BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/6571 21. Wahlperiode 11.11.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Philipp Heißner (CDU) vom 03.11.16 und Antwort des Senats Betr.: Allgemeiner Sozialer Dienst schlägt Alarm – Platznotstand in den Kinderschutzhäusern ? „Wohin mit Kleinkindern in Not?“ titelt das „Hamburger Abendblatt“ in seiner heutigen Ausgabe. Hintergrund der Berichterstattung ist die katastrophale Situation in den Hamburger Kinderschutzhäusern, die überfüllt seien und kaum mehr Plätze für in Obhut genommene Kinder bereithalten könnten. Der Allgemeine Soziale Dienst (ASD) habe nun Alarm geschlagen und Abhilfe von der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) gefordert . Die Kinderschutzhäuser seien laut des Berichts derart überfüllt, dass Mitarbeiter des ASD die in Obhut genommenen Kinder zum Teil mit ins Büro hätten nehmen müssen, um von dort aus nach einem freien Platz in einem der Kinderschutzhäuser zu suchen. Von einem anderen Fall, der ebenfalls Teil der Berichterstattung ist, geht noch mehr Verwunderung aus. Hier hätten zwei Kleinstkinder vom ASD in Obhut genommen werden müssen, da die Mutter alkoholisiert war und Drogen konsumiert habe. Auch ansonsten sei die Mutter mit der Verpflegung der Kinder überfordert gewesen, sodass die Mitarbeiter des ASD entschieden, die Kinder im Kinderschutzhaus unterzubringen . Doch die Kinderschutzhäuser, die auf die Bedürfnisse von Säuglingen spezialisiert sind, seien allesamt belegt gewesen, sodass die Kinder beim für Kleinkinder ungeeigneten Kinder- und Jugendnotdienst (KJND) untergebracht werden mussten. Die Veröffentlichungen machen insbesondere vor dem Hintergrund der vergangenen schweren Fälle von Kindesmisshandlungen und Kindestötungen in Hamburg fassungslos. Der in der vergangenen Zeit häufig aufgekommene Vorwurf, Hamburg schütze seine Kinder nicht ausreichend, scheint vor dem Hintergrund der derzeitigen Berichterstattung erneut traurige Bestätigung zu finden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Ist das Wohl eines Kindes oder Jugendlichen in seiner Herkunftsfamilie oder einem anderen Ort gefährdet, so kann das Jugendamt den Minderjährigen zu jedem Zeitpunkt an einem geeigneten Ort in Obhut nehmen. Während dieser Inobhutnahme als vorläufige Schutzmaßnahme kann eine zeitlich befristete Unterbringung in einem Kinderschutzhaus eine geeignete Maßnahme darstellen. Alternativ kann das zuständige Jugendamt insbesondere jüngere Kinder in einer Bereitschaftspflegefamilie oder bei einer geeigneten Person unterbringen. Die Bezirksämter haben der zuständigen Behörden seit 2003 keinen Platznotstand in Kinderschutzhäusern gemeldet. Gleichwohl hat der Landesbetrieb Erziehung und Beratung (LEB) in den vergangenen Jahren das Platzangebot in seinen Kinderschutzhäusern stetig ausgeweitet von 40 Plätzen (2005) auf aktuell 63 Plätze. Außerdem hat der LEB in den letzten Jahren drei Drucksache 21/6571 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Kinderhäuser für die Krisenbetreuung von Kindern im Alter von vier bis zwölf Jahren mit 24 Plätzen geschaffen, die die Kinderschutzhäuser bezüglich der Zielgruppe der vier- – sechsjährigen Kinder entlastet haben. Zudem ist bei Bedarf auch eine kurzfristige Belegung über die Sollplatzzahl hinaus möglich. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Kinderschutzhäuser mit jeweils wie vielen Plätzen gibt es in Hamburg? Bitte nach Bezirken getrennt und Gesamtsumme für Hamburg darstellen. Bitte sowohl die staatlich betriebenen als auch die von freien Trägern betriebenen Kinderschutzhäuser auflisten. Einrichtungen und Platzahlen: Kinderschutzhaus( KSH) im Bezirk Plätze bis 7/16 ab 8/16 KSH Südring (N) 18 21 KSH Nord 12 14 KSH Wandsbek 12 14 KSH Altona 6 7 KSH Harburg 6 7 Gesamt HH 54 63 Quelle: LEB 2. Wie hoch waren die Belegungszahlen in den Hamburger Kinderschutzhäusern seit 2012 jeweils zum Stichtag 31.12.? Bitte pro Kinderschutzhaus und insgesamt für Hamburg darstellen. Kinderschutzhaus( KSH) im Bezirk Belegung zum 31.12 des Jahres…. 2012 2013 2014 2015 KSH Südring (N) 17 13 19 14 KSH Nord 9 11 12 10 KSH Wandsbek 11 8 10 12 KSH Altona 5 5 6 7 KSH Harburg 5 4 6 7 Gesamt HH 47 41 53 50 Quelle: LEB 3. Wie hoch waren die Belegungszahlen in den Hamburger Kinderschutzhäusern im Jahr 2016 jeweils zum Monatsende? Bitte pro Kinderschutzhaus und insgesamt für Hamburg darstellen. Kinderschutzhaus( KSH) im Bezirk Belegung in 2016 zum Monatsende Jan. Feb. März Apr. Mai Jun. Jul. Aug. Sept. Okt. KSH Südring (N) 18 21 17 15 19 21 20 19 22 20 KSH Nord 12 7 10 13 9 15 13 15 15 14 KSH Wandsbek 12 14 13 12 13 14 14 12 13 13 KSH Altona 7 7 5 6 5 7 7 7 6 7 KSH Harburg 7 8 6 6 6 6 7 7 8 7 Gesamt HH 56 57 51 52 52 63 61 60 64 61 Quelle: LEB 4. Wie viele Plätze in den unter 1. aufgeführten Kinderschutzhäusern sind derzeit belegt? 5. Wie viele freie Plätze bestehen in den unter 1. aufgeführten Kinderschutzhäusern derzeit für eine kurzfristige Unterbringung aufgrund von Inobhutnahmen et cetera? Belegte und freie Plätze zum Stichtag 4. November 2016: Kinderschutzhaus( KSH) im Bezirk belegt frei zum Stichtag 4.11.2016 KSH Südring (N) 20 1 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/6571 3 Kinderschutzhaus( KSH) im Bezirk belegt frei zum Stichtag 4.11.2016 KSH Nord (N) 14 0 KSH Wandsbek (W) 12 2 KSH Altona 6 1 KSH Harburg 7 0 Gesamt HH 59 4 Quelle: LEB 6. Wie groß waren seit dem Jahr 2012 durchschnittlich und maximal die Gruppen, in denen die aufgenommenen Kinder jeweils betreut wurden und werden? Bitte pro Kinderschutzhaus und Jahr darstellen. Durchschnittliche und maximale Gruppengrößen in den KSH KSH durchschnittliche Gruppengr. max. Gruppengröße 2012 2013 2014 2015 2016 2012 2013 2014 2015 2016 KSH Südring 5,9 4,7 5,7 5,8 6,6 8 7 9 8 8 KSH Nord 6,6 5,9 5,6 5,6 5,9 9 9 8 8 8 KSH Wandsbek 5,9 6,2 5,6 5,7 6,5 8 7 8 8 10 KSH Altona 6,7 5 6 7,4 7 7 7 8 7 8 KSH Harburg 6,4 6,9 5,9 6 7,2 8 7 8 8 8 Gesamt 6,2 5,4 5,7 5,9 6,6 9 9 9 8 10 Quelle: LEB 7. Die Kinderschutzhäuser sollen als Übergangszuhause dienen. Wie lang ist die durchschnittliche und maximale Aufenthaltszeit der aufgenommenen Kinder seit 2012? Bitte pro Kinderschutzhaus und Jahr darstellen. KSH Verweildauer Mittelwert (Tage) Verweildauer Maximum (Tage) 2012 2013 2014 2015 2016 2012 2013 2014 2015 2016 KSH Südring 90,5 100,5 86,9 132,6 81,3 588 353 699 468 410 KSH Nord 95,5 85,8 77,7 80,1 78,9 476 427 416 469 290 KSH Wandsbek 74,8 102,2 100,3 99,1 66,2 368 554 393 364 480 KSH Altona 90,7 108,2 149,1 163,3 56,7 329 318 355 620 538 KSH Harburg 275,5 126,7 84,4 70,9 125,8 494 639 388 447 349 Gesamt 95,4 100,5 91,7 106,9 76,6 588 639 699 620 538 Quelle: LEB 8. Wie bewertet die BASFI die Berichterstattung in Bezug auf die überfüllten Kinderschutzhäuser und welche Handlungsmaßnahmen leitet die Behörde aus den Zustandsbeschreibungen des ASD ab? 9. Wie viele offizielle Anzeigen hat es in Bezug auf den Platznotstand in Kinderschutzhäusern vonseiten des ASD bei der Behörde seit 2013 gegeben? 10. Mit welchen Maßnahmen zur Abhilfe wurde auf die jeweiligen Anzeigen reagiert? Siehe Vorbemerkung. 11. Trifft es zu, dass das Geschwisterpärchen (Alter: zwei und drei Jahre), von dem in dem Artikel berichtet wird, aufgrund mangelnder Platzkapazitäten in den Kinderschutzhäusern alternativ beim KJND untergebracht werden musste? Ja. Das Geschwisterpaar wurde für zwei Nächte unter altersgerechten Umständen im Kinder- und Jugendnotdienst untergebracht. Dies stellte eine geeignete Maßnahme dar. Danach erfolgte eine Unterbringung in einem Kinderschutzhaus. 12. Trifft es zu, dass der Landesbetreib Erziehung und Beratung (LEB) ein weiteres Kinderschutzhaus plant? Wenn ja: Drucksache 21/6571 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 a. Wann und wo soll dieses entstehen? b. Wie weit sind die Planungen fortgeschritten? c. Wann soll das Kinderschutzhaus planungsgemäß eröffnen? d. Wie viele Plätze würden hier zusätzlich für die Unterbringung entstehen ? Dem LEB liegt aktuell ein Angebot vor, ein noch für diesen Zweck zu errichtendes Gebäude im Osten Hamburgs langfristig anzumieten. Aktuell werden von dem Vertragspartner die baulichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen geklärt. Danach könnten zwei bis drei Betreuungsgruppen mit jeweils sieben Plätzen realisiert werden. Eine rechtsverbindliche Vereinbarung liegt aber noch nicht vor. Soweit im weiteren Verfahren keine Hindernisse auftreten, erscheint eine Realisierung zum Ende 2017 möglich. 13. Statt ins Kinderschutzhaus können die Jugendämter die Säuglinge und Kinder auch in Bereitschaftspflege geben. Wie viele Kinder im Alter bis zu sechs Jahren sind seit 2012 in Bereitschaftspflegefamilien untergekommen ? 2012 2013 2014 2015 2016 Stichtag 30.06.2016 Anzahl der Kinder ≤ 6 Jahre 53 62 55 69 57 14. Welche durchschnittlichen Kosten entfallen auf einen bereitgestellten Platz in einem vom LEB betriebenen Kinderschutzhaus jährlich? Die aktuellen Kosten pro Platz und Tag in einem Kinderschutzhaus betragen 215,14 Euro beziehungsweise rund 78.500 Euro pro Jahr. 15. Wie hat sich bei den Kinderschutzhäusern die Personalsituation seit 2013 bis heute entwickelt? Bitte Sollstellen und besetzte Stellen je zum 31.12. und 30.06. angeben. In den Kinderschutzhäusern wird erzieherisches Fachpersonal für die Betreuung beschäftigt. Die Personalsituation ist in nachfolgender Tabelle dargestellt. Pro Betreuungsgruppe (bisher sechs, neu sieben Plätze) steht außerdem eine Kapazität von 1,5 Stellen für hauswirtschaftliche Aufgaben und Personal für Leitungs- und Fachkoordinationsaufgaben zur Verfügung. KSH 30.06.2013 31.12.2013 30.06.2014 31.12.2014 30.06.2015 31.12.2015 30.06.2016 01.11.2016 Soll Ist Soll Ist Soll Ist Soll Ist Soll Ist Soll Ist Soll Ist Soll Ist KSH Südring 15,00 16,50 15,00 16,50 15,00 16,75 15,00 15,50 15,00 15,00 15,00 15,50 15,00 17,50 18,00 19,57 KSH Nord 10,00 11,00 10,00 10,28 10,00 10,76 10,00 10,00 10,00 11,25 10,00 10,00 10,00 12,00 12,00 12,00 KSH Wandsbek 10,00 10,75 10,00 8,75 10,00 10,25 10,00 12,25 10,00 9,50 10,00 11,25 10,00 11,25 12,00 10,60 KSH Altona 5,00 5,75 5,00 5,75 5,00 5,75 5,00 5,75 5,00 5,45 5,45 5,75 5,00 5,70 6,00 5,80 KSH Harburg 5,00 5,00 5,00 5,00 5,00 5,00 5,00 5,00 5,00 5,00 5,00 5,00 5,00 5,00 6,00 6,00 Quelle: LEB 16. Welche finanzielle Förderung aus welchen Produktgruppen in welcher Höhe haben die Kinderschutzhäuser jeweils und insgesamt seit 2012 erhalten? Bitte pro Haushaltsjahr angeben. Produktgruppe Haushaltsjahr Tsd. Euro zzgl. Nachzahlung im folgenden Jahr Tsd. Euro Summe Tsd. Euro Kapitel: 4460 Einzelfallfinanzierte Hilfen nach dem SGB VIII 2012 4.930 105 5.035 Kapitel: 4460 Einzelfallfinanzierte Hilfen nach dem SGB VIII 2013 5.573 73 5.646 Produktgruppe: 25404 Erziehungshilfen 2014 5.841 126 5.967 Produktgruppe: 25404 Erziehungshilfen 2015 6.280 −194 6.086 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/6571 5 Produktgruppe Haushaltsjahr Tsd. Euro zzgl. Nachzahlung im folgenden Jahr Tsd. Euro Summe Tsd. Euro Produktgruppe: 25404 Erziehungshilfen 30.09.2016 4.951 4.951 Hierin sind auch Mittel für die Kinderhäuser (siehe Vorbemerkung) enthalten. 17. Welche finanzielle Förderung insgesamt aus welchen Produktgruppen in welcher Höhe sieht der Haushaltsplan-Entwurf 2017/2018 für die Kinderschutzhäuser vor? Die Finanzierung der Kinderschutzhäuser und Kinderhäuser erfolgt vollständig über kapazitätsbezogene Tagessätze aus der Produktgruppe 25404 Erziehungshilfen. Im Haushaltsplan-Entwurf 2017/2018 sind Kosten in Höhe von 5.929.000 Euro je Haushaltsjahr berücksichtigt.