BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/6862 21. Wahlperiode 02.12.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Deniz Celik und Inge Hannemann (DIE LINKE) vom 25.11.16 und Antwort des Senats Betr.: Sind Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für Leistungsempfänger Gegenstand von Sanktionen? Immer wieder gibt es Berichte, dass Sozialämter, Ämter für Grundsicherung, Jobcenter und Arbeitsagenturen für Leistungsempfänger die Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung verweigern beziehungsweise nicht begleichen . Das hat zur Folge, dass die betroffenen Menschen nicht Kranken- und Pflegeversichert sind. Das Recht auf Gesundheit ist ein Grundrecht und Gesundheitsversorgung darf nicht Gegenstand von Sanktionen sein. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Die Krankenversicherung ist sowohl bei Leistungsbezug nach dem SGB II wie auch nach dem SGB III und dem SGB XII sichergestellt. Dabei kann es sich um Pflichtversicherung , aber auch um eine private Krankenversicherung oder eine anderweitige Krankenversorgung zum Beispiel im Rahmen einer Betreuung gemäß § 264 Absatz 2 SGB V handeln. Zur Krankenversicherung während des Alg-II-Bezuges wird im Übrigen auf die Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit „zur Kranken- und Pflegeversicherung der Leistungsberechtigten von Arbeitslosengeld II“, insbesondere auf das Kapitel „1.1 Zuordnung zum Versicherungssystem“ verwiesen, siehe: https://www.arbeitsagentur.de/web/wcm/idc/groups/public/documents/webdatei/mdaw/ mjg3/~edisp/l6019022dstbai793273.pdf?_ba.sid=L6019022DSTBAI793279. Leistungsempfänger nach dem SGB XII, die nicht bereits Mitglied einer gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung sind, werden entweder gemäß § 264 Absatz 2 SGB V durch eine Krankenkasse betreut oder im Rahmen eines Direktversorgungssystems nach dem 5. Kapitel SGB XII versorgt. Im Hinblick auf Beitragsrückstände bei einer Krankenkasse gilt für beide Krankenversorgungssysteme, dass Beitragsrückstände kein Hemmnis bei der Krankenversorgung darstellen. Gemäß § 256a SGB V sowie der Einheitlichen Grundsätze zur Beseitigung finanzieller Überforderung bei Beitragsschulden des GKV-Spitzenverbandes vom 4. September 2013 können bei einer bestehenden Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung Beiträge ermäßigt oder Säumniszuschläge erlassen werden, soweit der Versicherte während des Nacherhebungszeitraums keine Leistungen in Anspruch genommen hat oder im Falle einer Inanspruchnahme von Leistungen auf eine Kostenübernahme oder Kostenerstattung verzichtet. Im Bereich der privaten Krankenversicherung werden Versicherte mit Beitragsschulden in der Regel in den Basistarif (private Krankenversicherung Basistarif) gestuft. Er bietet Leistungen, die etwa dem Niveau der gesetzlichen Krankenkassen entsprechen. Bei hohen Beitragsschulden erfolgt ein Wechsel in den Notlagentarif, der einen Versicherungsschutz bietet und erheblich günstiger als der Basistarif ist, um die Beitragsschulden abzubauen. Drucksache 21/6862 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf Grundlage von Auskünften von Jobcenter team.arbeit.hamburg (Jobcenter) und der Agentur für Arbeit Hamburg (Agentur) wie folgt: 1. Wie viele Leistungsbezieher/-innen nach dem SGB II, SGB III und SGB XII sind derzeit nicht über Jobcenter t.a.h., die Arbeitsagentur Hamburg und die Grundsicherungsämter Hamburg bei den Krankenkassen pflichtversichert ? Bitte jeweils tabellarisch einzeln auflisten. 2. Wie viele Leistungsbezieher/-innen erhalten innerhalb ihrer PKV keine Zuschläge durch Jobcenter t.a.h., Arbeitsagentur Hamburg und die Grundsicherungsämter Hamburg? Bitte tabellarisch einzeln auflisten. Die Leistungsempfänger nach dem SGB XII gehören gemäß § 5 Absatz 8a SGB V regulär nicht zum „pflichtversicherten“ Personenkreis. Mit Stand August 2016 sind von 45.610 Leistungsempfängern nach dem 3. und 4. Kapitel SGB XII insgesamt 12.938 Personen insbesondere über ihre Rentenansprüche pflichtversichert. Somit sind 32.672 Personen im SGB XII nicht „pflicht“versichert, sondern anderweitig krankenversorgt , zum Beispiel im Rahmen einer Betreuung gem. § 264 Absatz 2 SGB V. Im August 2016 waren 528 Leistungsempfänger nach dem 3. und 4. Kapitel SGB XII privat krankenversichert. Abhängig von der jeweiligen Leistungsberechtigung werden für diese Personen gemäß § 32 SGB XII Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für eine private Krankenversicherung im Basistarif übernommen. Für den Rechtskreis der Leistungsempfänger des SGB II und SGB III bestehen keine Auswertungen des Statistik-Service der Bundesagentur für Arbeit. 3. Wie hat sich die Anzahl der in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten mit Schulden seit dem Jahr 2007 entwickelt? Bitte jährlich auflisten. Die Statistik des Bundesversicherungsamtes (Beitragsaufkommen und -rückstände) weist lediglich die Summe der Beitragsrückstände in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aus, aber nicht die Anzahl der in der GKV Versicherten mit Beitragsrückständen (Schulden). 4. Liegen dem Senat Kenntnisse darüber vor, wie viele Personen, die aufgrund einer Vollsanktion nach dem SGB II oder einer vollständigen Arbeitslosengeld-I-Sperre nach dem SGB III selbst Beiträge zu ihrer Kranken- und Pflegeversicherung leisten müssen? Wenn ja, bitte jeweils einzeln seit 2010 auflisten und die gesetzliche Grundlage nennen. Vonseiten des Statistik-Service der Bundesagentur für Arbeit erfolgt keine Auswertung im Sinne der Fragestellung. § 16 Absatz 3a Satz 4 SGB V stellt im Übrigen sicher, dass auch bei Beitragsrückständen für Hilfebedürftige nach dem SGB II und SGB XII die Krankenversorgung weiterhin vollumfänglich gewährleistet ist. Im Rechtskreis des SGB III wird die Beitragszahlung im ersten Monat einer Sperrzeit durch den sogenannten nachwirkendenden Leistungsanspruch nach §19 Absatz 2 SGB V gedeckt. Die Versicherungspflicht besteht nach § 5 Absatz 1 Nummer 2 des SGB V. Ab dem zweiten Monat einer Sperre übernimmt der SGB III Bereich wieder die Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung. Auch im Rechtskreis SGB III ist somit sichergestellt, dass es nicht zu einem Ruhen der Krankenversorgung nach § 16 Absatz 3a Satz 2 kommt. 5. Sind dem Senat Zahlen bekannt, wie viele wohnungslose Menschen und obdachlose Menschen keine Kranken- und Pflegeversicherung in Hamburg besitzen? Bitte seit 2010 jährlich auflisten. Hierzu sind dem Senat keine Zahlen bekannt. 6. Welche Möglichkeiten sieht der Senat bei vorhandenen Beitragsrückständen in der gesetzlichen oder bei der privaten Krankenversicherung, Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/6862 3 wenn sich Leistungsberechtigte nach dem SGB II, SGB III oder SGB XII erstmalig melden und die zuständigen Krankenversicherung eine Aufnahme aufgrund aufgelaufener Beitragsrückstände verweigert? Wie bewertet der Senat dieses? Bitte ausführlich begründen. Siehe Vorbemerkung. Im Übrigen hat sich der Senat damit nicht befasst. 7. Wie bewertet der Senat Beitragsrückstände bei den Krankenkassen, wenn diese durch Vollsanktionen nach dem SGB II oder eine Arbeitslosengeld -I-Sperre erfolgen und keine Ausgaben von Lebensmittelgutscheinen oder sonstigen Sachleistungen nach dem SGB II und SGB XII erfolgten? Bitte ausführlich begründen? Siehe Vorbemerkung. Im Rahmen des SGB XII erfolgt keine Sanktionierung von Leistungen . Es wird auf die Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu den §§ 31, 31a und 31b SGB II, hier insbesondere auf das Kapitel „4.5 Ergänzende Sachleistungen , geldwerte Leistungen, Kranken- und Pflegeversicherungsschutz“ verwiesen, siehe: https://www.arbeitsagentur.de/web/wcm/idc/groups/public/documents/webdatei/mdaw/ mdmw/~edisp/l6019022dstbai377967.pdf?_ba.sid=L6019022DSTBAI377970. Im Übrigen hat sich der Senat hiermit nicht befasst.