BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/6712 21. Wahlperiode 22.11.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Birgit Stöver (CDU) vom 15.11.16 und Antwort des Senats Betr.: Wird die Wahlfreiheit der stationären Pflege für Kinder, Jugendliche und werdende Mütter in Harburg eingeschränkt? Die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz (BGV) hat mit den beiden Harburger Krankenhäusern strukturelle Veränderungen beschlossen, ohne die Bürgerschaft oder den zuständigen Ausschuss vorab zu informieren . Demnach schließt die Asklepios-Klinik Harburg (AKH) ihre Geburtenstation und gynäkologische Abteilung, die HELIOS-Klinik Mariahilf schließt parallel dazu ihre Notfallaufnahme – so der Senatsbeschluss. Gegen diesen Beschluss regt sich in Harburg großer Widerstand, insbesondere bei jungen Eltern. Sie fürchten, dass für Geburten, die keine sogenannten Risikogeburten sind, die Versorgung eingeschränkt und schlechter wird. Auch fehle ein echter Wettbewerb, wenn es künftig in Harburg nur noch ein einziges statt zwei Krankenhäuser mit Geburtenstation und gynäkologischer Abteilung gibt. Die zuständige Gesundheitssenatorin begründet den Senatsbeschluss damit, dass im Sinne einer qualitativ besseren Patientenversorgung die jeweils vorhandenen Stärken der Kliniken ausgebaut und für die Versorgung besser genutzt werden sollen. Das lässt den Rückschluss zu, dass Geburtenabteilungen mit kleiner Geburtenzahl von der Behörde einen mangelnden Qualitätsnachweis erhalten und somit in Hamburg all die Geburtsabteilungen auf dem Prüfstand stehen, die weniger als eine von der Behörde zu definierende Anzahl an Geburten nachweisen können. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen teilweise auf der Grundlage von Beiträgen der beiden Harburger Krankenhäuser wie folgt: 1. Im Beisein der Gesundheitssenatorin wurde der Grundstein für ein neues Gebäude des AKH gelegt, in welchem auch die Geburtshilfe eingeplant war. Welche Gründe haben dazu geführt, diese Pläne nun rückgängig zu machen? Siehe Drs. 21/6603. 2. Wie viele Geburtsabteilungen gibt es in den jeweiligen Kliniken Hamburgs und wie viele Geburten pro Jahr werden in den einzelnen Geburtsabteilungen betreut? Bitte je Klinik seit 2012 aufschlüsseln. In Hamburg gibt es derzeit zwölf geburtshilfliche Abteilungen sowie ein Geburtshaus für ambulante Geburten. Drucksache 21/6712 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Geburten in den Hamburger Geburtskliniken 2012 bis 2016 (erstes Halbjahr) Krankenhaus 2012 2013 2014 2015 1 HJ 2016 Agaplesion Diakonieklinikum Hamburg 1.500 1.546 1.433 1.435 751 Albertinen-Krankenhaus 2.204 2.123 2.218 2.468 1.337 Asklepios Klinik Altona 2.471 2.479 2.859 3.130 1.517 Asklepios Klinik Barmbek 2.585 2.656 2.785 2.864 1.522 Asklepios Klinik Harburg 717 714 696 737 364 Asklepios Klinik Nord 1.628 1.639 1.732 1.754 916 Asklepios Klinik Wandsbek 896 762 769 932 404 Bethesda Krankenhaus Bergedorf 702 694 700 746 381 Ev. Amalie-Sieveking- Krankenhaus 911 1.073 1.153 1.276 645 Helios Mariahilf Klinik 1.648 1.545 1.535 1.727 889 Katholisches Marienkrankenhaus 2.896 3.235 3.511 3.303 1.911 Universitätsklinikum Hamburg -Eppendorf 2.517 2.637 3.016 3.151 1.541 Krankenhäuser insgesamt 20.675 21.103 22.407 23.523 12.178 Quelle: Hamburger Krankenhäuser. 3. Wie viele Hebammen sind an den Harburger Kliniken bisher tätig? Bitte die Anzahl an Hebammen sowie die Vollzeitäquivalente angeben. Es haben laut Asklepios Klinikum Harburg (AKH) im Oktober 2016 in der AKH 14 Hebammen mit 9,2 Vollzeitäquivalenten gearbeitet. Laut HELIOS Mariahilf Klinik Hamburg sind aktuell 24 Hebammen tätig. Das entspricht 16,8 Vollzeitäquivalenten. 4. Gibt es Pläne des Senats beziehungsweise der zuständigen Behörde, weitere Abteilungen der Geburtshilfe im Sinne einer Zentralisierung und Konzentration zu schließen? Wenn ja, welche Standorte sind davon bedroht? Nein. 5. Nach welchen Kriterien erfolgt die Beurteilung der erreichten oder nicht erreichten Qualität? a) Ist ein Qualitätskriterium die Anzahl der Geburten je Klinikum? Wenn ja, ab welcher Anzahl an Geburten ist eine Geburtsabteilung von einer Schließung bedroht? b) Ist ein Kriterium die Anzahl der Geburten je Hebamme? Wenn ja, ab welcher Anzahl Geburten je Hebamme ist eine Geburtsabteilung von einer Schließung bedroht? Die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität in der Geburtshilfe und Neonatologie wird zum einen im Rahmen des Prozesses der „Externen Qualitätssicherung“ (EQS) erfasst. Die von den Kliniken gelieferten Daten werden von Geschäftsstellen zur Qualitätssicherung in jedem Bundesland ausgewertet und beurteilt. Auf Landesebene ist die Geschäftsstelle der EQS Hamburg für die Arbeit mit den Krankenhäusern, den Landesfachgremien und dem Kuratorium der EQS zuständig. Die EQS ist eine Arbeitsgemeinschaft der Hamburger Krankenhausgesellschaft und der Krankenkassenverbände in Hamburg unter Einbeziehung der Ärztekammer Hamburg und des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung. Die Inhalte der Prüfverfahren und die Indikatoren (Qualitätsmerkmale), mit denen die Behandlungsqualität der Kliniken gemessen wird, werden durch den Gemeinsamen Bundesausschuss beschlossen. Seit Januar 2016 führt das neu gegründete Institut für Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/6712 3 Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) das Verfahren durch. Die Ergebnisse der Qualitätssicherung werden krankenhausbezogen im Hamburger Krankenhausspiegel veröffentlicht: http://www.hamburger-krankenhausspiegel.de/ startseite/. Kriterien sind dabei im Bereich Geburtshilfe unter anderem Anteil der Notfallkaiserschnitte , Anwesenheit eines Kinderarztes bei der Geburt, Untersuchung Nabelschnurblut , Lungenreifung bei Frühgeborenen, gemeinsame Entlassung von Mutter und Kind, Anteil an Kaiserschnitten. Im Qualitätsbereich „Frühgeborene/kranke Neugeborene “ (Neonatologie) sind Qualitätskriterien unter anderem die Vermeidung von Hirnblutungen oder von Lungenschäden. Die qualitativen Anforderungen an die geburtshilflichen Abteilungen unterschiedlicher Versorgungsniveaus sind zudem in der „Richtlinie über Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Versorgung von Früh- und Reifgeborenen gemäß § 137 Abs. 1 Nr. 2 SGB V in Verbindung mit § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 13 SGB V“ des Gemeinsamen Bundesausschusses festgelegt: https://www.g-ba.de/downloads/39-261-1754/2013-06-20_ QFR-RL_Aenderung_BAnz.pdf. Die Richtlinie verpflichtet die Krankenhäuser dazu, die Anforderungen an die jeweilige Versorgungsstufe zu erfüllen, um die Leistungen erbringen zu dürfen. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) ist berechtigt, die Richtigkeit der Angaben der Einrichtungen vor Ort zu überprüfen. Die Anzahl der Geburten je Klinikum oder Anzahl der Geburten je Hebamme sind in der Richtlinie nicht als Qualitätskriterium enthalten. 6. Wird es durch den Senatsbeschluss künftig insgesamt weniger Hebammen am HELIOS-Klinikum Mariahilf in Harburg geben? Bitte die Anzahl an Hebammen sowie die VZÄ angeben. Nein, die HELIOS Mariahilf Klinik wird zum 1. Januar 2017 insgesamt sechs zusätzliche Hebammen einstellen und damit das Team der Geburtshilfe von 24 auf 30 Hebammen verstärken. Drei der bereits jetzt zusätzlich eingestellten Hebammen wurden von der AKH durch Mariahilf übernommen. Das entspricht 2,8 Vollzeitäquivalenten. 7. Nachdem die Senatspläne über die Schließung der Geburtshilfe am AKH öffentlich wurden, kündigten bereits so viele Ärzte und Hebammen, dass der ursprüngliche Plan, die Geburtshilfe zum 1. Juli 2017 zu verlegen, ad acta gelegt wurde und dort nun bereits ab dem 1. Januar 2017 keine Geburtshilfe mehr stattfindet. a) Ist es richtig, dass nach Bekanntgabe der Senatspläne anstehende Einstellungen im AKH bereits rückabgewickelt wurden? Wenn ja, in wie vielen Fällen und warum? Nach Mitteilung des AKH trifft dies nicht zu. b) Ist das Mariahilf (HELIOS) in der verkürzten Zeit in der Lage, die Versorgung der Patientinnen vorzeitig ab 1.Januar 2017 zu gewährleisten ? Wenn ja, welche Maßnahmen sind hierfür erforderlich? c) Wie viele Einstellungen von zusätzlichen i. Hebammen, ii. Ärzten, iii. Krankenpflegepflegekräften sind bis 1. Januar 2017 nach Ansicht des Senats erforderlich? d) Ist diese Aufstockung in der Kürze der Zeit realistisch? Drucksache 21/6712 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Die HELIOS Mariahilf Klinik ist sowohl fachlich als auch personell sehr gut auf die neuen Veränderungen vorbereitet. Die bestehenden Strukturen werden den zu erwartenden steigenden Geburtenzahlen entsprechend angepasst. Folgende Maßnahmen sind bis jetzt zur Umsetzung bis 1. Januar 2017 geplant: Etablierung von gynäkologischen Untersuchungsmöglichkeiten in der ZNA Schulung der ZNA-Mitarbeiter in Kreißsaal und Wochenstation Erweiterung der gynäkologischen Sprechstunden und Geburtsplanungssprechstunden . Darüber hinaus werden bis zum 1. Januar 2017 zusätzliche fünf Ärztinnen und Ärzte eingestellt und das Dienstmodell entsprechend dem erhöhten Bedarf umgestellt. In der Geburtshilfe sind damit zum 1. Januar 2017 insgesamt 23 statt der bisherigen 18 Ärzte tätig. Die Wöchnerinnenstation wird im Bereich der Gesundheits- und Krankenpflege um fünf Vollzeitäquivalente erweitert und erhält eine zusätzliche Stationssekretärin. Im Übrigen sieh Antwort zu 6. 8. Von welcher zahlenmäßigen Steigerung der Geburten pro Jahr für die Zukunft geht der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde in der Geburtenabteilung Mariahilf (HELIOS) aus? a) Welche Personalaufstockung von Ärzten und Hebammen resultiert aus diesen Annahmen? b) Welche Vorbereitungen müssen nun vorzeitig getroffen worden, um den geänderten Versorgungsschwerpunkten gerecht zu werden? Bisher wurden in der HELIOS Mariahilf Klinik fünf bis sechs Kinder am Tag geboren, sodass die Klinik bis zum Ende des Jahres 2016 mit etwa 1.850 Geburten rechnet. Durch die Neuordnung der Geburtenversorgung ab dem 1. Januar 2017 wird mit rund 2.500 Geburten in Mariahilf jährlich gerechnet. Im Übrigen siehe Antworten zu 7. 9. Bereits in der Vergangenheit – ohne Wegfall einer Geburtenabteilung im Harburger Raum – ist es vorgekommen, dass das Mariahilf (HELIOS) Geburten aufgrund von Überlastung ablehnen musste. Welche Ausweichkliniken gab es bei zwei Kliniken in Harburg? Wie werden die Ausweichkliniken nun ab dem 1. Januar 2017 für den Bereich Harburg neu definiert? Hamburg verfügt derzeit über insgesamt zwölf, nach Aufgabe der Abteilung im Asklepios Klinikum Harburg dann über elf geburtshilfliche Abteilungen. Diese stehen allen Frauen aus Hamburg und auch dem Umland zur Verfügung. 10. Welches Angebot an Geburtskliniken gibt es in den angrenzenden Kreisen Niedersachsens? Wie viele Geburten pro Jahr können diese Kliniken aufweisen? Geburtshilfliche Abteilungen gibt es im niedersächsischen Umland an folgenden Krankenhäusern : Krankenhaus Anzahl der Geburten pro Jahr Elbe Klinikum Buxtehude ca. 800 Krankenhaus Winsen ca. 650 Krankenhaus Buchholz i.d. Nordheide ca. 680 Städtisches Klinikum Lüneburg ca. 1.600 Quelle Geburtenzahlen: Qualitätsberichte, Internet-Auftritte der Krankenhäuser 11. Inwiefern werden die Geburtskliniken der niedersächsischen Landkreise von der Zusammenlegung AKH und HELIOS Harburg profitieren? Der Senat nimmt zu hypothetischen Fragen keine Stellung.