BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/6895 21. Wahlperiode 06.12.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Thering (CDU) vom 29.11.16 und Antwort des Senats Betr.: „DIN 19700 Stauanlagen“ für die Hochwasserrückhaltebecken Sasel und Blakshörn In Zusammenhang mit der vorläufigen Sicherung des Überschwemmungsgebietes (ÜSG) Berner Au stellen sich die Anwohner seit Langem die Frage, wie es mit ihrer eigenen Sicherheit als Unterlieger von Hochwasserrückhaltebecken (HRB) bestellt ist. Die Berner Au hat insgesamt vier HRB, die den Sinn haben, Hochwasserereignisse zurückzuhalten beziehungsweise zwischenzuspeichern . Trotz dieser vier HRB auf einer Strecke von nur circa 6 km haben die Behörde für Umwelt und Energie (BUE) und der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) mit wissenschaftlichen Methoden (Niederschlags-/Abfluss-Modell und 2D hydrodynamisch-numerisches Modell) ermittelt, dass es im oberen Bereich, vom Quellgebiet bis zur Straße Berner Allee, nur ein ÜSG geben würde. Die Anwohner im Gebiet dieses ÜSG können nicht verstehen, warum trotz der zwei HRB Sasel und Blakshörn noch ein ÜSG festgesetzt werden soll, denn eigentlich sollen diese HRB doch Überschwemmungen verhindern beziehungsweise abschwächen. Der Schutz für die Unterlieger, beschrieben in der „DIN 19700 Stauanlagen“ als sogenannter Hochwasserschutzgrad, ist dort aber nicht genau festgelegt. Allgemein ist in den Bundesländern jedoch für Siedlungsgebiete ein Hochwasserschutzgrad von BHQ50 – BHQ100 (Baden-Württemberg), in den meisten Fällen (wie bei unseren Nachbarn Schleswig-Holstein, Mecklenburg- Vorpommern, Bremen und Niedersachsen) jedoch ein BHQ100 festgelegt worden (siehe LAWA 2014 – Beitrag zum Nationalen Hochwasserschutzprogramm – Eine flussgebietsbezogene Überprüfung und eventuelle Weiterentwicklung der Bemessungsgrundlagen). Nach Aussage des Bezirksamts Wandsbek haben die vier im Flusslauf der Berner Au liegenden HRB Sasel, HRB Blakshörn, HRB Berne und HRB Kupferteich jedoch nur einen Hochwasserschutzgrad bis zu einem zehnjährigen Abfluss (BHQ10). Das heißt jedes darüber hinaus gehende Hochwasser kann zu Überschwemmungen unterhalb der HRB führen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Nach Einschätzung der BUE sind im Falle eines HQ100-Hochwassers die Wassermengen so gewaltig, dass die Auswirkungen möglicher Maßnahmen Drucksache 21/6895 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 auf die berechnete Größe des ÜSG in der Regel gering seien. So beschrieben in den BUE-Antworten auf die Stellungnahmen von Anliegern im ÜSG. 1. Um welche errechneten, gewaltigen Wassermengen (in m3/s) handelt es sich? Der Abfluss des hundertjährlichen Hochwassers (HQ100) für die Berechnung der räumlichen Ausdehnung des Überschwemmungsgebietes (ÜSG) Berner Au in der Anpassung der vorläufigen Sicherung vom 16. Dezember 2015 beträgt am oberen Ende des ÜSG, auf Höhe des Zuflusses Diekkampgraben, 0,35 m³/s. Am unteren Rand des ÜSG, oberhalb des Hochwasserrückhaltebeckens Kupferteich, beträgt der hundertjährliche Abfluss 8,1 m³/s. 2. Wie hoch ist der errechnete Wasserstand in Meter über Normalhöhennull ? Bitte die Werte getrennt nach HQ10/HW10 und HQ100/HW100 für folgende Standorte auf: - in hundert Meterschritten laut Gefahrenkarten, - von 4.200 bis 5.200 (von unterhalb Berner Allee bis HRB Blakshörn), - von 5.300 bis 6.800 (von HRB Blakshörn bis HRB Sasel) angeben. Hochwassergefahrenkarten (1-D Modellierung) und Überschwemmungsgebietskarten (2-D Modellierung) basieren auf unterschiedlichen Berechnungsgrundlagen. Die für das Überschwemmungsgebiet Berner Au bei einem HQ100 berechneten Wasserstände betragen: Station (km) Wasserstand bei HQ100 (NHN +m) Station (km) Wasserstand bei HQ100 (NHN +m) 4,20 22,40 5,30 24,48 4,30 22,97 5,40 24,48 4,40 23,62 5,50 24,55 4,50 23,62 5,60 24,69 4,60 23,62 5,70 25,04 4,70 23,63 5,80 25,15 4,80 23,63 5,90 25,21 4,90 23,64 6,00 25,51 5,00 23,71 6,10 25,78 5,10 23,72 6,20 25,98 5,20 24,48 6,30 26,24 6,40 26,47 6,50 26,67 6,60 26,89 6,70 27,18 6,80 27,21 Für die Ermittlung von Überschwemmungsgebieten ist ein HQ10/HW10 nicht maßgeblich . Im Zusammenhang mit den beiden HRB Sasel und Blakshörn ist der Abschlussbericht der Studie der Hafen-City-Universität (HCU) Retentionspotentiale im Siedlungsbestand am Beispiel der Wandse nebst Nebenflüssen von 2012 erwähnenswert. So wird auf das große Optimierungspotenzial bezüglich des Hochwasserrückhalts beziehungsweise Überlauf der beiden HRB hingewiesen. Es können Scheitelabminderungen von < -20 Prozent erzielt werden. Man geht davon aus, dass die Spitzenabflüsse extremer Hochwasser um bis zu 40 Prozent reduziert werden können, wenn die in der Studie vorgeschlagenen Maßnahmen der Hochwasservorsorge konsequent implementiert werden würden. Außerdem gibt es zur DIN 19700 folgende Aussagen: Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/6895 3 Wenn die Staubereiche als Hochwasserrückhaltebecken nach DIN 19700 anzusehen sind, ergeben sich für die Umgestaltung erhöhte Sicherheitsansprüche (DWA 2006, Seite 53). Angesichts der zu erwartenden Überläufe einiger Becken im Rahmen schwerer Hochwasserverläufe sollten die solchen Fällen zuzuordnenden Risiken ermittelt und bewertet werden und gegebenenfalls zu einer Anpassung der Auslegung der Becken führen. 3. Was hat der Senat aufgrund dieser wichtigen Aussagen bisher konkret veranlasst? Wenn bisher nichts veranlasst wurde, warum nicht? Die Überprüfung und Optimierung der Steuerung der HRB Sasel und Blakshörn wurde in das Arbeitsprogramm Wasserwirtschaft im Bezirk Wandsbek sowie die Maßnahmenliste zur Umsetzung der Hochwasserrisikomanagementrichtlinie aufgenommen. Zudem bereitet das Bezirksamt Wandsbek die Auftragsvergabe für eine über die turnusgemäße Kontrolle hinausgehende Überprüfung der Wehrantriebe zur Feststellung von Sanierungsbedarfen vor. Stauanlagen unterliegen in Deutschland den Anforderungen der „DIN 19700 Stauanlagen von 2004-07“, in ihr enthalten sind die Vorgaben für Hochwasserrückhaltebecken . Da es sich bei den zwei HRB Sasel und Blakshörn um kleine Becken handelt (>= 50.000 m3 Gesamtstauraum), ist festgelegt worden, dass die Hochwasserentlastungsanlagen für kleine Becken für ein HQ500 (BHQ1) ausgelegt sein müssen und die Stauanlagensicherheit bei Extremhochwasser infolge eines HQ5000 (BHQ2) gewährleistet sein muss. Für die Unterlieger der HRB ist aktuell jedoch nur ein Hochwasserschutzgrad von HQ10 (BHQ3) festgelegt worden. Allgemein entspricht in Deutschland die Bemessung von Hochwasserschutzanlagen in der Regel der Bemessung von Überschwemmungsgebieten (HQ100). Diese gilt auch für die Elbe und ihre Nebenflüsse. 4. Warum ist für die Unterlieger der HRB im Bereich des ÜSG Berner Au der festgelegte Hochwasserschutzgrad so extrem niedrig? Die HRB sind nach den zu ihrer Bauzeit gültigen Richtlinien bemessen worden. Welche Schutzziele und Modelle den damaligen Berechnungen zugrunde lagen und in welcher Form eine Information der Unterlieger erfolgte, ist nicht bekannt. Die Verfügbarkeit der benötigten Informationen muss recherchiert werden. Dies ist in der zur Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 5. Welche Hochwasserentlastungsanlagen (HWEA) laut DIN 19700, Teil 11, Nummer 8.2 haben die beiden HRB an der Berner Au? Die HRB Sasel und Blakshörn verfügen über eine in das Ablaufbauwerk integrierte Notüberlaufschwelle. Übersteigt der Wasserspiegel die Oberkante der Schwelle, fließt das überlaufende Wasser ungestört und zusätzlich zum Drosselabfluss ab. Die Ablaufdrossel ist als unterströmtes Schütz ausgeführt. Inwieweit diese gegebenenfalls an die Anforderungen der DIN 19700 anzupassen sind, ist Prüfgegenstand der in der Antwort zu 3. genannten Maßnahmen. 6. Gibt es an den beiden HRB der Berner Au Beckenpegel als automatische Registrierpegel und registrierende Abflusspegel, wie die DIN 19700 Teil 12, Nummer 10.2 es vorschreibt? Wenn ja, um welche Pegel handelt es sich und wann wurden sie installiert ? Wenn nein, warum nicht? Drucksache 21/6895 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 An den HRB Sasel und Blakshörn gibt es Lattenpegel, die als Betriebspegel zur Einstellung der Ablaufdrosseln dienen. Da die Anlagen nicht automatisch gesteuert sind, werden keine aufzeichnenden Pegel benötigt. 7. Erfolgt eine regelmäßige Prüfung der Gebrauchstauglichkeit und Funktionsfähigkeit aller maschinellen Teile und elektrischen Anlagen unter Betriebsbedingungen? Wenn ja, in welchen Intervallen wurden diese Prüfungen durchgeführt und wann sind die letzten beiden Prüfungen durchgeführt worden? Wenn nein, warum nicht? Die Gebrauchstauglichkeit und Funktionsfähigkeit der maschinellen Teile wird bisher einmal jährlich und zusätzlich anlassbezogen durchgeführt. Die HRB Sasel und Blakshörn umfassen keine elektrischen Anlagenteile. Die letzte Kontrolle ist vor vier Wochen erfolgt. Die Systematisierung der Kontrollen ist Gegenstand der in der Antwort zu 3. genannten Maßnahme. Bestehende Anlagen, die nach altem Recht errichtet wurden, sind innerhalb einer angemessenen Frist an die allgemein anerkannten Regeln der Technik (a. a. R. d. T.) mittels Sanierung beziehungsweise Umbau anzupassen. Besteht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben und/oder für wesentliche Vermögenswerte, so ist diese Gefahr unverzüglich zu beseitigen. Bei der Anpassung an die a. a. R. d. T. ist die technische, ökologische und wirtschaftliche Machbarkeit zu beachten, sofern die Risikobetrachtung dieses zulässt. 8. Warum wurden bisher keine der sicherheitsnotwendigen Anpassungen der beiden HRB gemäß der seit 2004 gültigen DIN 19700 an der Berner Au vorgenommen? Die Prüfung, ob gegebenenfalls sicherheitsnotwendige Anpassungen der beiden HRB Sasel und Blakshörn notwendig sind, ist Gegenstand der in der Antwort zu 3. genannten Maßnahmen. 9. Welche Werte zu den neuen Begriffen laut DIN 19700 gelten für die HRB Sasel + Blakshörn (ZK = Kronenstau = Wasserspiegel in Höhe Krone des Absperrbauwerkes (m ü NHN), ZH2 = Hochwasserstauziel 2 infolge BHQ2 im HWBF 2 (m ü NHN), ZH1 = Hochwasserstauziel 1 infolge BHQ1 im HWBF 1 (m ü NHN), ZV = Vollstau = Wasserspiegel in Höhe Überfallkrone beziehungsweise Oberkante Verschluss der HWEA (Hochwasserentlastungsanlage) (m ü NHN), ZS = Stauziel (m ü NHN) oder ZD = Dauerstauziel (m ü NHN), IGHR = Gewöhnlicher Hochwasserrückhalteraum ergibt sich aus dem HWBF 3 in m3)? 10. Wie groß ist der Gesamtstauraum je HRB in m3 im Hochwasserbemessungsfall 2? Für die HRB Sasel und Blakshörn sind die Werte Dauerstauziel (Sasel: NHN +25,65 m; Blakshörn: NHN +23,00 m) und Vollstauziel (Sasel NHN +26,35 m; Blakshörn NHN +24,20 m) festgelegt. Das Kronenstauziel ist bei den HRB identisch mit dem Vollstauziel . Der Gesamtstauraum ist nicht bemessungsrelevant. Im HW-Bemessungsfall 2 wird lediglich die Stauhöhe ermittelt, die hydraulisch für die Ableitung des Bemessungshochwassers BHQ2 erforderlich ist. Soweit erforderlich, werden die übrigen Werte im Zuge der Prüfungen zu den in der Antwort zu 3. genannten Maßnahmen ermittelt. 11. Welche festgelegten Hochwasserschutzgrade in HQ(t) gelten für die beiden HRB? 12. Wann und mit welcher Methode wurden die Hochwasserschutzgrade ermittelt und festgelegt? 13. Wann und wie wurden die betroffenen Unterliegern der HRB Sasel und Blakshörn über die festgelegten Hochwasserschutzgrade informiert? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/6895 5 14. Ist für die Bemessung + Planung der vier HRB der Berner Au ein N/A- Modell erstellt worden? Wenn ja, wann und mit welchen Grundlagendaten? Wenn nein, warum nicht? Siehe Antwort zu 4. 15. Wann und wie wurden Wasserstand-Abfluss-Volumen-Beziehungen für die HRB ermittelt? Im Abstrom des HRB Blakshörn werden seit dem 26.3.2015 Wasserstände digital erfasst und Strömungsmessungen mit dem Ziel durchgeführt, eine mathematische Beziehung zwischen Wasserstand und Abfluss (Schlüsselkurve) herzustellen. Im Übrigen siehe Antwort zu 4. 16. Welcher maximale Wasserstand wurde wann am Pegel # 99379 am Auslaufbauwerk des HRB Blakshörn gemessen? Am Pegel 99379 wurde ein maximaler Wasserstand von 24,45 m NN (18. Juli 2002) gemessen. 17. Ist die Krone des Auslaufbauwerks des HRB Blakshörn jemals überströmt worden? Wenn ja, wann und welcher Wasserstand wurde dabei gemessen und welche Folgen hatte das für die Unterlieger? Im Fall des HRB Blakshörn entspricht die Überströmung der Krone dem Notüberlauf. In 2002 ist der Notüberlauf angesprungen, wodurch es zu einer kritischen Lage im Bereich Kleine Wiese kam. 18. Welche errechneten Wasserstände in Meter über Normalhöhennull wurden bei einem HQ100 Hochwasser für die HRB der Berner Au ermittelt? Anlage Wasserstand (m +NHN) HRB Sasel 27,21 HRB Blakshörn 24,48 HRB Berne 21,22 HRB Kupferteich 14,82