BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/6622 21. Wahlperiode 15.11.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Karin Prien (CDU) vom 08.11.16 und Antwort des Senats Betr.: Lernstanderhebungen in Klasse 3 und 8 – Was brachte KERMIT 2015/ 2016 zutage? Wie auch im vergangenen Jahr veröffentlichten andere Bundesländer in den letzten Tagen die Ergebnisse der bundesweit in Klasse 3 und 8 durchgeführten Vergleichsarbeiten (VERA). Berlin beispielsweise stellte Ende Oktober der Öffentlichkeit die Ergebnisse zur Verfügung (https://www.isq-bb.de/ wordpress/wp-content/uploads/2016/06/VERA8_Bericht_BLN.pdf). In Hamburg hingegen muss man sich mit einer sehr allgemein gehaltenen Presseerklärung der Schulbehörde (http://www.hamburg.de/pressearchiv-fhh/ 7010896/2016-09-23-bsb-lernstandsuntersuchungen/) zufriedengeben. Dem Internetauftritt für Lernstandsergebnisse der Schulbehörde (www.lernstand.hamburg.de) ist außerdem zu entnehmen, dass berechtigte Personen in einem passwortgeschützen Bereich bereits seit Juli auf die Ergebnisse zugreifen können. Die Öffentlichkeit ist jedoch offensichtlich immer noch ausgeschlossen. Wie auch im vergangenen Jahr ziert sich die Schulbehörde mit der Veröffentlichung von tiefergehenden Informationen. In seiner Zeit als Fachsprecher für Schule und Bildung der SPD-Fraktion forderte Senator Rabe selbst noch Transparenz bei derartigen Vergleichsarbeiten (vergleiche Drs. 19/4272 und 19/5164). Angesichts dessen kommt die Frage auf, wie ernst es dem Schulsenator mit der Transparenz wirklich ist. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Tabellen zu KERMIT 3 zeigen unter Berücksichtigung der Bezirke und der Sozialindizes die prozentualen Verteilungen der Schülerinnen und Schüler auf die Kompetenzstufen – bezogen auf die nationalen Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz (KMK) für das Ende der vierten Jahrgangsstufe. Getestet wurde, wie viele Schülerinnen und Schüler bereits nach rund zweieinhalb Schuljahren den Lernstand von Ende Klasse 4 erreicht haben. Die Schulen haben also nach den KERMIT-3- Testungen noch über ein Schuljahr Zeit, die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler weiterzuentwickeln Die Tabellen sind somit als Zwischenbilanz auf dem Weg zur Erreichung der nationalen Bildungsstandards Ende der vierten Jahrgangsstufe zu verstehen. Die Tabellen zu KERMIT 8 zeigen unter Berücksichtigung der Bezirke und der Sozialindizes die prozentualen Verteilungen der Schülerinnen und Schüler auf die Kompetenzstufen des mittleren Schulabschlusses (MSA). Getestet wurde, wie viele Schülerinnen und Schüler vor Ende von Klassenstufe 8 bereits den Lernstand von Ende Klasse 10 erreicht haben. Die Schulen haben also nach den KERMIT-8-Testungen noch über zwei Schuljahre Zeit, die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler weiterzuentwickeln . Die Tabellen sind somit als Zwischenbilanz auf dem Weg zur Errei- Drucksache 21/6622 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 chung der nationalen Bildungsstandards Ende der zehnten Jahrgangsstufe zu verstehen . Die Erhebungen KERMIT 3 (beziehungsweise VERA 3) und KERMIT 8 (beziehungsweise VERA 8) stellen eine bewusste Überforderung der Schülerinnen und Schüler dar. Denn sie überprüfen Lernstandards, die von den Schülerinnen und Schülern erst eineinhalb Jahre (VERA 3) beziehungsweise zweieinhalb Jahre nach dem Test erreicht werden müssen. Im Fall von VERA 8 wird beispielsweise überprüft, wie viele Schülerinnen und Schüler bereits Mitte der achten Klasse die Anforderungen des mittleren Schulabschlusses erfüllen würden. Bei einer durchschnittlichen Lernentwicklung ist zwangsläufig zu erwarten, dass ein größerer Teil der Schülerinnen und Schüler diese Lernstandards noch nicht erreicht hat, denn die Anforderungen der Prüfung müssen erst zweieinhalb Jahre später am Ende der zehnten Klasse bewältigt werden. Insgesamt ordnen sich die Muster der Testergebnisse gut in die Befunde ein, die in den IQB-Ländervergleichsstudien 2011 für die vierten Klassen und 2015 für die neunten Klassen ermittelt wurden. In den dort getesteten Kompetenzen erreichten bundesweit zwischen 44 und 68 Prozent die Regelstandards. Die Verteilung der Schülerinnen und Schüler auf die Kompetenzstufen beispielsweise im Bereich Deutsch- Lesen Klasse 9 (IQB-Ländervergleich) und Klasse 8 (KERMIT) weisen hohe Überschneidungen auf. Sie weisen für Hamburg günstigere Werte auf als für die Stadtstaaten Bremen und Berlin und sind vergleichbar mit denen von Flächenländern mit sozial heterogener Schülerschaft (zum Beispiel Nordrhein-Westfahlen). Schulformunterschiede in der Sekundarstufe I bewegen sich im erwartbaren Rahmen. Sie sind nicht nur durch Unterschiede in der Zusammensetzung der Schülerschaft bedingt, sondern wesentlich auch dadurch, dass Schülerinnen und Schüler der Gymnasien bis zum Zeitpunkt der KERMIT-8-Testung im achtjährigen gymnasialen Beildunggang gemäß Stundentafel mehr Unterricht als Schülerinnen und Schüler im neunjährigen Bildungsgang der Stadtteilschulen haben. Ferner ist davon auszugehen, dass ein Teil der Schülerinnen und Schüler, die in Stadtteilschulen in der achten Klasse die Mindeststandards verfehlen, dies oder die Mindeststandards für den ersten allgemeinbildenden Abschluss bis zum Ende der zehnten Klasse erreichen. Die Aussage, dass andere Länder in den letzten Tagen die Ergebnisse der bundesweit in Klasse 3 und 8 durchgeführten Vergleichsarbeiten (VERA, in Hamburg KERMIT) veröffentlicht hätten, ist so nicht zutreffend. Lediglich Berlin, Brandenburg und Nordrhein-Westfahlen haben einzelne Ergebnisse zum Teil veröffentlicht. Die für Bildung zuständige Behörde in Hamburg folgt der gängigen Praxis der überwiegenden Zahl der Länder sowie den Empfehlungen der KMK zum Umgang mit den VERA- Ergebnissen (siehe Beschluss der KMK „Vereinbarung zur Weiterentwicklung von VERA“ vom 8. März 2012; http://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/ veroeffentlichungen_beschluesse/2012/2012_03_08_Weiterentwicklung-VERA.pdf) und sieht regelhaft davon ab, die Ergebnisse von VERA/KERMIT 3 und 8 zu veröffentlichen . Für Vergleiche der Leistungsfähigkeit von Schulen, Schulformen und der Bildungsqualität in Ländern und Bezirken sind die VERA-Erhebungen aufgrund dieser Zielsetzung ungeeignet. Einem Vergleich der Ergebnisse auf Länderebene steht zudem die in den Ländern unterschiedliche konzeptionelle Gestaltung im Hinblick auf Vorbereitung, Verpflichtungsgrad, Ablauf, Auswertung und Ergebnisrückmeldung entgegen. Die VERA-Ergebnisse sollen den Lehrkräften Rückmeldung über die Leistungen ihrer Schülerinnen und Schüler geben, sodass Stärken und Defizite rechtzeitig erkannt und die Schülerinnen und Schüler im Unterricht gezielt gefördert werden können. Nur vor dem schulischen und individuellen Hintergrund der Schülerinnen und Schüler sind die Ergebnisse sinnvoll (das heißt ursächlich) interpretierbar. Diese Zurückhaltung bei der Veröffentlichung von VERA/KERMIT-Ergebnissen ist somit sachlich begründet und hat nichts mit fehlender Transparenz oder dem Ausschluss von Öffentlichkeit zu tun. Die KMK hat in der oben genannten Vereinbarung ebenfalls bekräftigt, dass die zentrale Funktion von VERA die Nutzung der Ergebnisse für den schulinternen Gebrauch zur Schul- und Unterrichtsentwicklung ist. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/6622 3 Im Übrigen hat der Präses der für Bildung zuständigen Behörde in seiner Zeit als Fachsprecher für Schule und Bildung der SPD-Fraktion in den Drs. 19/4272 und 19/5164 nicht nach den Ergebnissen von Vergleichsarbeiten gefragt, wie von der Fragestellerin behauptet, sondern nach der Veröffentlichung der Ergebnisse der Studie „Kompetenzen und Einstellungen von Schülerinnen und Schülern am Ende der Jahrgangsstufe 8“ (KESS-8-Studie). Anders als bei den KERMIT-Erhebungen liegt das Hauptziel der KESS-Studie darin, die Steuerungsebenen beziehungsweise Entscheidungsträger in Politik und Behörde mit Daten zum Systemmonitoring zu unterstützen. Im Übrigen siehe Drs. 21/1490, Drs. 21/5731 sowie Drs. 21/5933. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viel Prozent der Schülerinnen und Schüler a. der Jahrgangsstufe 3, b. der Jahrgangsstufe 8 haben pro Testkategorie (Mathematik, Rechtschreibung und Leseverstehen ) jeweils welche Kompetenzstufe erreicht? Siehe Drs. 21/5731. 2. Wie verteilen sich die Ergebnisse auf die Bezirke? a. Welche Unterschiede gibt es bei KERMIT 8 zwischen Stadtteilschulen und Gymnasien? b. Wie gestaltet sich die Verteilung der Ergebnisse unterhalb der Schulen unter Berücksichtigung der Sozialindizes? Siehe https://www.liq-projekte.de/vera_2015-16/. 3. Inwieweit fallen die Ergebnisse je Testkategorie bei Mädchen anders aus als bei Jungen? Siehe https://www.liq-projekte.de/vera_2015-16/. 4. Weichen die Testergebnisse je Kategorie bei Schülern mit einer anderen Muttersprache als Deutsch insgesamt ab? Zum Vergleich bitte Angabe wie bei 1., nur für Schüler mit abweichender Muttersprache. Da die zuständige Behörde die Muttersprache der Schülerinnen und Schüler bei KERMIT 3 und 8 nicht erfasst, können hierzu keine Aussagen gemacht werden. 5. Welche Schlüsse zieht die zuständige Behörde aus den Ergebnissen der Erhebungen für die qualitative Weiterentwicklung des Unterrichts, insbesondere im Bereich der Mathematik? Die Lehrkräfte reflektieren auf der Grundlage der Testergebnisse die Unterrichtsqualität und leiten, soweit erforderlich, Maßnahmen zur Weiterentwicklung des Unterrichts an ihrer Schule ein. Dabei hilft ihnen neben den ausführlich kommentierten Rückmeldungen ihrer Ergebnisse auch das umfangreiche Begleitmaterial, wie die „Didaktischen Materialien“ sowie die Handreichung „Hinweise und Anregungen zur Nutzung von KERMIT für die Unterrichts- und Schulentwicklung“. Auch im Rahmen der jährlich zwischen Schulaufsicht und Schule stattfindenden Statusgespräche wird die Auswertung der Ergebnisse von KERMIT 3 und 8 thematisiert. Im Übrigen siehe Drs. 20/13458 und Drs. 21/5933. Im Schuljahr 2015/2016 wurden in Zusammenarbeit mit dem Institut für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung (IfBQ) die Fachleitungen in den Landesfachkonferenzen Deutsch und Mathematik der Grundschulen, Stadtteilschulen und Gymnasien über den Umgang mit den Testergebnissen der laufenden Lernstandserhebungen informiert. Zusätzliche Hinweise erhielten die Fachlehrkräfte über die Fachbriefe Mathematik und Fremdsprachen. Das Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) bietet in Kooperation mit dem IfBQ regelhaft halbjährlich für die Fächer Deutsch, Englisch, Mathematik und Naturwissenschaften jeweils zentrale Veranstaltungen zur Auswertung und Umgang mit den KERMIT-Daten an. Über die zentralen Drucksache 21/6622 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Fortbildungsveranstaltungen hinaus besteht am LI ein Angebot an schulinternen Fortbildungen für Fachkonferenzen und zur Qualifizierungen für Fachleitungen, in denen das Thema aufgegriffen wird, sowie individuellen Fachberatungen. Des Weiteren trägt die zuständige Behörde mit der Mathematikoffensive (siehe Drs. 21/1001) sowie den Maßnahmen zur Verbesserung des Rechtschreibunterrichts (siehe Drs. 20/13458 und Drs. 21/959) zur Qualitätsverbesserung des Unterrichts bei. 6. Wie werden die Ergebnisse in Hamburg im Ländervergleich bewertet? 7. Aus welchem Grund begnügt man sich in Hamburg mit einer kurzen Pressemitteilung, während andere Bundesländer deutlich weitreichendere Informationen der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen? 8. Plant die zuständige Behörde zu den Ergebnissen von KERMIT 3 und 8 weitere Veröffentlichungen? Wenn ja, welche Informationen werden diese enthalten? Siehe Vorbemerkung. 9. Inwieweit ist die Veröffentlichung von Testergebnissen bei stadtweiten Vergleichstests Gegenstand des Hamburgischen Transparenzgesetzes? Diese Testergebnisse sind nicht Gegenstand der Veröffentlichungspflicht gemäß § 3 Absatz 1 Hamburgisches Transparenzgesetz (HmbTG).