BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/6932 21. Wahlperiode 09.12.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Carsten Ovens (CDU) vom 01.12.16 und Antwort des Senats Betr.: Drohnen über Hamburg – Erkennt der Senat Chancen und Risiken? In seiner Antwort auf die Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/1897 zu möglichen Auswirkungen, Gefahren und notwendigen Maßnahmen in Bezug auf die sich rapide entwickelnde Drohnentechnologie verweist der Senat überwiegend auf die Kompetenz und Verantwortung des Bundes. Ganzheitlich betrachtet stellen sich jedoch einige weitere Fragen, die direkt in der Verantwortung der Hamburger Landesregierung liegen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Welche Hamburger Bildungseinrichtungen, Hochschulen et cetera bieten Schulungen, Berufsausbildungen oder Studiengänge, welche die Qualifikationen hinsichtlich der Drohnentechnologie vermitteln? 2. Welche bildungspolitischen Konzepte verfolgt oder plant der Senat mit Blick auf die zunehmende Verbreitung der Drohnentechnologie? In der Fakultät Technik und Informatik der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW Hamburg) werden im Studiengang Flugzeugbau in verschiedenen Modulen Themen behandelt, die für technische und sicherheitsrelevante Aspekte von Drohnen von Bedeutung sind. Die HafenCity Universität Hamburg (HCU) bietet Studiengänge in der Disziplin Geomatik an, in dem die Studierenden Qualifikationen hinsichtlich der Photogrammetrie und somit Kompetenzen in der Auswertung der von Drohnen aufgenommenen Bilder erwerben. Bezogen auf gewerbliche Ausbildungsberufe ist die Drohnentechnologie nicht expliziter Gegenstand von Berufsausbildungen und auch nicht Inhalt von Rahmenlehrplänen in der dualen Ausbildung. Fachliche Inhalte des berufsschulischen Unterrichts können jedoch Schnittmengen zu Drohnentechnik bilden. So werden in der Staatlichen Gewerbeschule für Fertigungs- und Flugzeugtechnik Ernst Mittelbach (G15) im Ausbildungsberuf Fluggeräteelektroniker/in im dritten Lehrjahr im Projektunterricht unter anderem Drohnentechnologien vermittelt und praktisch umgesetzt. Zu den Inhalten gehören Sensorik, Regelungstechnik und HF-Technik. Weiterhin wurde das Thema Drohnen aus technischer und rechtlicher Perspektive bei der 17. Oberstufenakademie für Oberstufenschülerinnen und Oberstufenschüler betrachtet, die die Claussen- Simon-Stiftung zusammen mit der FOM Hochschule für Ökonomie & Management vom 13. bis 15. Oktober 2016 zum Thema „Wirtschaftsingenieurwesen – Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Technik“ durchgeführt hat. 3. Welche neuen Berufsfelder oder Berufsausbildungen können nach Meinung des Senats im Bereich der Drohnentechnologie entstehen? Duale Berufsausbildungen werden auf Bundesebene durch die Sozialpartner initiiert. Aktuell sind der zuständigen Behörde keine Initiativen in diesem Bereich bekannt. Drucksache 21/6932 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 4. Welche konkreten Qualifikationen müssen Drohnenpiloten nachweisen? Die aktuell geltenden bundesweiten luftrechtlichen Regelungen schreiben explizit keine Qualifikationen vor, die Drohnensteuerinnen und Drohnensteuerer erfüllen müssen. Auf der Grundlage des § 20 Absatz 4 der Luftverkehrs-Ordnung (LuftVO), wonach Drohnenaufstiege nicht zu einer Gefahr für die Sicherheit des Luftverkehrs oder die öffentliche Sicherheit oder Ordnung führen dürfen, verlangt die Luftfahrtbehörde Hamburg von Drohnensteuerinnen und Drohnensteuerern, die eine Erlaubnis zum Aufstieg unbemannter Luftfahrtsysteme zu gewerblichen Zwecken beantragen, folgende Nachweise: den mündlichen Nachweis ausreichender Kenntnisse in den Bereichen Luftrecht, Meteorologie und Technik sowie den Nachweis der praktischen Fertigkeiten im Umgang mit ihren Drohnen oder hierzu eine entsprechende Bestätigung einer anderen Luftfahrtbehörde. 5. Wo finden die meisten Flüge im Stadtgebiet statt? Werden Bürger unmittelbar durch diese Flüge beeinflusst? Wenn ja, inwiefern? Die zuständige Behörde kann eine Aussage darüber, wo die meisten Flüge im Stadtgebiet stattfinden, nur bezüglich der gewerblichen Drohnenaufstiege treffen, da das geltende Luftrecht eine Erlaubnispflicht primär nur für diese vorschreibt. Für den Aufstieg von Drohnen zu privaten Zwecken wird keine Erlaubnis benötigt, sofern das Abfluggewicht des unbemannten Luftfahrtgerätes weniger als fünf Kilogramm beträgt. Erlaubnisse wurden bei den genehmigungspflichtigen Drohnenaufstiegen bislang überwiegend für das Stadtzentrum sowie für den Bereich des Hafens beantragt. Die für die Erlaubnis zuständige Behörde sorgt über detaillierte Auflagen in der Erlaubnis sowie mittels Stichprobenkontrollen dafür, dass Bürgerinnen und Bürger durch diese Flüge nicht beeinflusst werden. Bei Drohnenaufstiegen zu Freizeitzwecken greifen diese Maßnahmen nicht. Sollten sich Bürgerinnen und Bürger durch Drohnenaufstiege zu privaten Zwecken belästigt fühlen oder durch sie gefährdet werden , kann dies nur über eine Beschwerde beziehungsweise Anzeige der betroffenen Bürgerinnen und Bürger bei der Polizei festgestellt werden. Der Polizei wurden bisher überwiegend Beschwerden bezüglich der Nichteinhaltung des Schutzes der Privatsphäre zur Kenntnis gebracht. 6. Wo werden auf dem Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg besondere Gefahrenpotenziale durch die Nutzung von unbemannten Luftfahrtsystemen gesehen? Was unternimmt der Senat, um hier schützende Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen? Besondere Gefahrenpotenziale von unbemannten Luftfahrtsystemen auf dem Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg sind: - Innerhalb einer Entfernung von weniger als 1,5 km um die äußere Begrenzung von Flugplätzen einschließlich Hubschrauberlandeplätzen an Krankenhäusern, im Hafengebiet sowie über Bahngleisen und stark befahrenen Straßen. Hier werden Aufstiegserlaubnisse nur sehr restriktiv und unter strengen Auflagen erteilt. - Über und in unmittelbarer Nähe zu Menschenansammlungen und Unglücksorten. Erlaubnisse hierfür werden in Hamburg mit Ausnahme von Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben oder Institutionen für den Katastrophenschutz (zum Beispiel Technisches Hilfswerk) nicht erteilt. Die Polizei beobachtet den entsprechenden Luftraum, um gegebenenfalls schnell eingreifen zu können. - Über Justizvollzugsanstalten, Anlagen der Energieerzeugung, Industrieanlagen. Erlaubnisse werden nur unter Nachweis der Zustimmung des Betreibers erteilt. 7. Wie viele Zwischenfälle wurden im Jahr 2016 mit Drohnen in der Stadt Hamburg registriert? Im erfragten Zeitraum wurden bis zum Stichtag 1. Dezember 2016 insgesamt fünf Vorfälle registriert. Erfasst wurden Vorfälle mit unbemannten Fluggeräten, die entgegen der gesetzlichen Bestimmungen betrieben wurden und/oder durch die es zu einer Gefährdung von Personen oder Sachwerten kam. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/6932 3 8. Ist bekannt aus welchen Gründen die Flüge durchgeführt wurden? Handelte es sich dabei um wirtschaftliche Anwendungen oder Hobbydrohnenflieger ? Nach den Erkenntnissen der Polizei lag in einem Fall eine gewerbliche Nutzung vor; in den anderen vier Fällen ist der Anlass der Flüge nicht bekannt. 9. Welche wirtschaftlichen Anwendungen sind für die Entwicklung der Metropolregion besonders relevant? Im Rahmen des vom Senat geförderten Projektes „Smart Last Mile Logistics“ (SMILE) wird unter anderem untersucht, ob und inwieweit Anwendungen der Drohnentechnologie für die Zustellung von Lieferungen auf der letzten Meile wirtschaftlich sind (vergleiche Drs. 21/6869). Im Übrigen siehe Antwort zu 12. 10. Wie viele Hamburger Unternehmen setzen diese Technologien im Gebiet der Freien und Hansestadt ein? Bislang haben 59 Hamburger Unternehmen Erlaubnisse zum gewerblichen Aufstieg von Drohnen im Stadtgebiet Hamburg beantragt. 11. Wie viele Arbeitsplätze gibt es bereits in Hamburg in dieser Branche? Die genaue Anzahl der Arbeitsplätze in dieser Branche ist nicht bekannt. 12. Inwiefern plant die Stadt das wirtschaftliche Potenzial der unbemannten Luftfahrtsysteme zu nutzen? Der Senat unterstützt ein vom Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung (ZAL) koordiniertes Konsortium aus Unternehmen, Clustervertretern und Verbänden im Projekt „Wirtschaftliche Nutzung eines drohnenbasierten Luftverkehrssystems in einer Metropolregion“, welches vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unter der Förderrichtlinie „Innovationsforen Mittelstand“ gefördert werden soll. Ziel des Projektes ist es, für Hamburg ein Konzept eines drohnenbasierten Luftverkehrssystems zu entwickeln, welches auf den potenziellen wirtschaftlichen Anwendungsfeldern in einer Metropole aufsetzt und zugleich die besonderen gesellschaftlichen Bedarfe und Restriktionen einer Großstadt berücksichtigt. Daraus sollen bundesweit übertragbare Vorschläge für eine Weiterentwicklung des regulatorischen Rahmens, insbesondere des Luftverkehrsrechts, abgeleitet werden. Unterstützer des Projekts sind die Cluster Logistik-Initiative Hamburg, HAMBURG AVIATION e.V., Erneuerbare Energien Hamburg Clusteragentur GmbH, Maritimes Cluster Norddeutschland , Life Science Nord Management GmbH und nextMedia als Repräsentanten der entsprechenden Industrien und Unternehmen, die Hamburg Port Authority, das mittelständische Unternehmen Drone Industry Insights UG, der Bundesverband Unbemannte Systeme (BUVUS) sowie die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI) sowohl als Innovations- als auch als Landesluftfahrtbehörde. Mit weiteren potenziellen Partnern werden Gespräche geführt. 13. Über welche Expertisen verfügen die zuständigen Behörden? Wo genau sind diese jeweils angesiedelt? Bei der Prüfung von Aufstiegsanträgen, bei drohnenbezogenen Bund-Länder- Fachausschüssen sowie bei der Mitwirkung bei luftrechtlichen Novellierungen setzt die der BWVI zugeordneten Landesluftfahrtbehörde ausschließlich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein, die eine fliegerische Erfahrung nachweisen können und sich seit Jahren mit dem rechtlichen und technischen Umfeld von Drohnen befassen. 14. Welche Unternehmen unterstützen die Behörden bei der Bewältigung der Herausforderungen in diesem schnell wachsenden dynamischen Umfeld? Siehe Antwort zu 12. 15. Inwiefern kooperiert die Stadt dazu bereits mit Forschungseinrichtungen und inwiefern sind den Behörden Studien und Forschungsbeiträge zu unbemannten Luftfahrtsystemen zugänglich? Drucksache 21/6932 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Die HAW Hamburg bearbeitet zusammen mit der Universität Stuttgart, der Novicos GmbH und der IZP Dresden mbH das Forschungs- und Entwicklungsprojekt „SAFRAN - Sicherheitskonforme Systemarchitektur von Flugrobotern und lebenszyklusgerechtes Komponentendesign für zivile Anwendung“. Mit der Arbeit verfolgen die Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartner das gemeinsame Ziel, einen unter Marktbedingungen kommerziell für Forschung und den freien Markt einsetzbaren Flugroboter zu entwickeln und gleichzeitig die Chancen und Grenzen der Anwendung von Flugrobotern in einem ausgewählten Anwendungsprozess zu untersuchen. Zudem forschen einige wissenschaftliche Institute der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH) im Zusammenhang mit unbemannten Luftfahrtsystemen. Darüber hinaus werden im Rahmen regelmäßiger, vom Bundesverband für Unbemannte Systeme (BUVUS), organisierter Treffen in der Northern Business School Hamburg unter Teilnahme von Vertreterinnen und Vertretern der BWVI dort betriebene Forschungen und Denkansätze zu unbemannten Luftfahrtsystemen vorgestellt. Im Übrigen siehe Antwort zu 12. 16. Welche weiteren Forschungseinrichtungen in der Metropolregion beschäftigen sich mit gesellschaftswissenschaftlichen Fragen in dieser Thematik? Die Interdisziplinäre Forschungsgruppe für Abrüstung, Rüstungskontrolle und Risikotechnologien (IFAR) im Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH) hat sich in einem Forschungsprojekt mit der technischen, sicherheitspolitischen und juristischen Problematiken von unbemannten Systemen seit dem Jahr 2007 beschäftigt (siehe https://ifsh.de/file-IFAR/pdf_english/ StandPerspektMilUMS2008.pdf). Zudem sind weitere kleinere Forschungsprojekte über die sicherheits- und friedenspolitischen Konsequenzen von Drohnentechnologien am IFSH durchgeführt worden. Die Forschungsgruppe IFAR am IFSH beschäftigt sich zudem im Rahmen des Forschungsplans 2016 und 2017 mit dem Einfluss von unbemannten Systemen auf die neue Kriegsführung, mit der Proliferation von Drohnentechnologien , den Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz und deren Einhegung durch Rüstungskontrolle. Im Rahmen des vorgeschlagenen Konzepts der präventiven Rüstungskontrolle werden auch innenpolitische und gesellschaftliche Gefahren einbezogen . Die Gefahren des Einsatzes von Drohnen werden am IFSH sowie an dem an der Universität Hamburg (UHH) ansässigem Carl-Friedrich von Weizsäcker-Zentrum für Naturwissenschaft und Friedensforschung (ZNF) im Rahmen von Ringvorlesungen im Bereich der Friedensbildung/-forschung thematisiert. 17. Mit welchen Fördermaßnahmen will die Stadt die weitere Entwicklung der Drohnentechnologie fördern? Hierzu hat sich der Senat noch kein abschließendes Bild gemacht. Dieses wird unter anderem vom Ergebnis des Projekts SMILE (siehe Antwort zu 9.) abhängen.