BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/6858 21. Wahlperiode 02.12.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Michael Kruse und Dr. Kurt Duwe (FDP) vom 24.11.16 und Antwort des Senats Betr.: Verbringung von Sedimenten (XXIII): Wann ist die PCB-Belastungsgrenze erreicht? In begrenztem Umfang können Sedimente aus dem Hamburger Teil der Elbe zur Tonne E3 verbracht werden. Allerdings gibt es in der Vereinbarung der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein Grenzwerte für die Belastung mit verschiedenen Stoffen, unter anderem PCB. Nach derzeitiger Kenntnislage kann als Worst-Case-Szenario nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Qualität der Sedimente innerhalb der hamburgischen Tideelbe durch die PCB-Freisetzung und deren Stromabverfrachtung in einem Ausmaß verschlechtert , das die Verbringung zur Tonne E3 verunmöglicht1. Vor diesem Hintergrund muss der Senat dringend Alternativen zur Verbringung entwickeln . Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Seitens der tschechischen Wasserstraßendirektion wurde mitgeteilt, dass die mit Polychlorierten Biphenylen (PCB) belasteten Seitenbereiche der Elbe in Tschechien umfassend saniert worden seien. Mit dieser Maßnahme sei ein weiterer Eintrag von belasteten Sedimenten in die Elbe verhindert worden. Auf der mit PCB belasteten Fläche im Umfeld einer Eisenbahnbrücke im Stadtgebiet von Ústí nad Labem sei circa 40 cm Boden abgetragen worden. Beprobungen sollen Aufschluss darüber geben, ob alle Belastungen entfernt worden sind. Sollte dies nicht der Fall sein, würde weiter saniert. Die weiteren Konsequenzen des zum Teil bereits in die Elbe eingetragenen PCB auf die Unterhaltungsmaßnahmen im Hamburger Hafen sind derzeit noch nicht absehbar. Eine Verbringung von Sedimenten in die Nordsee („Tonne E3“) und Stromelbe (Neßsand ) erfüllt die Umweltauflagen vollständig. Es werden nur solche Sedimente verbracht oder umgelagert, die diese strengen Anforderungen erfüllen. Sollte das Baggergut höher belastet sein als es die Umweltauflagen zulassen (zum Beispiel mit PCB), wird es nicht im Gewässer verbracht. Die Hamburg Port Authority AöR (HPA) wird dann Baggergut an Land nehmen müssen. Optionen dafür sind die Entsorgungskapazitäten auf Hamburger Landesgebiet oder gegebenenfalls ein Ablagerungsdepot („De Slufter“) bei Rotterdam. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der HPA wie folgt: 1 Vergleiche http://elsa-elbe.de/assets/download/fachstudien/ELSA_PCB_Bericht_2016.pdf, Seite 1. Drucksache 21/6858 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 1. Ab welchem PCB-Wert kann kein Baggergut aus der Hamburger Elbe (Norderelbe, Süderelbe, Köhlbrand, Hafenbecken et cetera) mehr zur Tonne E3 verbracht werden? Zur Bewertung der Gehalte an PCB wird eine statistische Betrachtung des Summenparameters 7 PCB – bestehend aus den Kongeneren Nummern 28, 52, 101, 118, 138, 153, 180 – in den jeweiligen Sedimentproben der einzelnen Hafenbereiche durchgeführt . Laut der bestehenden Genehmigungslage dürfen nur dann Sedimente aus Hamburg verbracht werden, wenn die Mittelwerte (PCB-Konzentration) der jeweils chemischen Parameter statistisch nicht signifikant höher sind als die entsprechenden Werte des von 2005 bis 2015 bisher in das Schlickfallgebiet verbrachten Baggerguts. Für die statistische Betrachtung werden aus den einzelnen Teilbereichen für den Parameter Summe 7 PCB folgende Werte (SD: Standardabweichung) zugrunde gelegt: Bereiche ∑ 7 PCB SD Norderelbe 19,2 µg/kg TS +/- 5,1 µg/kg TS Köhlbrand, Köhlfleet, Köhlfleethafen, Parkhafen , Waltershofer Hafen, Vorhafen, Kaiser -Wilhelm Hafen, Südwesthafen, Hansahafen , Strandhafen 20,9 µg/kg TS +/- 5,2 µg/kg TS Süderelbe, Sandauhafen, Rethe 20,3 µg/kg TS +/- 3,6 µg/kg TS 2. Gibt es unterschiedliche Grenzwerte für unterschiedliche Teilgenehmigungen ? Nein. 3. Welche Mengen an belastetem Schlick sind bisher bei Tonne E3 verbracht worden (bitte nach den jeweiligen Belastungsstoffen, wie PCB, Toxizität et cetera, Grad der Belastung und Grenzwert je Monat und Jahr darstellen)? Maßgeblich dafür, ob Baggergut aus einem Hafenbereich die Freigabekriterien erfüllt, ist die Konzentration der jeweiligen Schadstoffe im Sediment, gemessen in Mikrogramm pro Kilo Trockensubstanz. Die HPA veröffentlicht dazu seit dem Jahr 2014 die Ergebnisse der Freigabebeprobungen aus den einzelnen Hafenbereichen auf Ihrer Webseite: http://www.hamburg-port-authority.de/de/presse/studien-und-berichte/ Seiten/default.aspx. Eine Auswertung der stofflichen Belastung von Mengen im Monatsrhythmus ist für die Durchführung und Überwachung der Unterhaltungsarbeiten der HPA nicht maßgeblich und liegt in der erfragten Form nicht vor. Die insgesamt bei „Tonne E3“ verbrachten Mengen sind den Jahresberichten zu entnehmen. Für das Jahr 2016 siehe Antwort zu 9. 4. Welche Voraussetzungen müssen eintreten, damit die Feinsedimente aus ökologischen Gründen nicht mehr wie bisher gebaggert und im Ästuar umgelagert werden können? Siehe Vorbemerkung und Antwort zu 1. 5. Welche Schadstoffquellregionen und -typen wurden in 2015 identifiziert und welche könnten die Verbringung der Sedimente zur Tonne E3 wie beeinflussen? Mit maßgeblicher Unterstützung des Hamburger Projekts ELSA (Schadstoffsanierung Elbsedimente – www.elsa-elbe.de) liegen umfassende Erkenntnisse zu den überregional bedeutsamen Schadstoffquellregionen und -typen im Elbeeinzugsgebiet und deren Bewertung im Hinblick auf deren Risikopotential für die Umwelt vor. Diese Erkenntnisse sind in den aktuellen Sedimentmanagementkonzepten der Flussgebietsgemeinschaft Elbe (FGG Elbe) und der Internationalen Kommission zum Schutz Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/6858 3 der Elbe (IKSE) hinterlegt worden. Siehe hierzu http://www.fgg-elbe.de/dokumente/ fachberichte.html und http://www.ikse-mkol.org/fileadmin/media/user_upload/D/ 06_Publikationen/01_Wasserrahmenrichtlinie/2014_IKSE- Abschlussbericht%20Sediment.pdf. Im Übrigen siehe Antworten zu 1. und zu 3. 6. Ab welchem Wert kann es bei den jetzt beantragten Einbringungen zu einer Verschlechterung des ökotoxilogischen Belastungspotenzials kommen? Ökotoxikologische Untersuchungen betrachten die Wirkung der Gesamtheit der Inhaltsstoffe im Sediment, nicht die Schadwirkungen einzelner Schadstoffe. Daher kann kein einzelner „Wert“, zum Beispiel für PCB, benannt werden. Baggergut mit einer hohen beziehungsweise sehr hohen Toxizität von pT-Wert 5 und 6 darf nicht bei Tonne E3 eingebracht werden. 7. Wie hoch sind die PCB-Grenzwerte für die Verbringung von Schlick in der Elbe vor Neßsand? Bei welcher PCB-Belastung je Kilogramm Sediment kann das Baggergut nicht mehr vor Neßsand verbracht werden (bitte nach Monaten darstellen)? Die einzelnen PCB-Kongenere dürfen 25 µg/kg TS nicht überschreiten. 8. Wie oft muss der Senat beziehungsweise die HPA welche Messungen, Kontrollproben durchführen, um die Einhaltung der Grenzwerte der Belastung für die Verbringung zur Tonne E3 zu gewährleisten? Vor jeder Verbringung muss das zu verbringende Baggergut in allen betreffenden Hafenbereichen vollständig repräsentativ beprobt werden. Im Zuge der neuen Genehmigung des Landes Schleswig-Holstein ist die Probenahmezahl im Hamburger Hafen dreifach erhöht worden. In den betroffenen Hafenbereichen werden pro Baggerkampagne bis zu 108 Sedimentproben entnommen und von unabhängigen Laboren in Norddeutschland analysiert. 9. Welche Sedimentmengen sind von Januar bis November 2016 zur Tonne E3 verbracht worden (bitte monatlich differenziert angeben; falls Angabe nicht möglich: Bitte Zeitraum Januar bis Oktober 2016 benennen )? Welche Kosten sind dabei entstanden? Bis November 2016 wurden 1.494.436 Tonnen Trockensubstanz bei Tonne E3 verbracht . Jahr Monat tTS 2016 Januar 0 2016 Februar 0 2016 März 54.096 2016 April 0 2016 Mai 0 2016 Juni 228.604 2016 Juli 268.472 2016 August 279.185 2016 September 257.556 2016 Oktober 337.711 2016 November 68.812 Zu den entstandenen Kosten können erst valide Angaben gemacht werden, wenn das Geschäftsjahr abgeschlossen ist und der Jahresabschluss vorliegt. 10. Welche Sedimentmengen sind von Januar bis November 2016 vor Neßsand verbracht worden (bitte monatlich differenziert angeben; falls Angabe nicht möglich: Bitte Zeitraum Januar bis Oktober 2016 benennen )? Welche Kosten sind dabei entstanden? Drucksache 21/6858 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Insgesamt wurden im Jahr 2016 in den Monaten Januar bis Oktober 2.548.812 Tonnen Trockensubstanz bei Neßsand umgelagert. Die Arbeiten wurden im November wieder aufgenommen. Jahr Monat tTS 2016 Januar 662.833 2016 Februar 818.509 2016 März 1.067.470 2016 April 0 2016 Mai 0 2016 Juni 0 2016 Juli 0 2016 August 0 2016 September 0 2016 Oktober 0 11. Welche Sedimentmengen dürfen nach der Vereinbarung mit Schleswig- Holstein in 2016 zur Tonne E3 verbracht werden? In Drs. 21/6437 wird hierzu eine Obergrenze von 1,5 Millionen Tonnen Trockensubstanz angegeben. a. Was ist die Ursache für diese Obergrenze? Woraus leitet sie sich ab? b. Inwiefern existieren in der Vereinbarung monatliche beziehungsweise jährliche Obergrenzen? Es existieren keine monatlichen Obergrenzen. Im Übrigen siehe Drs. 21/6437. 12. Gibt es Klagen gegen die Vereinbarung zwischen Hamburg und Schleswig -Holstein beziehungsweise gegen die Genehmigung von Schleswig- Holstein? Wenn ja, von welchen und wie vielen Klägern und seit wann? Was ist der aktuelle Stand der Verfahren? Nein. 13. Wann wird die redaktionelle Überarbeitung des Teilberichts Umlagerung von Baggergut nach Neßsand im Jahr 2015 fertig sein und wann wird die Veröffentlichung erfolgen? Der Bericht ist auf der Webseite der HPA unter: http://www.hamburg-port-authority.de/de/presse/studien-und-berichte/Seiten/ default.aspx einsehbar. 14. Wie ist der aktuelle Stand der Kommunikation zwischen dem Bundesland Hamburg, dem Bund und der Tschechischen Republik sowie deren Behörden und Ministerien betreffend die PCB-Belastung der Elbe? Die Tschechische Republik hat zugesagt, die Ergebnisse der Sanierung sowie der Beprobungen vor Ort transparent zu machen. Experten aus Hamburg sind von der Wasserstraßendirektion in Tschechien eingeladen worden, sich vor Ort ein Bild der Lage zu machen. Darüber hinaus besteht das Angebot über das Projekt ELSA, die Sanierung weiterer Schadstoffdepots im Bereich der Bilina und der tschechischen Elbe mit Fach- und Sachkenntnis sowie finanziellen Mitteln zu unterstützen. Hierzu ist aufseiten der tschechischen Regierung eine Expertenkommission eingerichtet worden, die im Januar 2017 in Prag erstmalig zusammenkommen soll. Zu diesem Treffen sind auch Hamburger Vertreter eingeladen worden. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 15. Wie ist der aktuelle Stand der Kommunikation zwischen dem Bundesland Hamburg und anderen Bundesländern betreffend belastete Werte der Elbe? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/6858 5 Im Rahmen der 28. Elbe-Ratssitzung am 3. November 2016 wurde beschlossen, umgehend ein Sondermessprogramm entlang der Elbe aufzusetzen, um die Auswirkungen der PCB-Freisetzung auf die Umwelt umfassend zu dokumentieren. Auch hat der Elbe-Rat das Bundesministerium für Umwelt und Bauen (BMUB) gebeten, die aktuelle Rechtslage aufgrund von europäischen und nationalen Richtlinien beziehungsweise Gesetzen (EG-Umwelthaftungsrichtlinie 2004/35/EG, Umweltschadenshaftungsgesetze in Deutschland und Tschechien) anhand des PCB-Schadensvorfalls auf die Zielgerichtetheit zu überprüfen und auf mögliche Regelungslücken einzugehen sowie Lösungswege im Hinblick auf eine verbesserte Schutzwirkung zu skizzieren. 16. Wie unterstützt Hamburg beziehungsweise Deutschland das Land Tschechien beziehungsweise dessen Behörden bei der Beseitigung der PCB-Belastung in der Elbe unterhalb der Brücke, bei der durch Bauarbeiten erhebliche Mengen PCB in die Elbe gelangt sind? Was kostet diese Unterstützung voraussichtlich? Wer trägt diese Kosten voraussichtlich ? Die Kosten der Sanierung im Brückennahbereich in Ústí nad Labem betragen nach Angaben der tschechischen Regierung voraussichtlich circa 150.000 Euro. Sie werden von der tschechischen Seite getragen. 17. Hat der Senat beziehungsweise die HPA mittlerweile alternative Verbringungsoptionen erarbeitet für belastete Sedimente? Wenn ja, welche? Siehe Vorbemerkung. 18. Ist eine Verbringung in den sogenannten Slufter geprüft worden? Wenn ja, welche Kosten würden hierbei pro Kubikmeter Schlick anfallen ? Wenn nein, warum nicht? Die HPA hat eine Verbringung in das Unterwasserablagerungsdepot „De Slufter“ geprüft. Aufgrund der großen Transportentfernung würden sich die Kosten auf circa 70 Euro/m³ belaufen. 19. Ist eine Verbringung in der Außenwirtschaftszone (AWZ) geprüft worden ? Wenn ja, welche Kosten würden hierbei pro Kubikmeter Schlick anfallen ? Wenn nein, warum nicht? Die HPA prüft kontinuierlich weitere Verbringoptionen für Sedimente aus dem Hamburger Hafen, auch die Verbringung in die Außenwirtschaftszone (AWZ). Die Kosten sind vom Verbringungsort abhängig.