BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/6830 21. Wahlperiode 29.11.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Dirk Nockemann und Dr. Alexander Wolf (AfD) vom 22.11.16 und Antwort des Senats Betr.: Aufenthaltsberechtigung aufgrund von Kindern oder Ehepartnern in Deutschland – Aktueller Fall eines serbischen Totschlägers Am 20.10.2016 berichtete das „Hamburger Abendblatt“ unter der Überschrift „Zwei Kriminelle, eine Identität“ über den kuriosen Fall eines Einbrechers, der versucht hatte, eine 79-jährige Frau zu missbrauchen. Bei seiner Festnahme gab er sich als 31 Jahre alter Serbe aus, der 2009 wegen versuchten Totschlags verurteilt, jedoch aus „schutzwürdigen Interessen“ nicht abgeschoben worden war. Als „schutzwürdig“ ist seinerzeit offenbar die Tatsache gewertet worden, dass der Mann ein Kind mit einer deutschen Partnerin hatte . Nach den Ausführungen des „Hamburger Abendblatts“ soll nun aber eine Abschiebung eingeleitet werden. Es stellte sich später heraus, dass es sich bei dem Einbrecher jedoch um einen anderen Mann handelte, der möglicherweise über seine Identität täuschen wollte, um den eigenen illegalen Aufenthalt zu verschleiern. Vor dem konkreten Hintergrund dieses Falles fragen wir den Senat: Bei der Aufenthaltsberechtigung handelt es sich um eine in § 27 des bis Ende 2004 geltenden Ausländergesetzes (AuslG) vorgesehene Form eines zeitlich und räumlich unbeschränkten Aufenthaltsrechts. Gemäß § 101 des seit 2005 geltenden Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) gelten Aufenthaltsberechtigungen als Niederlassungserlaubnisse fort. Gemäß § 27 Absatz 1 AufenthG wird eine Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet für ausländische Familienangehörige (Familiennachzug) zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Artikel 6 des Grundgesetzes erteilt und verlängert. Unter den Voraussetzungen des § 28 Aufenth G ist ausländischen Staatsangehörigen ein Aufenthaltstitel für den Familiennachzug zu Deutschen zu erteilen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Aus welchem Grund hatte der 31-jährige, wegen Totschlags verurteilte Serbe ursprünglich, also vor der Verurteilung wegen Totschlags, eine Aufenthaltsberechtigung? Bitte zugrunde liegenden Sachverhalt und Rechtvorschrift angeben. 2. Welche aufenthaltsrechtlichen Konsequenzen hatte die Verurteilung wegen Totschlags? Welches sind die konkreten Gründe, die einer Abschiebung im Wege standen? Bitte wiederum Sachverhalt und Rechtsvorschriften angeben. 3. Inwieweit haben sich seitdem die Umstände und/oder deren Beurteilung geändert, sodass nun eine Abschiebung des 31-jährigen Serben erfol- Drucksache 21/6830 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 gen soll? Bitte auch hier den Sachverhalt unter die entsprechenden Rechtsnormen subsumieren. Aufenthaltsrechtliche Maßnahmen richten sich auf der Grundlage der bundesrechtlichen Vorschriften insbesondere des AufenthG nach den individuellen Umständen des Einzelfalls. Von einer öffentlichen Darlegung der aufenthaltsrechtlich relevanten konkreten Lebensumstände des Betroffenen wird zur Wahrung der grundgesetzlich geschützten Persönlichkeitsrechte abgesehen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 4. Ist eine Ausweisung/Abschiebung des Einbrechers, der sich offenbar illegal in Deutschland aufhielt, geplant? Nach welchen Rechtvorschriften ? Eine Ausweisung richtet sich nach den §§ 53 bis 55 AufenthG, eine Abschiebung nach § 58 AufenthG. Die Ausweisung/Abschiebung des aktuell Beschuldigten wird zeitlich abhängig vom Verlauf des Strafverfahrens verfolgt (siehe § 72 Absatz 4 Aufenth G). Generell fragen wir den Senat: 5. In wie vielen Fällen ergibt sich in Hamburg die Aufenthaltsberechtigung eines Ausländers aus der Tatsache, dass er/sie einen deutschen Ehepartner hat? Bitte auch die rechtlichen Vorschriften einer solchen Aufenthaltsberechtigung nennen. 6. In wie vielen Fällen ergibt sich in Hamburg die Aufenthaltsberechtigung eines Ausländers aus der Tatsache, dass er/sie ein Kind mit einem deutschen Partner hat? Bitte auch die rechtlichen Vorschriften einer solchen Aufenthaltsberechtigung nennen. Die Angaben sind der folgenden Übersicht zu entnehmen: Rechtsgrundlage im AufenthG Personen § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 (Aufenthaltserlaubnis Ehegatten von Deutschen ) 7.445 § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 (Aufenthaltserlaubnis sorgeberechtigter Elternteil eines deutschen Kindes) 550 § 28 Abs. 1 Satz 4 (Aufenthaltserlaubnis nicht sorgeberechtigter Elternteil eines deutschen Kindes) 78 § 28 Abs. 2 (Niederlassungserlaubnis Familienangehörige von Deutschen ) 17.671 (Quelle: Ausländerzentralregister, Stand 30.09.2016) Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 7. Ein Aufenthaltsrecht wegen eines Kindes besteht nur dann, wenn zwischen dem ausländischen Elternteil und dem Kind eine echte familiäre Bindung besteht und der Ausländer die elterliche Sorge ausübt. Ist in den Fällen, in denen eine solche Aufenthaltsberechtigung besteht, sichergestellt, dass die jeweiligen aufenthaltsberechtigten Ausländer die elterliche Sorge ausüben und somit die entsprechende familiäre Bindung besteht? 8. Welches sind die Kriterien, die herangezogen werden bei der Beurteilung , ob eine entsprechende, zum Aufenthalt berechtigende familiäre Bindung besteht? Grundsätzlich sind verheiratete Personen, die ein gemeinsames Kind haben, auch gleichberechtigt für dieses sorgeberechtigt. Handelt es sich um Alleinerziehende oder Stiefeltern, wird ein Sorgerechtsnachweis gefordert. Geprüft wird anhand des Melderegisters , ob eine gemeinsame Wohnanschrift vorliegt. Zur Klärung der tatsächlichen Ausübung des Sorgerechts werden Eltern und bei Bedarf auch Kinder befragt, wie sich der Umgang im täglichen Leben miteinander gestaltet, gegebenenfalls auch unter Beteiligung der Jugendämter. Sind keine Auffälligkeiten erkennbar, die das Gegenteil erkennen oder vermuten lassen, kann der Aufenthaltstitel erteilt werden. Soweit sich Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/6830 3 im Nachhinein Erkenntnisse ergeben, die einen anderen Rückschluss zulassen, wird der Fall erneut geprüft und aufenthaltsrechtlich entschieden. 9. Auf welche Weise wird das Bestehen dieses Sorgeverhältnisses über die Dauer der Aufenthaltsberechtigung überprüft beziehungsweise wird dies überhaupt überprüft? Das Bestehen des Sorgeverhältnisses wird bei jeder Vorsprache zur Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis oder bei Bekanntwerden relevanter neuer Tatsachen geprüft. 10. Wie viele der aufgrund eines Kindes aufenthaltsberechtigten Ausländer sorgen für den Unterhalt ihres Kindes/ihrer Kinder beziehungsweise wie viele leisten Unterhaltszahlungen? 11. In wie vielen Fällen ist seit Januar 2010 eine Aufenthaltsberechtigung aufgehoben worden, weil das zugrunde liegende Sorgeverhältnis als nicht mehr gegeben angesehen wurde? Angaben hierzu werden statistisch nicht erfasst und lassen sich durch das ausländerbehördliche Fachverfahren auch nicht auswerten. Eine händische Auswertung mehrerer Tausend Ausländerakten ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 12. Für eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Herstellung und Wahrung der ehelichen Lebensgemeinschaft kommt es darauf an, dass tatsächlich eine Lebensgemeinschaft besteht. Ist dies für die Fälle in Hamburg sichergestellt, in denen eine Aufenthaltsberechtigung aus diesen Gründen besteht? 13. Welches sind die Kriterien, die herangezogen werden bei der Beurteilung , ob eine entsprechende, zum Aufenthalt berechtigende Lebensgemeinschaft besteht? 14. Auf welche Weise wird das Bestehen dieser Lebensgemeinschaft über die Dauer der Aufenthaltsberechtigung überprüft beziehungsweise wird dies überhaupt überprüft? Siehe Antwort zu 7. und 8. 15. In wie vielen Fällen ist seit Januar 2010 eine Aufenthaltsberechtigung aufgehoben worden, weil das zugrunde liegende Lebensverhältnis als nicht mehr gegeben angesehen wurde? Siehe Antwort zu 10. und 11. 16. In wie vielen Fällen ist seit Januar 2010 eine Aufenthaltsberechtigung aufgrund einer Ehe mit einem deutschen Partner beziehungsweise eines Kindes mit einem deutschen Partner beantragt worden? Bitte für jedes Jahr separat angeben. Im ausländerbehördlichen Fachverfahren ist nur die Auswertung nach Erteilung aufgrund eines deutschen Familienangehörigen möglich. Eine Unterscheidung nach Ehegatten oder Kind ist nicht möglich. Anträge werden nicht in jedem Fall im Fachverfahren gespeichert, sodass eine Auswertung nach diesem Merkmal unvollständig wäre. Die Angaben zu den erteilten Aufenthaltstiteln sind der folgenden Übersicht zu entnehmen: Jahr Erteilungen 2010 1.864 2011 2.121 2012 2.054 2013 1.800 2014 1.793 2015 1.633 2016 1.166 (Quelle: ausländerbehördliches Fachverfahren, Stand: 23.11.2016) Drucksache 21/6830 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 17. In wie vielen Fällen ist ein solcher Antrag negativ beschieden worden? Siehe Antworten zu 10., 11. und 16. 18. Kann der Senat Angaben darüber machen, inwieweit die Möglichkeit, über eine Ehe oder ein Kind eine Aufenthaltsberechtigung zu erhalten, in der Vergangenheit missbraucht wurde? Wenn ja, auf welche Weise und in wie vielen Fällen? Nein.