BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/6563 21. Wahlperiode 11.11.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Daniel Oetzel (FDP) vom 03.11.16 und Antwort des Senats Betr.: Kinderschutzhäuser in Hamburg belegt? Laut Medienberichterstattung sind die fünf Hamburger Kinderschutzhäuser überbelegt und es gibt keine freien Plätze für Kinder in Not. In drei Fällen soll die garantierte unmittelbare Aufnahme von kleinen Kindern und Säuglingen sogar gescheitert sein. Auch im Kinder- und Jugendnotdienst, welcher für die Aufnahme von Kleinkindern ungeeignet ist, sollen die Kapazitäten zeitweise derart ausgelastet gewesen sein, dass Jugendliche haben in Zelten übernachten müssen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Ist das Wohl eines Kindes oder Jugendlichen in seiner Herkunftsfamilie oder einem anderen Ort gefährdet, so kann das Jugendamt den Minderjährigen zu jedem Zeitpunkt an einem geeigneten Ort in Obhut nehmen. Während dieser Inobhutnahme als vorläufige Schutzmaßnahme kann eine zeitlich befristete Unterbringung in einem Kinderschutzhaus eine geeignete Maßnahme darstellen. Alternativ kann das zuständige Jugendamt insbesondere jüngere Kinder in einer Bereitschaftspflegefamilie oder bei einer geeigneten Person unterbringen. Die Bezirksämter haben der zuständigen Behörden seit 2003 keinen Platznotstand in Kinderschutzhäusern gemeldet. Gleichwohl hat der Landesbetrieb Erziehung und Beratung (LEB) in den vergangenen Jahren das Platzangebot in seinen Kinderschutzhäusern stetig ausgeweitet von 40 Plätzen (2005) auf aktuell 63 Plätze. Außerdem hat der LEB in den letzten Jahren drei Kinderhäuser für die Krisenbetreuung von Kindern im Alter von vier bis zwölf Jahren mit 24 Plätzen geschaffen, die die Kinderschutzhäuser bezüglich der Zielgruppe der vier- bis sechsjährigen Kinder entlastet haben. Zudem ist bei Bedarf auch eine kurzfristige Belegung über Sollplatzzahl hinaus möglich. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. In wie vielen Fällen mussten seit 2010 Kinder von Kinderschutzhäusern abgewiesen werden oder konnten nur mit einer Verzögerung von mindestens einem Tag in einem Kinderschutzhaus untergebracht werden? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr und Alter des Kindes sowie den jeweiligen Gründen.) 2. In welcher Form erfolgte die Betreuung der Kinder in den jeweiligen Fällen , in denen eine unmittelbare Aufnahme in einem Kinderschutzhaus nicht möglich war? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr und Alter des Kindes.) Drucksache 21/6563 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 In allen Fällen konnte eine alternative Unterbringung und damit ein hinreichender Schutz für die Kinder realisiert werden. Die Aufnahme in einem Kinderschutzhaus ist nur eine Möglichkeit der Unterbringung im Rahmen einer Inobhutnahme. Gleichwertig können auch kleine Kinder in Bereitschaftspflegestellen, bei einer geeigneten Person oder einer Einrichtung nach § 34 SGB VIII untergebracht werden. Die folgenden Angaben wurden durch die Bezirksämter gemacht. Für die Jahre 2010 und 2011 sind keine Fälle bekannt, in denen die Jugendämter die Kinder anderweitig unterbringen mussten. Jahr Alter des Kindes Form der Unterbringung 2012 2 Jahre Bereitschaftspflege 3 Jahre Bereitschaftspflege 3 Jahre KJND 2013 <1 Jahr Mutter-Kind-Einrichtung 2014 5 Jahre Unterbringung nach § 34 SGB VIII 5 Jahre Unterbringung nach § 34 SGB VIII 3 Jahre Bereitschaftspflege 2015 1 Jahr Unterbringung nach § 34 SGB VIII 2 Jahre Unterbringung nach § 34 SGB VIII 5 Jahre Unterbringung nach § 34 SGB VIII 2016 6 Jahre Unterbringung nach § 34 SGB VIII 7 Jahre Unterbringung nach § 34 SGB VIII 4 Jahre Unterbringung bei geeigneter Person 2 Jahre Unterbringung bei geeigneter Person 3 Jahre Unterbringung bei geeigneter Person <1 Jahr Im Krankenhaus <1 Jahr Im Krankenhaus 3 Jahre Unterbringung nach § 34 SGB VIII 6 Jahre Unterbringung nach § 34 SGB VIII <1 Jahr Bereitschaftspflege 6 Jahre Bei einer geeigneten Person In den Tabellen der Anlage sind die Ablehnungen aus dem Grund „Auslastung“ und die Aufnahmen dargestellt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass jedes Kinderschutzhaus seine eigene Statistik zu den Ablehnungen führt. Daher kann es vorkommen, dass ein Kind, das aufgrund von mangelnder Platzkapazität in einem bestimmten Kinderschutzhaus nicht aufgenommen werden konnte, in einem anderen Kinderschutzhaus untergebracht wurde. Dies ist aus der Statistik nicht ersichtlich. In allen Fällen konnte eine alternative Unterbringung gefunden werden. 3. Wie lang ist die Verweildauer von Kindern in Hamburger Kinderschutzhäusern bis eine Anschlussbetreuung sichergestellt ist seit 2010? (Bitte jahresweise sowohl die Mindest- beziehungsweise Maximalwerte sowie arithmetisches Mittel sowie Median angeben.) Jahr Verweildauer Minimum/Tage Verweildauer Maximum/Tage Verweildauer Median/Tage Verweildauer Mittelwert/Tage 2012 0 588 31 95,4 2013 0 639 58 100,5 2014 0 699 52 91,7 2015 0 620 35 106,9 2016* 1 538 31 76,6 * bis 04.11.2016 ** Angabe 0: Aufnahme und Entlassung am gleichen Tag 4. In wie vielen Fällen musste aufgrund ausgelasteter Kapazitäten ein Kind von einem Mitarbeiter des ASD beziehungsweise des Jugendamtes länger als acht Stunden betreut werden? (Bitte nach Jahr, Alter des Kindes und Betreuungsdauer aufschlüsseln.) Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/6563 3 Der zuständigen Behörden liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass ein Kind länger als acht Stunden von einem ASD-Mitarbeiter betreut werden musste. 5. In wie vielen Fällen seit 2010 mussten Kinder und Jugendliche in der Obhut des Freien und Hansestadt Hamburg durch den KJND in Zelten untergebracht werden? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr und Monat, Anzahl der Kinder, Alter der Kinder, Dauer des Aufenthaltes in den Zelten .) a. Was sind beziehungsweise waren dies für Zelte und welche Ausstattung weisen beziehungsweise wiesen diese Zelte auf (Einwandoder Zweiwandzelte, Wassersäule, Windstabilität, Beschaffenheit und Reißfestigkeit, Beheizbarkeit, Beleuchtung et cetera)? b. Gab es Beschwerden wegen der Unterbringung in den Zelten? Wenn ja, in welcher Form und wie wurde darauf reagiert? c. Nach welchen Kriterien wurden die Kinder und Jugendlichen ausgesucht , die in Zelten untergebracht wurden? d. Durch wen wurde die Entscheidung zur Unterbringung in Zelten getroffen? e. Durch wen wurden die entsprechenden Zelte zur Verfügung gestellt und aufgebaut? f. Durch welches Personal wurden die Jugendlichen während der Zeltunterbringung betreut? g. Mit welchen sanitären Anlagen waren die in Zelten untergebrachten Kinder und Jugendlichen versorgt? h. Für wie viele Personen sind die entsprechenden sanitären Anlagen ausgelegt und wie viele Kinder und Jugendlichen mussten sich diese teilen? Zelte wurden nur während der Flüchtlingskrise im Herbst 2015 in der Zeit von September bis November 2015 genutzt. Es waren keine Kinder in den Zelten untergebracht . Der KJND hat ausschließlich männliche, unbegleitete Flüchtlinge von mindestens 16 Jahren untergebracht, die nicht erkrankt und die den mit der besonderen Unterbringung verbundenen Unannehmlichkeiten gewachsen waren. Kinder im Alter von null bis sechs Jahren waren zu keiner Zeit von dieser Regelung betroffen. Die Entscheidung, dass in dieser Notlage übergangsweise Zelte zum Einsatz kommen müssen, wurde von der Geschäftsführung des Landesbetriebes Erziehung und Beratung getroffen. Die Zuweisung einzelner Personen in die Zelte erfolgte durch das Dienst habende Personal. Die Betreuung der Jugendlichen in den Zelten erfolgte durch Personal des Kinder- und Jugendnotdienstes, unterstützt durch die Anwesenheit von Dolmetschern. Bei allen Unterbringungen wurde darauf geachtet, dass ein Wechsel in ein Gebäude nach wenigen Tagen stattfand. Die Zelte wurden über scholl-zelte.de erworben und durch das technische Personal des Kinder- und Jugendnotdienstes mit Unterstützung durch einen externen Hausmeisterservice aufgebaut. Es handelte sich bei den Zelten um einwandige Mannschaftszelte (Typ: Arkansas, Hersteller: Tortuga) aus Schwergewebe. Die Zeltplane hat eine hohe Reißfestigkeit (50 Prozent Baumwolle, 50 Prozent Polyester, 420g/m², Faulstreifen grau aus beschichtetem Polyestergewebe) und ein starkes Gestänge (Alu-Rundrohr, Durchmesser 40 mm, Wandstärke 2 mm, Legierung 5449, 280-360Nmm², Oberfläche hochgradig verdichtet und kalibriert, korrosionsbeständig, Steckverbindungen aus Alu- Guss). Beheizt wurden die Zelte mit ölbetriebenen Warmluftgebläsen, beleuchtet wurden sie mit am Gestänge montierten feuchtraumgeeigneten Leuchtstoffröhren. Da es sich bei den Zelten um Mischgewebebahnen handelt, haben diese keine Wassersäule . Drucksache 21/6563 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Die untergebrachten Personen hatten die Möglichkeit, die Sanitäranlagen der Mehrzweckhalle und der Wohncontainer mitzubenutzen. Zusätzlich wurden sechs mobile WC aufgestellt. Insgesamt waren die verfügbaren sanitären Anlagen für rund 75 Personen im Normalbetrieb bei einem Schlüssel von 1:6 für WC-Anlagen ausgelegt. Die Gesamtzahl der Nutzer dieser Anlagen lag in den 30 Betriebstagen an acht Tagen über diesem Richtwert. Im Übrigen siehe Drs. 21/1906, 21/2232 und 21/2599. 6 Welche Maßnahmen plant der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde, um Säuglingen, Kleinst- und Kleinkindern sowie Kindern und Jugendlichen eine angemessene sofortige und angemessene Unterbringung zuteilwerden zu lassen? Der Landesbetrieb Erziehung und Beratung (LEB) beabsichtigt, einen weiteren Standort für die Betreuung von Kindern im Alter bis zu sechs Jahren mit mindestens zwei Betreuungsgruppen zu eröffnen. Hierfür liegt ein Angebot vor, ein noch für diesen Zweck zu errichtendes Gebäude im Osten Hamburgs langfristig anzumieten. Aktuell werden von dem Vertragspartner die baulichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen geklärt. Darüber hinaus wird überprüft, ob das Aufnahmemanagement optimiert werden kann. Ablehnungen von Aufnahmen in Kinderschutzhäusern des LEB Angabe: nur Ablehnungen wegen Auslastung; alle Aufnahmen Gesamt Ablehnungen Gesamt Aufnahmen Gesamt Ablehnungen Gesamt Aufnahmen Gesamt Ablehnungen Gesamt Aufnahmen Jan 10 0 27 Jan 11 0 21 Jan 12 0 8 Feb 10 0 25 Feb 11 4 13 Feb 12 4 32 Mrz 10 0 10 Mrz 11 0 20 Mrz 12 0 24 Apr 10 0 15 Apr 11 0 11 Apr 12 0 25 Mai 10 0 6 Mai 11 0 15 Mai 12 1 29 Jun 10 0 11 Jun 11 0 9 Jun 12 7 23 Jul 10 0 27 Jul 11 0 17 Jul 12 0 16 Aug 10 0 13 Aug 11 0 18 Aug 12 0 13 Sep 10 0 33 Sep 11 0 23 Sep 12 0 11 Okt 10 0 18 Okt 11 0 16 Okt 12 1 10 Nov 10 0 23 Nov 11 0 23 Nov 12 0 18 Dez 10 0 34 Dez 11 0 15 Dez 12 0 13 gesamt 0 242 gesamt 4 201 gesamt 13 222 Gesamt Ablehnungen Gesamt Aufnahmen Gesamt Ablehnungen Gesamt Aufnahmen Gesamt Ablehnungen Gesamt Aufnahmen Jan 13 0 9 Jan 14 0 9 Jan 15 0 10 Feb 13 2 21 Feb 14 0 23 Feb 15 0 13 Mrz 13 0 15 Mrz 14 0 16 Mrz 15 0 13 Apr 13 0 14 Apr 14 0 32 Apr 15 0 26 Mai 13 0 21 Mai 14 0 22 Mai 15 0 19 Jun 13 0 14 Jun 14 0 21 Jun 15 0 22 Jul 13 0 4 Jul 14 0 33 Jul 15 0 21 Aug 13 0 31 Aug 14 0 26 Aug 15 0 24 Sep 13 0 10 Sep 14 0 12 Sep 15 0 12 Okt 13 0 17 Okt 14 0 13 Okt 15 2 14 Nov 13 0 24 Nov 14 0 15 Nov 15 0 36 Dez 13 0 10 Dez 14 0 12 Dez 15 0 24 gesamt 2 190 gesamt 0 234 gesamt 2 234 Gesamt Ablehnungen Gesamt Aufnahmen Jan 16 1 26 Feb 16 0 25 Mrz 16 10 22 Apr 16 1 15 Mai 16 0 18 Jun 16 7 25 Jul 16 4 22 Aug 16 11 21 Sep 16 5 15 Okt 16 15 21 gesamt 54 210 2016 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Es ist zu berücksichtigen, dass ein Kind, das auf Grund von mangelnder Platzkapazität in einem bestimmten Kinderschutzhaus nicht aufgenommen werden konnte, in einem andren Kinderschutzhaus untergebracht wurde. Dies ist aus der Statistik nicht ersichtlich. In allen Fällen konnte eine alternative Unterbringung gefunden werden. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/6563 5 Anlage 6563ska_text 6563ska_Antwort_Anlage