BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/6690 21. Wahlperiode 22.11.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Dennis Thering, Richard Seelmaecker und Stephan Gamm (CDU) vom 14.11.16 und Antwort des Senats Betr.: Lässt Senator Kerstan hinter dem Rücken des Bürgermeisters heimlich weiter an einem Fahrverbot für Dieselfahrzeuge werkeln? Seit dem Bekanntwerden des VW-Abgasskandals überbieten sich die GRÜNEN im Bund und auf Länderebene in trauter Regelmäßigkeit mit immer neuen Forderungen nach Beschränkungen für Dieselfahrzeuge. Umweltsenator Kerstan scheint eine besondere Freude an diesem innerparteilichen Überbietungswettbewerb zu haben. Auf einer Sondersitzung der Umweltministerkonferenz (UMK) der Länder am 7. April 2016 boxte Senator Kerstan die Einführung der sogenannten blauen Plakette durch. Diese sieht vor, dass durch eine Fortschreibung der Kennzeichnungsverordnung bestimmte Stadtteile temporär zu Umweltzonen erklärt werden, die nur noch von Kraftfahrzeugen und Krafträdern befahren werden dürfen, die die Anforderungen der neuen Schadstoffklasse Euro 6 erfüllen. Ziel und Zweck ist die Verringerung des Ausstoßes von Stickstoffdioxid (NO2). Eine derartig gestaltete Plakette würde 10 – 13 Millionen Pkw in ganz Deutschland und hunderttausende in Hamburg betreffen. Privatpersonen , Handwerksbetriebe, Taxibetreiber, Logistikunternehmen, öffentliche Einrichtungen und viele weitere würden in den betroffenen Gebieten vor unlösbare Verkehrsprobleme gestellt. Zudem würden für Beschilderung und Kontrolle Verwaltungskosten in Millionenhöhe entstehen. Trotz einer klar ablehnenden Haltung aus der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI) nutzte Senator Kerstan das politische Sommerloch, um erneut Fahrverbote für Dieselfahrzeuge anzudrohen. Als Reaktion darauf sagte der Erste Bürgermeister am 21. Juli 2016 in einem Interview mit dem Radiosender NDR 90,3: „Es wird keine Fahrverbote geben. Das wird der Hamburger Senat nicht beschließen, die Hamburger Bürgerschaft auch nicht... Wir können nicht eine Entscheidung treffen, dass Hunderttausende, die ein Diesel-Fahrzeug fahren, das nicht mehr benutzen können. Das wird es jedenfalls mit mir in keinem Fall geben.“1 Trotz dieser erfreulichen und eindeutigen Richtungsentscheidung lässt der Umweltsenator in seiner Behörde bisher offenbar unbemerkt weiter an seinem Fahrverbot für Dieselfahrzeuge in Hamburg arbeiten. Ansatzpunkt ist aktuell offensichtlich ein Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf aus dem September dieses Jahres (Aktenzeichen 3 K 7695/15). 1 Siehe unter anderem: http://www.bild.de/regional/hamburg/scholz-lehnt-fahrverbote-fuerdieselautos -46923996.bild.html. Drucksache 21/6690 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Das Verwaltungsgericht Hamburg hat die Stadt mit Urteil vom 5. November 2014 verpflichtet , den „gültigen Luftreinhalteplan für die Freien und Hansestadt Hamburg so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionswertes für NO2 in Höhe von 40 µg/m3 enthält“. Zur Umsetzung dieser Anforderungen wurde 2015 eine Projektgruppe eingesetzt. Mitglieder sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Behörde für Umwelt und Energie (BUE), der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI), der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz (BGV), der Behörde für Inneres und Sport (BIS), der Senatskanzlei (SK) sowie der Hamburg Port Authority (HPA). Die Projektgruppe untersteht der Leitung der Staatsräte der BUE, der BWVI, der BIS und der SK. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Haben a) der Senat, b) die Behörde für Umwelt und Energie (BUE), c) die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI) oder d) die Behörde für Inneres und Sport (BIS) die rechtlichen Möglichkeiten von Dieselfahrverboten auf der Grundlage des Urteils des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 13. September 2016 (Aktenzeichen 3 K 7695/15) prüfen lassen? Wenn ja, mit welchem Ergebnis jeweils und welche Stelle hat die Prüfung jeweils wann in Auftrag gegeben? Bitte für Senat, BUE, BWVI und BIS jeweils separat antworten. 2. Welche Stellen im Senat beziehungsweise in den zuständigen Behörden beschäftigen sich aktuell mit einem Fahrverbot für Dieselfahrzeuge und wer hat dies wann in Auftrag gegeben? 3. Welchen Stellen im Senat beziehungsweise in den zuständigen Behörden haben sich in der laufenden Wahlperiode mit einem Fahrverbot für Dieselfahrzeuge beschäftigt? Welches Ergebnis hatte die Beschäftigung jeweils? Der Senat sieht zum Schutz seines internen Beratungs- und Entscheidungsbereichs davon ab, sich zu Einzelheiten der Vorbereitung seiner Beschlussfassung über die Fortschreibung des Luftreinhalteplans zu äußern (vergleiche BVerfG, Beschl. vom 30.03.2004 – 2 BvK 1/01 –, juris Rn. 44). Dies gilt gleichermaßen für die Inhalte wie für die Strukturen und Verfahren des Vorbereitungsprozesses. 4. Im Juli 2016 antwortete der Erste Bürgermeister in einem Interview mit dem Radiosender NDR 90,3 als Reaktion auf Forderungen nach Einschränkungen für Dieselfahrzeuge: „Es wird keine Fahrverbote geben. Das wird der Hamburger Senat nicht beschließen, die Hamburger Bürgerschaft auch nicht. (...) Wir können nicht eine Entscheidung treffen, dass Hunderttausende, die ein Diesel-Fahrzeug fahren, das nicht mehr benutzen können. Das wird es jedenfalls mit mir in keinem Fall geben.“ Gilt das Versprechen des Ersten Bürgermeisters, wonach es mit ihm keine Fahrverbote für Dieselfahrzeuge geben wird, weiterhin uneingeschränkt ? Wenn nein, warum nicht? Der Senat sieht generell und somit auch im vorliegenden Fall davon ab, zu Äußerungen seiner Mitglieder Stellung zu nehmen. 5. Welche Stellen in welchen Behörden haben sich auf wessen Veranlassung , aus welchem Grund und mit welchen Ergebnissen seit dem Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/6690 3 21. Juli 2016 mit der Thematik eines Fahrverbots für Dieselfahrzeuge auseinandergesetzt? 6. Sind der Senat beziehungsweise die zuständigen Behörden der Auffassung , dass auf Basis des oben genannten Urteils Dieselfahrverbote bereits jetzt durch das StVO-Zeichen 251 (Verbot für Kraftwagen) in Kombination mit einem Zusatzzeichen „Diesel“ für bestimmte Straßen und Straßenabschnitte festgesetzt werden kann und dass dafür das noch nicht existierende Zusatzzeichen „Diesel“ (gegebenenfalls mit Beschränkungen auf bestimmte Dieselfahrzeuge auf Landesebene) durch die zuständige Behörde mit Zustimmung der obersten Landesbehörde (hier die BIS) eingeführt werden kann? Wenn nein, welcher Auffassung sind der Senat beziehungsweise die zuständigen Behörden in dieser Frage? Wenn ja, wird die BIS ein entsprechendes Zusatzzeichen „Diesel“ in Hamburg einführen? Siehe Vorbemerkung und Antwort zu 1. bis 3. Die entsprechenden Prüfungen sind noch nicht abgeschlossen. 7. Im Rahmen der Fortschreibung des Luftreinhalteplans existiert eine Unterarbeitsgruppe „Straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen“. a) Seit wann gibt es diese Unterarbeitsgruppe? b) Wann hat diese Unterarbeitsgruppe seit 2011 in welcher Zusammensetzung und mit welcher Tagesordnung getagt? c) Welchen Arbeitsauftrag hat diese Unterarbeitsgruppe? d) Wer leitet diese Unterarbeitsgruppe? e) Wer ist aktuell Mitglied in dieser Unterarbeitsgruppe? f) Inwiefern, mit welchen Ergebnissen und wann hat sich diese Unterarbeitsgruppe seit 2011 mit einem Fahrverbot für Dieselfahrzeuge befasst? Siehe Antwort zu 1. bis 3. 8. Gemäß Artikel 42 Absatz 1 der Hamburgischen Verfassung und § 3 „Richtlinienkompetenz“ der Geschäftsordnung des Senats bestimmt der Erste Bürgermeister die Richtlinien der Politik. a) Über welche Mittel und Möglichkeiten zur Durchsetzung seiner Richtlinienkompetenz verfügt der Erste Bürgermeister? b) Welche rechtlichen Konsequenzen hat es, wenn Senatsmitglieder gegen diese Richtlinienkompetenz verstoßen? c) Welche politischen Konsequenzen hat es, wenn Senatsmitglieder gegen diese Richtlinienkompetenz verstoßen? Siehe Artikel 34 Absatz 2 der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg. d) Warum wird seitens der BUE weiterhin an einem Dieselfahrverbot gearbeitet, obwohl der Erste Bürgermeister die Richtlinie beim Thema Dieselfahrverbot unmissverständlich vorgegeben hat? e) Hält sich der Präses der BUE an die durch Artikel 42 Absatz 1 der Hamburgischen Verfassung und § 3 der Geschäftsordnung des Senats normierte Richtlinienkompetenz des Ersten Bürgermeisters, wenn er, der Präses der BUE, Mitarbeiter der BUE trotz einer vom Ersten Bürgermeister unmissverständlich vorgegeben Richtlinie beim Thema Dieselfahrverbot weiterhin mit Arbeit zu diesem Thema beauftragt? Siehe Antwort zu 1. bis 3. Drucksache 21/6690 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 f) Gibt es weitere Normen, die die Richtlinienkompetenz des Ersten Bürgermeisters kodifizieren? Wenn ja, welche? Nein, siehe Antwort zu 8. a) bis 8. c).