BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/6654 21. Wahlperiode 18.11.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Detlef Ehlebracht (AfD) vom 10.11.16 und Antwort des Senats Betr.: Betriebsunterbrechungen im Schienenverkehr Fast täglich können wir selbst oder aus den Medien „erfahren“, dass unser unverzichtbares Schienennetz der S-, U- und Regionalbahnen im Hamburger Verkehrsverbund Störungen ausgesetzt ist. Neben den geplanten Streckenstilllegungen aufgrund von Umbaumaßnahmen oder Instandhaltung nehmen dabei auch die Unterbrechungen durch sogenannte betriebsfremde Personen im Gleis oder durch Unfälle stetig zu. Die beteiligten Fahrgäste sitzen entweder im Zug fest oder müssen zeitaufwendige Umwege und Ersatzverkehre benutzen. Jeder, der davon betroffen ist, hat daher ein Interesse daran, dass die Unterbrechungen nur im wirklich betrieblich notwendigen Umfang erfolgen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen auf der Grundlage von Auskünften der Deutschen Bahn AG (DB), der Hamburger Hochbahn AG (HOCHBAHN), der AKN Eisenbahn AG (AKN), der metronom Eisenbahngesellschaft mbH (metronom) sowie der Hamburger Verkehrsverbund GmbH (HVV) wie folgt: 1. Welche verschiedenen Arten von Betriebsunterbrechungen werden bei den beteiligten Bahnunternehmen unterschieden? Grundsätzlich wird zwischen geplanten, in der Regel durch Baumaßnahmen verursachten Betriebsunterbrechungen und ungeplanten, zumeist durch externe Einflüsse verursachten Betriebsstörungen (zum Beispiel Fahrgastverhalten, Witterungseinflüsse , Störungen an Fahrzeugen, Polizeieinsätze et cetera) unterschieden. Bei dem metronom wird zusätzlich noch zwischen Haltausfällen und Verspätungen von mehr als 60 Minuten unterschieden. 2. Wie haben sich Häufigkeit und Dauer der Betriebsunterbrechungen in den letzten Jahren entwickelt? Bitte für die letzten 20 Jahre detailliert nach Jahr, Verkehrsträger, Grund (geplant/ungeplant) und Dauer der jeweiligen Betriebsunterbrechung aufführen. Sollten die Aufzeichnungen über die Betriebsunterbrechungen nicht so weit zurückreichen, bitte wenigstens Angaben soweit verfügbare Daten vorliegen. Im U-Bahn-Bereich verfügt die HOCHBAHN bei ungeplanten Betriebsunterbrechungen über statistische Auswertungen, die eine Rückschau bis zum Jahr 2009 ermöglichen . Die Häufigkeit solcher Unterbrechungen kann je nach Ursache schwanken, wodurch in Jahren mit starken Witterungseinflüssen vergleichsweise mehr Betriebsunterbrechungen erfolgen. Eine Tendenz zur Zunahme von Betriebsunterbrechungen ist nicht zu verzeichnen. Drucksache 21/6654 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Jahr Ungeplante Betriebsunterbrechungen (mit Busnotverkehr) Dauer der Unterbrechung (in Stunden) 2009 85 61 2010 95 85 2011 61 56 2012 59 45 2013 70 67 2014 79 60 2015 98 104 2016* 84 54 * bis einschließlich Oktober Bei langfristig geplanten Betriebsunterbrechungen wird unter Berücksichtigung finanzieller , kapazitiver und betrieblicher Aspekte angestrebt, Beeinträchtigungen für Fahrgäste zu minimieren. Deshalb werden Baumaßnahmen soweit wie möglich gebündelt abgewickelt. Hierzu verfügt die HOCHBAHN über Daten, die eine Rückschau bis zum Jahr 2007 erlauben. Hauptursachen der Streckensperrungen waren der barrierefreie Ausbau von U-Bahnhöfen und durch Dritte verursachte Baustellen, zum Beispiel Bauarbeiten an den DB-Brücken am Hauptbahnhof oder Arbeiten an Brücken in der Zuständigkeit des Landesbetriebs Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG). Jahr Geplante Betriebsunterbrechungen (mit Schienenersatzverkehr) Dauer der Unterbrechung (in Tagen) 2007 13 71 2008 11 95 2009 13 255 2010 13 165 2011 6 156 2012 5 92 2013 8 135 2014 12 50 2015 16 91 2016* 18 139 * bis einschließlich Oktober Im Bereich des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) werden bei der DB keine Statistiken über Häufigkeit und Dauer von Betriebsunterbrechungen geführt. Ein Baukalender , der die Häufigkeit baustellenbedingter Unterbrechungen – unabhängig von der Zahl der betroffenen Zugfahrten und Fahrgäste – ausweist, wird auf der Internetseite der S-Bahn Hamburg GmbH veröffentlicht. Seitens der AKN und dem metronom war eine differenzierte Auswertung der angefragten Daten aufgrund der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Für den metronom stehen folgende aggregierte Daten zur Verfügung: Jahr Summe ausgefallener Zugkilometer aufgrund geplanter und ungeplanter Betriebsunterbrechungen Summe Wagenkilometer (Busnot- und Schienenersatzverkehr) 2011 62.055 1.242 2012 17.714 379 2013 24.928 1.980 2014 20.515 1.814 2015* k.A. k.A. 2016* k.A. k.A. * Für die Jahre 2015 und 2016 sind die Zugausfälle noch nicht mit den Aufgabenträgern endabgestimmt . 3. Welche finanziellen Auswirkungen haben Betriebsunterbrechungen für die Freie und Hansestadt Hamburg beziehungsweise für den HVV oder das beteiligte Verkehrsunternehmen? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/6654 3 Im U-Bahn-Bereich hat die HOCHBAHN für die Erbringung von Ersatzverkehren im Durchschnitt der Jahre 2009 bis 2015 jährlich 1,6 Millionen Euro aufgewendet. Im SPNV-Bereich bestellen die Verkehrsunternehmen (VU) bei geplanten Betriebsunterbrechungen in der Regel vorab Schienenersatzverkehre mit Bussen. Dieser wird aus sogenannten Bestellerentgelten finanziert, die die VU für den baustellenfreien Regelbetrieb erhalten. Gleiches gilt für aus der Baustelle gegebenenfalls resultierende Mehrverkehre auf der Schiene, zum Beispiel durch umgeleitete Züge. Bei unvorhergesehenen Betriebsunterbrechungen werden den VU für ausgefallene Zugfahrten die Bestellerentgelte gekürzt; mit diesen Mitteln sind alle weiteren Ersatzleistungen zu finanzieren. Die VU sind über die zwischen ihnen und den Aufgabenträgern geschlossenen Verträge verpflichtet, Ersatzmaßnahmen (Schienenersatzverkehr (SEV) beziehungsweise Busnotverkehr (BNV)) bereitzustellen, um die Beförderung der Fahrgäste zu gewährleisten . Die durch Ersatzmaßnahmen bei den VU entstehenden zusätzlichen Kosten (Anmietung von Fahrzeugen, Maluszahlungen) sind von diesen zu tragen. 4. Inwieweit müssen Fahrgäste (zum Beispiel mit Monatskarten) bei längeren Betriebsunterbrechungen gegebenenfalls entschädigt werden? Es erfolgen keine Entschädigungen, da im Falle geplanter und ungeplanter Betriebsunterbrechungen Ersatzverkehre angeboten werden. Verlängert sich dadurch die Reisezeit für den Fahrgast um mehr als 20 Minuten, greift die Pünktlichkeitsgarantie des HVV. 5. Gibt es Verpflichtungen der Verkehrsunternehmen, in denen Form und Umfang von Ersatzmaßnahmen geregelt sind? Grundlage für den Beförderungsvertrag mit Verkehrsmitteln der HOCHBAHN bildet insbesondere die Verordnung über die Allgemeinen Beförderungsbedingungen für den Straßenbahn- und Obusverkehr sowie den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen (Bef- BedV). Nach deren § 16 begründen durch das Verkehrsunternehmen nicht verschuldete Abweichungen von Fahrplänen unter anderem durch Betriebsstörungen oder -unterbrechungen keine Ersatzansprüche des Fahrgastes. Davon unabhängig kann ein durch Betriebsstörungen oder -unterbrechungen betroffener Fahrgast die Ansprüche nach der unter 4. genannten HVV- Pünktlichkeitsgarantie geltend machen. Im SPNV existieren für jedes VU Verkehrsverträge mit Regelungen zu Form und Umfang der Ersatzmaßnahmen. Diese können je nach Verkehrsvertrag unterschiedlich gestaltet sein. Je nach Art des Ausfalles (siehe Antwort zu 1.) sind innerhalb vorgegebener Fristen Ersatzmaßnahmen durch das VU zu veranlassen. Bei der S-Bahn Hamburg GmbH werden planmäßige Betriebsunterbrechungen mit dem HVV hinsichtlich ihrer zeitlichen Lage und gegebenenfalls erforderlicher Schienenersatzverkehre abgestimmt. Hierbei werden in der Regel Ersatzverkehre eingerichtet, mit dem S-Bahn-Fahrgäste nicht mehr als 20 Minuten später als bei ununterbrochenem S-Bahn-Verkehr an ihr Ziel kommen. Bei unvorhergesehenen Betriebsunterbrechungen von erkennbar mehr als 30 Minuten wird spätestens zehn Minuten nach Beginn der Betriebsunterbrechung von der S-Bahn ein BNV angefordert und aufgebaut. Beim metronom sehen die dortigen Verkehrsverträge den Einsatz von Ersatzverkehren bei Zugausfällen mit Ausnahme des Streckenabschnitts Hamburg Hbf – Hamburg- Harburg vor, da dort ein dichtes S-Bahn-Angebot besteht, das ersatzweise genutzt werden kann, und die Verbindung per Bus deutlich länger dauern würde. Dies ist der Grund für den geringen Anteil an SEV/BNV auf Hamburger Gebiet bei metronom. 6. Inwieweit können gegebenenfalls die Verursacher einer Betriebsunterbrechung (zum Beispiel betriebsfremde Personen im Gleisbett oder betriebsfremde Verursacher einer Baumaßnahme) für die Folgen der Betriebsunterbrechung finanziell herangezogen werden? Bei durch Dritte verursachten Betriebsunterbrechungen (zum Beispiel Kfz-Unfälle an Bahnübergängen, Brückenanfahrten) können die Verursacherinnen oder Verursacher nach zivilrechtlichen Grundsätzen für Schadenersatz in Anspruch genommen werden. Indirekte Schäden aus den Nachteilen für die Fahrgäste lassen sich in der Regel nicht belegbar zuordnen und nachweisen. Drucksache 21/6654 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Bei kurzfristigen Betriebsstörungen (zum Beispiel betriebsfremde Personen im Gleis) setzt die Erhebung von Schadenersatzansprüchen voraus, dass die Identität dieser Personen festgestellt werden kann, ferner müsste deren Verschulden rechtssicher nachweisbar und darüber hinaus auch noch eine finanzielle Leistungsfähigkeit hinsichtlich der Ersatzforderungen zu erwarten sein. Dies ist nicht immer möglich. Bei Personenunfällen wird die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen in der Regel nach Einzelfall entschieden. Bei Baumaßnahmen, die von Dritten bedingt werden , tragen diese die Kosten zum Beispiel für den SEV. 7. Findet eine Koordinierung der baustellenbedingt notwendigen Betriebsunterbrechungen zwischen den einzelnen beteiligten Bahnunternehmen und gegebenenfalls auch mit den sonstigen Anbietern des ÖPNV statt? Insbesondere mit der S-Bahn-Hamburg GmbH finden im Bereich Schienenverkehr regelmäßige Baustellen-Koordinationsrunden statt. Diese berücksichtigen auch relevante Veranstaltungen. Dennoch kann es in Einzelfällen durch unvermeidbare Verschiebungen von Baumaßnahmen dazu kommen, dass mehrere Baustellen zur gleichen Zeit stattfinden. Dieser Umstand lässt sich auch bei geplanten Maßnahmen nicht immer umgehen, da Baustellen mit Betriebsunterbrechungen nach Möglichkeit in den Ferien sowie an Wochenenden stattfinden, um den Berufs- und Schülerverkehr möglichst unbeeinflusst zu lassen. Ziel ist stets, Einschränkungen für die Fahrgäste so gering wie möglich zu halten. 8. Welches Konzept wird bei akuten Betriebsunterbrechungen verfolgt? Grundsätzlich sind die VU bestrebt, Betriebsunterbrechungen soweit wie möglich zu vermeiden. Untertägig nicht geplante Betriebsunterbrechungen erfolgen nur in unabweisbar notwendigen Fällen. Tritt im U-Bahn-Bereich eine Betriebsunterbrechung ein, werden seitens der HOCHBAHN in der Regel Ersatzverkehre eingerichtet. Es wird Personal zu den betroffenen Haltestellen entsandt, um Fahrgäste zu informieren und zu unterstützen. Entsprechende Durchsagen in Zügen und auf Haltestellen sind obligatorisch. Dabei wird nach Möglichkeit auf alternative Fahrtrouten hingewiesen. Soweit möglich werden technische Störungen in der nachfolgenden nächtlichen Betriebspause der U-Bahn beseitigt. Bei akuten Betriebsunterbrechungen im Bereich des SPNV sind die VU bemüht, adäquate Ersatzverkehre einzurichten. Konzepte für Betriebsunterbrechungen sind dabei auf die jeweils betroffenen Abschnitte und Verkehrszeiten abgestimmt. Beispielsweise können metronom-Züge bei gravierenden Betriebsstörungen der S-Bahn auf dem Streckenabschnitt Harburg – Stade zusätzliche Halte bedienen, um Ausfälle bei der S-Bahn zu kompensieren.