BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/6579 21. Wahlperiode 11.11.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrea Oelschlaeger, Dirk Nockemann und Detlef Ehlebracht (AfD) vom 04.11.16 und Antwort des Senats Betr.: Übergriffe auf Rettungskräfte (II) Das „Hamburger Abendblatt“ hat am 11.03.2016 über eine Studie mit dem Titel „Gewalt gegen Rettungskräfte“ berichtet. Diese Studie ist die Doktorarbeit von Janina Lara Dressler für das kriminologische Institut der Universität Bonn. Dressler hat dazu Daten aus Berlin, München, Köln und Hamburg gesammelt. Sie hat 1659 Retter befragt und mehr als 4.000 Übergriffe dokumentiert . In einer Schriftlichen Kleinen Anfrage der AfD-Fraktion dazu (Drs. 21/3635) schrieb der Senat, dass der Feuerwehr Hamburg bisher nur eine Kurzauswertung bekannt sei. Zudem schrieb der Senat, dass nicht bekannt sei, ob es sich bei den Übergriffen überwiegend um Tätergruppen mit meist Migrationshintergrund handele. In anderen Gegenden Deutschlands ist das Thema ähnlich virulent, etwa in Nordrhein-Westfalen. „Es gibt Stadtteile, da werden sie ständig beschimpft, bespuckt und angepöbelt“, sagt Eckhard Schwill, Justiziar der komba Gewerkschaft nrw zur Gewalt/Beschimpfungen gegen Rettungskräfte. Genaue Zahlen lägen bisher nicht vor, auch weil vieles gar nicht gemeldet oder gar zur Anzeige gebracht wird.1 Für Hamburg ist Ähnliches zu vermuten. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) ist auf Jahresauswertungen ausgelegt. Innerhalb eines Berichtsjahres unterliegt der PKS-Datenbestand einer ständigen Pflege, zum Beispiel durch Hinzufügen von nachträglich ermittelten Tatverdächtigen oder der Herausnahme von Taten, die sich im Nachhinein nicht als Straftat erwiesen haben. In der PKS wird ein Fall in dem Monat gezählt, in dem er erfasst wurde. Die Tatzeit bleibt dabei unberücksichtigt. Wird dieser Fall in einem Folgemonat im Sinne der vorstehend beschriebenen ständigen Pflege geändert, führt das in diesem Folgemonat zu einer erneuten Zählung, weil eine Datensatzänderung im rechnerischen Sinne eine neue Erfassung ist. In den sogenannten kumulativen Tabellen, die vom ersten bis zum aktuellen Monat des Jahres berichten, wird immer nur der eine Fall mit der letzten Änderung gezählt. Das hat zur Folge, dass die Summe von Monatszahlen regelmäßig größer ist als die kumulativen Zahlen dieser Monate. Änderungen in der PKS oder spezielle Kriminalitätsaufkommen, auch in Verbindung mit entsprechenden Qualitätssicherungsmaßnahmen , können dazu führen, dass monatliche Fallerfassungen 1 http://www.derwesten.de/region/rhein_ruhr/gewalt-gegen-rettungskraefte-in-nordrheinwestfalen -nimmt-zu-id12209411.html. Drucksache 21/6579 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 beträchtlicher Größenordnung in Folgemonaten erneut gezählt werden. Auf einzelne Monate aufgegliederte Fallzahlen sind in der PKS daher nicht valide. Eine Addition der Zahlen der einzelnen Monate ergibt nicht die Summe der kumulierten Berechnung für entsprechende Monatszeiträume. Zur begrenzten Aussagekraft unterjähriger Daten siehe Drs. 16/4616. Daten zu Opfern werden in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) nur bei Delikten erfasst, für die im Straftatenkatalog eine Opfererfassung vorgesehen ist. Nach den aktuellen bundeseinheitlich geltenden PKS-Richtlinien betrifft dies grundsätzlich Delikte gegen höchstpersönliche Rechtsgüter (Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit, Ehre, sexuelle Selbstbestimmung). Im Gegensatz zur „Echttäterzählung“ der Tatverdächtigen in der PKS handelt es sich bei der Opfererfassung um sogenannte Opferwerdungen , das heißt wenn eine Person im Laufe eines Jahres mehrfach Opfer von Straftaten geworden ist, wird sie auch mehrfach in der PKS erfasst. Die Auswertung zu Opferdaten wird in der PKS systemseitig nur für Hamburg gesamt berechnet. Die Polizei registriert in der PKS Polizeivollzugskräfte und Mitarbeiter von Rettungsdiensten , die Opfer von Straftaten geworden sind. Die Zahl der Opfer kann nicht in Relation zu den Fallzahlen gesetzt werden, da mehrere Opfer zu einem Fall erfasst worden sein können. In den standardisierten PKS-Auswertungen zu Tatverdächtigen wird nicht nach Delikten , bei denen Rettungskräfte als Opfer erfasst wurden, differenziert. Dafür wäre eine Durchsicht und Auswertung aller Hand- und Ermittlungsakten des Jahres 2016 bei der Polizei erforderlich. Die Auswertung von mehr als hunderttausend Akten ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Ist dem Senat die oben genannte Studie mittlerweile in Gänze bekannt? Wenn ja, welche Schlussfolgerungen zieht er daraus? Die Promotion ist noch nicht abgeschlossen, sie ist der zuständigen Behörde daher nicht in Gänze bekannt. Im Übrigen siehe Drs. 21/3635. 2. Welche Delikte gegen Rettungskräfte sind seit 11.03.2016 bis heute in Hamburg begangen worden? Bitte Details angeben. Die nachfolgende Tabelle gibt die kumulativen PKS-Daten für den Zeitraum 1. Januar bis einschließlich 31. Oktober 2016 wieder. Im Übrigen siehe Vorbemerkung: PKS - Schlüssel Delikt Rettungsdienste insgesamt Feuerwehr sonstige Rettungsdienste ------ Straftaten gesamt 94 62 32 030000 Fahrlässige Tötung 0 0 0 217000 Sonstiger Raub auf Straßen, Wegen oder Plätzen 0 0 0 222000 Gefährliche und schwere Körperverletzung 7 2 5 224000 Vorsätzliche einfache Körperverletzung 63 38 25 225000 Fahrlässige Körperverletzung 3 3 0 232201 Nötigung im Straßenverkehr 5 4 1 232279 Sonstige Nötigung 6 6 0 232300 Bedrohung 8 7 1 621020 Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte 0 0 0 621030 Widerstand gegen gleichgestellte Personen 2 2 0 3. Sind dem Senat mittlerweile die Ursachen für derartige Delikte gegen Rettungskräfte bekannt? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/6579 3 Wenn ja, bitte Details angeben, wenn nein bitte den genauen Grund dafür angeben. Die Motive für derartige Delikte unterscheiden sich situations- und personenabhängig. In einem Teil der Fälle liegen Hinweise auf Alkoholisierung und/oder Drogenkonsum vor. 4. Hat der Senat mittlerweile detaillierte Kenntnis über die Täter? Wenn ja, bitte Details angeben, wenn nein, bitte den genauen Grund dafür angeben. Siehe Vorbemerkung. 5. Hat der Senat eine Übersicht der Hamburger Stadtteile, aus der hervorgeht , wo die meisten Übergriffe gegen Rettungskräfte 2015 – 2016 (aktuelles Datum) stattfanden? Wenn ja, bitte Details angeben. 6. Sind dem Senat Fälle bekannt, in denen aufgrund der Gefahr von Übergriffen /bereits erfolgten Übergriffen gegenüber Rettungskräften diese ihren Dienst verweigert beziehungsweise abgebrochen haben? Wenn ja, bitte Details angeben. Eine Statistik im Sinne der Fragestellung wird weder bei der Polizei noch bei der Feuerwehr geführt; darüber hinaus siehe Vorbemerkung. 7. In wie vielen Fällen mussten 2015 – 2016 (aktuelles Datum) Einsätze von Rettungskräften von der Polizei aufgrund von Attacken oder Bedrohungen abgesichert werden? Bitte Details angeben. Eine Statistik im Sinne der Fragestellung wird bei der Polizei nicht geführt. Das Hamburger Einsatzleitsystem (HELS) protokolliert einzelne Einsatzanlässe; es handelt sich jedoch nicht um ein System, das für statistische Auswertungen generiert wurde. Hinsichtlich wahrzunehmender Einsätze im Zusammenhang mit polizeilichen Unterstützungen für Rettungskräfte der Feuerwehr oder privater Hilfsorganisationen wird in HELS kein gesondertes Einsatzrubrum verwendet. Die händische Auswertung von mehreren Zehntausend Akten an allen Polizei- und Wasserschutzpolizeikommissariaten ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 8. Hat es Initiativen oder offizielle Beschwerden von Rettungskräften an die Adresse des Senats gegeben, sich der Erforschung und Bekämpfung der Gewalt gegenüber Rettungskräften besser als bisher zu widmen? Wenn ja, bitte Details angeben. Der zuständigen Behörde sind keine derartigen Initiativen oder Beschwerden von Rettungskräften bekannt. 9. Welche und wie viele Übergriffe auf Rettungskräfte hat es 2015 – 2016 (aktuelles Datum) rund um Einsätze in oder in unmittelbarer Nähe von Hamburger Flüchtlingsheimen gegeben? Bitte Details angeben. In der PKS erfolgt die räumliche Erfassung in ihrer kleinsten Einheit nach Ortsteilen. Nach Art der Tatörtlichkeit oder nach Adressen wird nicht weiter differenziert. Der Feuerwehr Hamburg sind aktuell drei Fälle bekannt, die sich in jeweils verschiedenen Einrichtungen ereigneten. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 10. Ist bekannt, ob die Täter, die in Hamburg 2015 – 2016 (aktuelles Datum) Übergriffe gegen Rettungskräfte begangenen haben, Migrationshintergrund beziehungsweise Flüchtlingsstatus haben? Aus welchen Staaten kommen sie? Bitte genaue Angaben. Siehe Vorbemerkung. Drucksache 21/6579 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 11. Hat der Senat Erkenntnisse darüber, in wie vielen Fällen Schaulustige Arbeiten von Rettungskräften in Hamburg behindert haben? Was waren die Folgen für die Geschädigten/Opfer in den jeweiligen Einsätzen? Siehe Antwort zu 5. und 6. 12. Gibt es valide Erkenntnisse des Senats darüber, ob die vom Senat in Drs. 21/3635 Antwort 11. angesprochenen Maßnahmen, um Hamburger Rettungskräfte im Dienst besser zu schützen, ihr Ziel erreicht haben? Wenn ja, bitte Details angeben. Maßnahmen, wie die in der Drs. 21/3635 dargestellten, können jeweils nur einen Beitrag zur Beeinflussung der Situation und damit zum Schutz der Einsatzkräfte leisten. Eine valide Bewertung ist derzeit aber nicht möglich. Die Frage des Schutzes von Einsatzkräften vor Übergriffen muss und wird deshalb von der zuständigen Behörde weiter mit Nachdruck verfolgt. Hierzu gehören auch die Unterstützung geeigneter, strafrechtlicher Änderungen, die konsequente Strafverfolgung von entsprechenden Personen sowie die Unterstützung von Einsatzkräften nach Übergriffen wie mit der Übernahme der Schmerzensgeldansprüchen der Betroffenen durch die zuständige Behörde.