BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/6713 21. Wahlperiode 22.11.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Birgit Stöver (CDU) vom 15.11.16 und Antwort des Senats Betr.: Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Nord (MDK Nord) Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) wirkt an der Seite der gesetzlichen Krankenkassen als interessenunabhängiger, sozialmedizinischer Beratungs- und Begutachtungsdienst an der Gestaltung des Gesundheitswesens mit. Er versteht sich als modernes Dienstleistungsunternehmen mit bedarfsgerechtem Service. Mitglieder sind die jeweiligen Landesverbände der Krankenkassen, die landwirtschaftlichen Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen. Das Aufgabenspektrum des MDK für die Krankenversicherung umfasst die Arbeitsschwerpunkte Begutachtungsaufgaben im Einzelfall und Beratungsaufgaben in Grundsatzfragen der präventiven, kurativen und rehabilitativen Versorgung sowie der Gestaltung der Leistungs- und Versorgungsstrukturen, die für die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen von Bedeutung sind. Auch ziehen die Krankenkassen den MDK zu Rate, wenn es um die Beantwortung schwieriger medizinischer Fragen geht. Hierzu sind sie in einigen Fällen gesetzlich verpflichtet – zum Beispiel bei der Einleitung von Rehabilitationsmaßnahmen oder bei der Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit . Auch bei Vertragsverhandlungen mit den Leistungserbringern – etwa mit Krankenhäusern – wird der MDK einbezogen. Mit diesen Aufgaben ist ein umfassendes Beschwerdemanagement verbunden, welches von Patienten und deren Angehörigen sowie von Ärzten und Klinken genutzt wird. Der MDK Nord ist 2006 aus einer Fusion der medizinischen Dienste Hamburg und Schleswig-Holstein entstanden. Der MDK muss sich immer wieder Zweifel an der Unabhängigkeit seiner Gutachter gefallen lassen, weil in den Gremien der Verwaltungsräte prozentual zu viele hauptamtliche Mitarbeiter von Krankenkassen sitzen sollen. Kritikern zufolge fallen viele MDK-Gutachten zugunsten der Pflegekassen aus, damit diese weniger Leistungen erbringen müssten. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen teilweise auf der Grundlage von Informationen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Nord (MDK Nord) wie folgt: 1. Welche Möglichkeiten haben Patienten, Ärzte oder Kliniken, um gegen MDK-Gutachten vorzugehen? Rechtlich verantwortlich für Leistungsentscheidungen in der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung, auch wenn diese auf Gutachten oder Empfehlungen des MDK beruhen, sind allein die Krankenkassen oder Pflegekassen. Drucksache 21/6713 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Ablehnende Leistungsentscheidungen der Kranken- oder Pflegekassen können auf dem Sozialrechtsweg angefochten werden (Widerspruch und Klage). Versicherte haben zunächst die Möglichkeit, Widerspruch bei ihrer Kranken- oder Pflegekasse zu erheben. Die Krankenkasse kann aus Anlass des Widerspruchs einen Auftrag zur Widerspruchsbegutachtung an den MDK erteilen. Dort werden der Fall erneut geprüft und etwaige neue Untersuchungsergebnisse einbezogen. In Widerspruchsbegutachtungen werden somit inhaltlich-fachliche Fragen geklärt. Dies kann möglicherweise zu einer anderen Beurteilung und einer neuen sozialmedizinischen Empfehlung an die Kranken- oder Pflegekasse führen. Behandelnde Ärzte können im Widerspruchsverfahren Stellung nehmen. Im Sozialgerichtsverfahren muss auf Antrag des Versicherten „ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden“ (§ 109 SGG). Für Streitigkeiten zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern über die Abrechnung von Krankenhausleistungen, die vom MDK geprüft (§ 17c KG i.V.m. § 275 Absatz 1c SGB V) wurden, sind (vorgerichtliche) Schlichtungs- und Schiedsstellenverfahren vorgesehen (§ 17c, § 18a Krankenhausfinanzierungsgesetz – KHG). 2. Wie viele Beschwerden sind seit 2012 jährlich von Patienten-, Ärzteoder Klinikseite beim MDK Nord eingegangen? Bitte nach Typ Beschwerdeführer und Jahr differenzieren. Gemäß den vom MDK Nord verwendeten Kategorien sind beim MDK Nord folgende Beschwerden eingegangen: 2012: 77 Beschwerden von 56 Versicherten, drei Ärzten, der Rest überwiegend von sonstigen Leistungserbringern. Bezogen auf 602.000 versichertenbezogene gutachterliche Stellungnahmen des Jahres entspricht dies 0,012 Prozent. 2013: 90 Beschwerden von 31 Versicherten, 29 Angehörigen, zehn Ärzten, der Rest überwiegend von sonstigen Leistungserbringern. Bezogen auf 580.000 Stellungnahmen entspricht dies 0,015 Prozent. 2014: 109 Beschwerden von 42 Versicherten, 42 Angehörigen, sieben Ärzten, der Rest überwiegend von sonstigen Leistungserbringern. Bezogen auf 604.000 Stellungnahmen entspricht dies 0,018 Prozent. 2015: 126 Beschwerden von 39 Versicherten, 48 Angehörigen, drei Ärzten, der Rest überwiegend von sonstigen Leistungserbringern. Bezogen auf 617.000 Stellungnahmen entspricht dies 0,020 Prozent. 3. Wie viele Beschwerden werden im Sinne des Beschwerdeführers entschieden , wie viele gegen den Beschwerdeführer? Beschwerden über den MDK Nord werden durch ein eigenes Beschwerdemanagement bearbeitet. Da Beschwerden über den MDK anders als ein Widerspruch nicht zu einer neuen inhaltlich-fachlichen Einschätzung und gegebenenfalls Neubescheidung eines Falles durch die Kranken- oder Pflegekasse führen können, kann vom MDK im rechtlichen Sinne auch nicht für oder gegen einen Beschwerdeführer entschieden werden. Intern werden die Erkenntnisse des Beschwerdemanagements dafür genutzt, die Beratungs- und Begutachtungsqualität zu verbessern, indem zum Beispiel kritisierte Abläufe hinterfragt und falls notwendig verändert werden. 4. Gibt es in diesem Zusammenhang Widerspruchsverfahren? Wenn ja, wie hoch ist der prozentuale Anteil? Bitte nach Art der Beschwerde, dem Typ des Beschwerdeführers und Jahr differenzieren. Nein. Siehe Antworten zu 1., 2. und 3. 5. Wie viele Mitarbeiter beschäftigt der MDK Nord im Beschwerdemanagement ? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/6713 3 Der MDK Nord beschäftigt einen für Beschwerden hauptverantwortlichen Mitarbeiter, den Qualitätsmanager. 6. Wie viele Beschwerdefälle werden je Mitarbeiter durchschnittlich pro Monat bearbeitet? Bei circa 120 Beschwerden im Jahr sind es durchschnittlich zehn Fälle, die der Mitarbeiter pro Monat bearbeitet. 7. Dem Verwaltungsrat des MDK Nord, welcher ausschließlich mit Vertretern der Krankenkassen besetzt ist, steht seit 2016 gemäß § 279 SGB V ein Beirat beratend zur Seite. Dieser Beirat besteht aus Vertretern des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe, des Forums Pflegegesellschaft , der Hamburger Landesarbeitsgemeinschaft für behinderte Menschen e.V., der Hamburgischen Pflegegesellschaft e.V., des Hamburger Pflegerats, KIBIS Itzehoe, KISS Hamburg und der Verbraucherzentrale Hamburg. a) Welchen Einfluss kann dieser Beirat auf die Gutachtertätigkeit des MDK Nord nehmen? Der Beirat berät den Verwaltungsrat als oberstes Organ des MDK bei seinen Entscheidungen und unterstützt diesen durch Vorschläge und Stellungnahmen (§ 279 Absatz 4a SGB V). Er ist vor den Sitzungen des Verwaltungsrates zu hören. Eine direkte Einflussnahme des Beirats auf die Gutachtertätigkeit ist nicht vorgesehen und rechtlich auch nicht zulässig, denn die Ärzte des Medizinischen Dienstes sind bei der Wahrnehmung ihrer medizinischen Aufgaben nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen (§ 275 Absatz 5 SGB V). b) Sieht die zuständige Behörde mit der Einrichtung und der aktuellen Besetzung des Beirates eine Verbesserung der unabhängigen Tätigkeit des MDK Nord erreicht? Die Unabhängigkeit der Tätigkeit des MDK Nord war schon vor der Einrichtung eines Beirates gegeben. Wie sich die Beratung durch den Beirat seit seiner konstituierenden Sitzung am 14. Juni 2016 auswirkt, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht beurteilt werden.