BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/660 21. Wahlperiode Neufassung 11.06.15 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Daniel Oetzel und Carl-Edgar Jarchow (FDP) vom 02.06.15 und Antwort des Senats Betr.: Fall von Kindeswohlgefährdung in Hamburg-Mitte (III) Aus den Senatsantworten zu der Drs. 21/518 und den Erläuterungen des Senats in der Sitzung des Familienausschusses am 27.05.2015 ergeben sich Nachfragen zum oben genannten Thema. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Inwieweit ist es bei der Polizei üblich, empfohlen oder Teil einer Dienstvorschrift , sich vor einem Einsatz beziehungsweise dem Ruf an einen bestimmten Ort oder zu bestimmten Personen zu informieren, welche Vorfälle an dieser bestimmten Adresse oder mit diesen bestimmten Personen schon aktenkundig sind? Auf welche IT-Verfahren wird dabei zugegriffen? Befindet sich ComVor darunter? 2. Inwieweit ist es möglich, entsprechende Informationen auch noch unterwegs zum Einsatzort, beispielsweise in Dienstfahrzeugen, oder vor Ort abzurufen? Besteht dabei auch (mobiler) Zugriff auf ComVor? Eine generelle Abklärung aktenkundiger Ereignisse im Sinne der Fragestellung vor Wahrnehmung eines polizeilichen Einsatzanlasses findet nicht statt. Anlassbezogen, sofern konkrete Hinweise auf besondere Gefährdungslagen vorliegen, wird vor Einsatzwahrnehmung über das polizeilichen Auskunftssystem POLAS eine personenbezogene Recherche durchgeführt. Eine Dienstvorschrift im Sinne der Fragestellungen existiert nicht. Eine Abfrage im Vorgangsbearbeitungssystem ComVor ist im Sinne der Fragestellung nicht möglich. Grundsätzlich besteht für die eingesetzten Kräfte auf dem Weg zum beziehungsweise am Einsatzort die Möglichkeit, Informationen über Funk oder Mobiltelefon zu erhalten. Ein mobiler Zugriff auf Daten besteht aber in der Regel nicht. 3. Inwieweit ist es für den sachbearbeitenden Polizisten in ComVor entweder in Vorbereitung auf einen Einsatz oder beim Verfassen eines anschließenden Berichtes sichtbar, dass an einer entsprechenden Adresse beziehungsweise in Zusammenhang mit einer bestimmten Person bereits einmal ein Verdacht auf eine Kindeswohlgefährdung (KWG) vorlag? Wie viele Kindeswohlgefährdungsmeldungen beziehungsweise Meldungen hinsichtlich eines Anfangsverdachts auf mögliche Kindeswohlgefährdung wurden durch die Polizei in den Jahren seit 2011 getätigt? Wie viele davon wurden nach Prüfung durch das LKA Fachstab 31 (LKA FSt 31) an die Jugendämter weitergeleitet? (Bitte jahresweise auflisten.) Drucksache 21/660 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Hinweise im Sinne der Fragestellung werden bei der Vorgangsfertigung durch das Vorgangsbearbeitungssystem ComVor nicht gegeben; im Übrigen siehe Antwort zu 1. und 2. Statistische Daten zu Meldungen im Zusammenhang mit Kindeswohlgefährdungen werden bei der Polizei nicht erhoben. Die Polizei leitet alle wegen des Verdachts auf Kindeswohlgefährdung gefertigten Meldungen über die Schnittstelle ComVor-JUS-IT an die jeweils zuständigen Jugendämter weiter. Bei den Jugendämtern sind nach dortiger Zählung in den fraglichen Jahren folgende Meldungen der Polizei aufgrund eines Verdachtes auf Kindeswohlgefährdung (N 74) eingegangen: In 2011: 4.801 In 2012: 4.094 In 2013: 4.048 In 2014: 4.628 a. In wie vielen Fällen sind die Jugendämter diesen Meldungen in Form eines Hausbesuchs nachgegangen? In wie vielen Fällen wurde ihnen aus welchen Hauptgründen nicht nachgegangen? (Bitte jahresweise auflisten.) Dies wird statistisch nicht erfasst. Eine händische Auswertung aller Einzelfälle ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Im Übrigen siehe Antwort zu 3. b. b. Welche Prüfungskriterien sind seit wann zwischen LKA und Jugendämtern beziehungsweise jeweils übergeordneten Dienststellen hinsichtlich der durch LKA FSt 31 erfolgenden Prüfung der Kindeswohlgefährdungsmeldungen vereinbart? Anhand welcher Kriterien beziehungsweise ab wann wird eine KWG-Meldung von LKA FSt 31 über die Schnittstelle ComVor/JUS-IT ans jeweils zuständige Jugendamt weitergeleitet? Die Polizei hat von jeher Meldungen wegen des Verdachts einer Kindeswohlgefährdung nach Einzelfallprüfung gefertigt und an das zuständige Jugendamt weitergeleitet. Im Jahr 2005 wurde unter Beteiligung aller Hamburger Behörden ein Parlamentarischer Sonderausschuss „Vernachlässigte Kinder“ eingerichtet, der die Überprüfung und gegebenenfalls Optimierung der Maßnahmen zum Schutz der Kinder in den Hamburger Behörden zum Ziel hatte. In Abstimmung mit der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) hat die Polizei zum 1. März 2006 den Meldebogen „Verdacht auf Kindeswohlgefährdung“ (Siehe Vordruck N 74 in der Anlage) eingeführt: Der Vordruck enthält auf Seite 3 einen weit gefassten Kriterienkatalog, in welchen Fällen von einer Kindeswohlgefährdung auszugehen ist. Die vor Ort eingesetzten Polizeibeamten fertigen in jedem Fall eines Verdachts auf Kindeswohlgefährdung eine Meldung auf dem Vordruck N 74. Jede Meldung wird – nach fachlicher Prüfung durch den zuständigen Fachstab des Landeskriminalamtes (LKA FSt 31) – über die elektronische Schnittstelle durch LKA FSt 31 an die Jugendhilfe übersandt . Das zwischen der Polizei und den Jugendämtern festgelegte Verfahren sieht vor, dass die Polizei den ASD beziehungsweise das Familieninterventionsteam – in akuten Fällen außerhalb der Dienstzeiten den Kinder- und Jugendnotdienst – benachrichtigt, wenn sie eine Gefährdung Minderjähriger feststellt. Die Meldungen können sich auf delinquente Jugendliche oder auf den Verdacht einer Kindeswohlgefährdung (KWG) beziehen. Sie werden über die Schnittstelle ComVor und JUS-IT an den zuständigen ASD oder das FIT gemeldet. Das System JUS-IT erstellt eine automatisierte Rückmeldung an die Polizei zur zuständigen Stelle der Jugendhilfe. Die Einschätzung, ob tatsächlich eine KWG vorliegt und welche weiteren Schritte dann zu veranlassen sind, obliegt dem ASD beziehungsweise dem FIT. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/660 3 4. Welche Dienstvorschriften bestehen bei der Polizei hinsichtlich des Vorgehens in Fällen häuslichen Streits sowie häuslicher Gewalt, in denen nicht ausgeschlossen werden kann, dass Kinder (direkt oder indirekt) involviert sind? Einschlägig im Sinne der Fragestellung sind die „Vorschrift für den täglichen Dienst der Polizei Hamburg (PDV 350 HH)“ und die darin enthaltenen Handbücher - „Kindeswohlgefährdung“ und - „Beziehungsgewalt“. 5. Seit wann besteht die Schnittstelle ComVor/JUS-IT? Seit der Inbetriebnahme von JUS-IT am 21. Mai 2012. a. Gab oder gibt es mit dieser Schnittstelle Probleme? Wenn ja, jeweils welche jeweils wann und jeweils wie wurden diese jeweils wann behoben? Nein. b. Wie wurden entsprechende Meldungen vor Einführung von JUS-IT an die Jugendämter weitergeleitet? Gab es eine ähnliche Schnittstelle zu PROJUGA? Vor Einführung von JUS-IT wurden die Polizeimeldungen über die Jugendbeauftragten der Polizei per Fax beziehungsweise per Behördenpost an das zuständige Jugendamt übermittelt. Eine vergleichbare elektronische Schnittstelle zu PROJUGA gab es nicht. Drucksache 21/660 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Anlage Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/660 5 Drucksache 21/660 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 6 660skaNeu_Text 660skaNeu_Anlage