BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/6552 21. Wahlperiode 11.11.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Inge Hannemann (DIE LINKE) vom 03.11.16 und Antwort des Senats Betr.: Mobbing und Bossing am Arbeitsplatz in den Hamburgischen Behörden In der Fachliteratur wird Mobbing als ein Prozess der systematischen Anfeindungen , Diskriminierung, Schikanierung oder Ausgrenzung einer bestimmten Person oder einer Gruppe bezeichnet. Mobbing liegt dann vor, wenn jemand über einen längeren Zeitraum durch eine Person oder Gruppe wiederholt durch negative Handlungen wie Anfeindung, Ausgrenzung und oben genannte Aspekten gedemütigt oder eingeschüchtert wird. Es handelt sich hierbei um einen Angriff auf die Persönlichkeitsrechte und die Würde des Betroffenen . Mobbing kann von Vorgesetzten – hier spricht man von Bossing – oder auch von Kollegen/-innen ausgehen. Gesundheitliche Einschränkungen, wie körperliche, psychosomatische oder psychische Reaktionen bis hin zur temporären oder dauerhaften Arbeitsunfähigkeit, können die Folgen sein. Oftmals hilft dann nur noch, den Arbeitsplatz in Form einer Versetzung oder Kündigung zu verlassen. Juristisch dagegen vorzugehen ist nicht immer ganz einfach. Laut Statista haben 15 Prozent schon einmal Mobbing am Arbeitsplatz erlebt. Bis heute gibt es in Deutschland kein „Anti-Mobbing-Gesetz“, in dem Betroffene zum Beispiel eine Definition von Mobbing nachlesen könnten und dadurch Schutz erfahren. Das BAG hat im Jahr 1997 erstmals den Begriff Mobbing als das „systematische Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte“ definiert. Auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das 2006 in Kraft getreten ist, spricht von (...) „unerwünschte Verhaltensweisen, die bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen , Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.“ Zwar gibt es Rechtsgrundlagen, wie das AGG, BetrVG, StGB, ArbSchG, KSchG sowie einzelne §§ des BGB, die gesetzliche Regulierungen vorschreiben, jedoch nicht explizit Mobbing oder Bossing beinhalten. Der Arbeitgeber ist grundsätzlich dafür verantwortlich, seine Arbeitnehmer/-innen vor Belästigungen zu schützen. Auch hat er für ein gesundes Arbeitsklima zu sorgen. So sind Artikel 1 und 2 des Grundgesetzes auch im beruflichen Bereich zu beachten. Und nicht nur deliktisch nach § 823 Absatz 1 BGB gegenüber jedermann, also auch Mitarbeitern/-innen, sondern auch als Gegenstand der mit dem Arbeitsvertrag verbundenen Pflichten und Nebenpflichten. Verletzt der Arbeitgeber innerhalb des Arbeitsverhältnisses das Persönlichkeitsrecht des/ der Arbeitnehmers/-in, ist das zugleich ein Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Drucksache 21/6552 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 1. Sind dem Senat angezeigte Mobbing- oder Bossingfälle bekannt? Bitte jeweils für die Jahre 2010 bis aktuell und nach m/w auflisten nach: a. Landesbetriebe Hamburg Aus den Landesbetrieben sind für den genannten Zeitraum keine Fälle von Mobbing/ Bossing bekannt. b. Beteiligungsbetriebe an rechtlich selbstständigen Unternehmen des privaten und öffentlichen Rechts m w m w m w m w m w m w m w 1 1 1 Stadtreinigung Hamburg (SRH) AöR 2010 Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein GmbH (VHH) Hamburg Port Authority AöR (HPA) 2016 (bis 03.11.)20122011 2014 20152013 c. Jobcenter team.arbeit.hamburg Aus dem Jobcenter team.arbeit.hamburg sind für den genannten Zeitraum keine Fälle von Mobbing/Bossing bekannt. 2. Welche Maßnahmen hat die Stadt Hamburg bis heute eingeleitet, um Mobbing oder Bossing am Arbeitsplatz zu verhindern? Bitte einzeln auflisten und beschreiben. In der Freien und Hansestadt Hamburg gibt es seit vielen Jahren diverse Maßnahmen zur Verhinderung von Mobbing, insbesondere verschiedene Beratungsangebote (zum Beispiel des Arbeitsmedizinischen Dienstes). Im Übrigen siehe Drs. 20/7428. 3. In welchem Umfang und mit welchen Mitteln werden die Unternehmen, wie nach Frage 1. (a. – c.) in die Pflicht genommen, ihrer Verantwortung zur Ausübung der Fürsorgepflicht gegenüber Arbeitnehmern/-innen gerecht zu werden? Für die Einhaltung der Fürsorgepflicht tragen die zuständigen Behördenleitungen, Geschäftsführungen, Vorstände et cetera sowie bei Jobcenter team.arbeit.hamburg die Trägerversammlung Sorge. 4. Wie hat sich die Zahl der Arbeitsunfähigkeiten wegen Mobbing oder Bossing am Arbeitsplatz in den letzten Jahren seit 2010 bis aktuell entwickelt ? Bitte tabellarisch nach Frage 1. (a. – c.) darstellen. 5. Wie hat sich die Zahl der Arbeitsunfähigkeiten aufgrund psychischer Probleme am Arbeitsplatz in den letzten Jahren seit 2010 bis aktuell entwickelt? Bitte tabellarisch nach Frage 1. (a. – c.) darstellen. Siehe Drs. 21/4142. 6. Wie hat sich die Zahl der Gerichtsverfahren wegen Mobbing oder Bossing am Arbeitsplatz seit 2010 bis aktuell entwickelt? Bitte tabellarisch nach Frage 1. (a. – c.) darstellen. 7. Wie vielen Gerichtsverfahren wurden nach Frage 6. für die Kläger/-innen stattgegeben/teilweise stattgegeben? Bitte auflisten nach zuständigen Arbeitsgerichten sowie Landesarbeitsgerichten. 8. Wie hoch lagen die Kosten für die Stadt Hamburg für externe Rechtsanwälte /Kanzleien/Gutachten, um die Verfahren nach Fragen 6. und 7. zu bestreiten? Bitte tabellarisch nach Kosten bei Verfahren vor dem Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht auflisten. 9. Welche dienstrechtlichen Konsequenzen resultierten aus den Fragen 6. und 7.? Bitte jeweils einzeln und nach Kläger/Beklagten benennen. In den Jahren 2010 bis 2015 hat es keine entsprechenden Gerichtsverfahren gegeben . Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/6552 3 Im Jahr 2016 gibt es ein noch laufendes Verfahren vor dem Arbeitsgericht Hamburg betreffend die Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein GmbH, zu dessen Ausgang und Kosten noch keine Aussagen getroffen werden können. 10. Ist dem Senat bekannt, ob die Stadt Hamburg und deren Betriebe nach Frage 1 (a. – c.) eine eigene Definition der Begriffe „Mobbing“ und „Bossing “ führen? Wenn ja, bitte jeweilige anhängen. Siehe Drs. 19/4755. 11. Stimmt der Senat der Aussage zu, dass Mobbing oder Bossing am Arbeitsplatz und deren Folgen, wie Arbeitsunfähigkeiten, hohe volkswirtschaftliche Kosten verursachen? Bitte ausführlich begründen. Siehe Antwort zu 2. Darüber hinaus hat sich der Senat damit nicht befasst. 12. Empfindet der Senat die derzeitigen gesetzlichen Regelungen, um Arbeitnehmer/-innen vor Mobbing oder Bossing durch Kollegen/-innen oder Vorgesetzte zu schützen, als ausreichend? Bitte ausführlich begründen. Kleinteilige Regelungen zur Vermeidung von „Mobbing“ oder „Bossing“ sind aus Sicht des Senats nicht zielführend. Der Senat hält jedoch – auch nach der Klarstellung der Bundesregierung im Arbeitsschutzgesetz, dass psychische Belastungen bei der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen sind – die gesetzlichen Regelungen für unzureichend. Deshalb fordert Hamburg mit anderen Ländern gemeinsam, das Arbeitsschutzgesetz durch eine entsprechende Rechtsverordnung zu untersetzen (BR.-Drs. 315/13 – Beschluss). 13. Im April 2007 wurde die Rahmenvereinbarung gegen Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz unterzeichnet. Innerhalb von drei Jahren sollen die Einzelstaaten entsprechende Vorkehrungen gegen Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz treffen. Weiterhin sollen Unternehmen in Europa gegen Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz eine sogenannte Nulltoleranzstrategie anwenden und Verfahren zur Bewältigung von Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz ausarbeiten. Gilt die benannte Rahmenvereinbarung IP/07/569 auch für die Stadt Hamburg und deren Unternehmen und wie weit ist die Ausarbeitung beziehungsweise das Verfahren zur Bewältigung von Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz fortgeschritten? Sollte die Frage verneint werden, bitte ich um eine ausführliche Begründung, warum die Rahmenvereinbarung für Hamburg nicht gilt. Die Rahmenvereinbarung gilt nicht unmittelbar für die Freie und Hansestadt Hamburg, da diese nur über die Tarifgemeinschaft deutscher Länder Bezug zu dem an dem Vereinbarungsverfahren beteiligten Bundesverband Öffentliche Dienstleistungen – Deutsche Sektion des CEEP e.V. hat. Die Rahmenvereinbarung ist von daher als Empfehlung zu begreifen, die für ihre unmittelbare Wirksamkeit entweder tarifiert oder in Recht umgesetzt werden müsste. Beides ist bisher nicht geschehen. Eine unmittelbare normative Wirkung für die Mitgliedsstaaten der EU entfaltet sie daher nicht. Entsprechend dem Ziel der Rahmenvereinbarung, die Arbeitgeber, die Arbeitnehmer und ihre Vertreter für die Problematik der Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz zu sensibilisieren und ihr Verständnis zu fördern, gibt es in der Freien und Hansestadt Hamburg seit vielen Jahren schon zahlreiche untergesetzliche Maßnahmen, zum Beispiel im Rahmen der zentralen Fortbildung, um Gewalt am Arbeitsplatz in Form von Mobbing zu begegnen (siehe Drs. 19/4755 und 20/7428). 14. Sieht der Senat den Bedarf eines eigenen Mobbing-Gesetzes in Hamburg im Rahmen der Eigenstaatlichkeit als gegeben? Wenn ja, welche Planungen liegen bereits vor? Wenn nein, bitte ausführlich begründen, was dagegen spricht. Siehe Antwort zu 12.