gesamte Metropolregion. Die Gewerbeentwicklung im Grenzbereich zwischen dem Bezirk Wandsbek und den Kommunen des Kreises Stormarn (Schleswig-Holstein) ist – aufgrund der guten Verkehrslage (BAB A1) – sehr dynamisch. Vonseiten des Kreises Stormarn wird eine aktive und erfolgreiche Standort- und Gewerbegebietsentwicklung im Umfeld der BAB-Anschlussstellen betrieben. Demgegenüber existieren im Bezirk Wandsbek geringe gewerbliche Flächenpotenziale, die zudem überwiegend kleinteilig strukturiert sind. Daher ist es für Hamburg von großer Bedeutung, geordnete, landschaftsverträgliche und verkehrsgünstige Flächenangebote für Gewerbe bereitzustellen. Mit dem Projekt ist das Ziel verbunden, planungsrechtliche Grundlagen für die Entwicklung eines Gewerbegebiets in privater Verantwortung und auf privaten Flächen zu schaffen, um dort Arbeitsplätze zu ermöglichen. Die öffentlichen und privaten Belange werden im laufenden Bebauungsplanverfahren nach den geltenden Regeln des Baugesetzbuches gegen- und untereinander abgewogen. Dabei wurden die Belange des Natur- und Landschaftsschutzes besonders berücksichtigt. Drucksache 21/6550 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Die in Rede stehende Planung beinhaltet sowohl die Ausweisung eines neuen Gewerbegebietes als auch eine gleichzeitige Landschaftsaufwertung. Durch die noch zu konkretisierende Landschaftsentwicklung mit Maßnahmen zur Verbesserung der Erholungsnutzung (zum Beispiel bessere Wegeverbindungen, Schaffung von Aussichtsplätzen sowie Naturschutzmaßnahmen für den Biotopverbund), wird es zu einer deutlichen Aufwertung des Landschaftsraumes in diesem Bereich von Rahlstedt und Stapelfeld kommen, die den Verlust von freier Landschaft durch die neuen Gewerbeflächen in Teilen kompensieren wird. Im Rahmen des laufenden Bebauungsplanverfahrens erfolgt die Beteiligung der Öffentlichkeit nach Maßgabe des Baugesetzbuches . Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wann und auf welche Weise ist dem Senat, dem Bezirksamt Wandsbek und weiteren zuständigen Behörden jeweils bekannt geworden, dass Bürger ein Bürgerbegehren anmelden wollen, das sich gegen ein Bebauungsplanverfahren zum Gewerbegebiet Viktoriapark richtet? Das Bezirksamt Wandsbek wurde durch eine am 09. August 2016 telefonisch geäußerte Bitte um ein Beratungsgespräch am 30. August 2016 darauf aufmerksam gemacht, dass ein Bürgerbegehren zum Bebauungsplanverfahren Rahlstedt 131 möglich werden könnte. Durch Presseberichterstattung ist den zuständigen Behörden am 19. August 2016 bekannt geworden, dass gegebenenfalls ein Bürgerbegehren in Aussicht stehen könnte . Am 21. Oktober 2016 wurden die zuständigen Behörden durch das Bezirksamt Wandsbek über den Eingang des Bürgerbegehrens informiert. 2. Wann und auf welche Weise ist dem Senat, dem Bezirksamt Wandsbek und weiteren zuständigen Behörden jeweils bekannt geworden, dass Hamburger Bürger nicht damit einverstanden sind, dass in Rahlstedt mitten in der Natur das Gewerbegebiet „Viktoriapark“ entsteht? In der öffentlichen Plandiskussion des Bezirksamtes Wandsbek zum Bebauungsplanverfahren Rahlstedt 131 ist am 13. Juni 2016 aus dem Teilnehmerkreis Kritik an der vorgestellten Planung geäußert worden. Darüber hinaus gab es Bürgerbriefe und bürgerschaftliche Eingaben im Juli/August 2016. 3. Welche Ziele werden mit dem Gewerbegebiet „Viktoriapark“ verfolgt und wie sind diese Ziele mit den berechtigten Einwänden der Bevölkerung und Naturschutzverbände in Einklang zu bringen? Siehe Vorbemerkung. 4. Wann hat das Bezirksamt Wandsbek mit den Vorbereitungen und Planungen für das Bebauungsplanverfahren und zur Einrichtung des Gewerbegebiets „Viktoriapark“ begonnen? Siehe Drs. 21/3610. 5. Wann, warum und auf welche Weise hat der Senat das Thema an sich gezogen und eine entsprechende Weisung an das Bezirksamt Wandsbek beschlossen und ausgesprochen? Wegen der gesamtstädtischen Bedeutung dieser ländergrenzenüberschreitenden Gewerbegebietsentwicklung hat der Senat am 11. Oktober 2016 beschlossen, das Bezirksamt Wandsbek anzuweisen, das Bebauungsplanverfahren Rahlstedt 131 zügig durchzuführen. 6. Für welche Zwecke und nach welcher Rechtsgrundlage kann der Senat bezirkliche Themen an sich ziehen und entsprechende Weisungen erteilen und wann und warum macht der amtierende Senat davon Gebrauch? Nach § 1 Absatz 4 des Gesetzes über Verwaltungsbehörden und § 42 Satz 2 des Bezirksverwaltungsgesetzes kann der Senat allgemein oder im Einzelfall Weisungen Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/6550 3 erteilen. In welchen Fällen er von diesem Instrument Gebrauch macht, liegt im Ermessen des Senats. 7. Warum wurden die Vorbereitungen und Planungen für das Bebauungsplanverfahren und zur Einrichtung des Gewerbegebiets „Viktoriapark“ nicht in der Entscheidungskompetenz des Bezirksamts Wandsbek belassen? Das Bezirksamt ist und bleibt für das Bebauungsplanverfahren Rahlstedt 131 zuständig . 8. Inwieweit beschneidet die Weisung des Senats an das Bezirksamt Wandsbek und die Entscheidung des Bezirksamts Wandsbek vom 27. Oktober 2016 das Recht der Wandsbeker Bevölkerung auf ein Bürgerbegehren gegen ein Bebauungsplanverfahren zum Gewerbegebiet Viktoriapark ? Bürgerbegehren und Bürgerentscheide sind nur in den Grenzen des § 21 des Bezirksverwaltungsgesetzes , das eine Bindungswirkung von Entscheidungen des Senats vorsieht, zulässig (vergleiche § 4 Absatz 2 des Bezirksabstimmungsdurchführungsgesetzes , § 6 Absatz 2 der Bezirksabstimmungsdurchführungsverordnung). 9. Inwieweit müssten die betroffenen Bürger nunmehr ein Volksbegehren über alle Bezirke hinweg gegen ein Bebauungsplanverfahren zum Gewerbegebiet Viktoriapark anstreben, wenn eine Abstimmung der Bürger das Vorhaben kippen soll? Der Senat hat sich mit dieser Frage nicht befasst. 10. Auf welche andere Weise sollen die betroffenen Bürger und Naturschutzverbände an dem Bebauungsplanverfahren zum Gewerbegebiet Viktoriapark beteiligt werden und wie können Einwände Berücksichtigung finden? Siehe Vorbemerkung.