BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/6940 21. Wahlperiode 09.12.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 01.12.16 und Antwort des Senats Betr.: Winter in Hamburg, Leben auf der Straße: Zur Unterbringung von Wohnungslosen Hamburg muss bereits kurz nach Beginn des Winters sowie des Winternotprogramms den ersten auf der Straße verstorbenen obdachlosen Menschen beklagen. Nach wie vor ist die Frage nach den Kapazitäten der öffentlichen Unterbringung akut. Zwar wurden die Bettenkapazitäten ausgeweitet, trotzdem ist dies offensichtlich bei Weitem nicht ausreichend. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie viele Menschen sind gegenwärtig als vordringlich wohnungssuchend gemeldet? Zum Stichtag 30. Juni 2016 gab es 8.161 unversorgte vordringlich Wohnungssuchende . Vordringlich Wohnungssuchende sind - von Wohnungslosigkeit bedrohte Personen, - in die Gesellschaft einzugliedernde Personen einschließlich Jugendlicher und junger Volljähriger, die Leistungen nach dem SGB VIII erhalten haben, - auf den Rollstuhl angewiesene sowie sonstige Personen mit Behinderungen, Kranke und ältere Personen, - Misshandelte und von Misshandlungen bedrohte Personen, - Haushalte mit Kindern bei instabilen Familienverhältnissen, - unzureichend untergebrachte Haushalte – insbesondere Haushalte mit Kindern, - Räumungsfälle, Unterbringungsfälle und Notfälle, - Haftentlassene und Personen, deren Entlassung aus einer hamburgischen Justizvollzugsanstalt bevorsteht, - Leistungsberechtigte nach SGB II oder SGB XII mit Verpflichtung zum Wohnungswechsel , - Wohnungslose in öffentlicher Unterbringung, - Zuwanderer mit Bleiberecht aus öffentlicher Unterbringung - sowie im geringen Maße Obdachlose. 2. Wie viele wohnungslose Menschen sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt in der öffentlichen Unterbringung untergebracht (außer Geflüchtete und Asylsuchende)? Drucksache 21/6940 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 a. Wie viele in Hotels? Am Stichtag 5. Dezember 2016 waren insgesamt 218 Personen in Hotels und Pensionen untergebracht. Diese verteilen sich wie folgt: Bezirk Gesamt im Hotel davon unter 18 18 bis unter 25 ab 25 Hamburg-Mitte 47 23 3 21 Altona 39 0* 0* 0* Eimsbüttel 46 21 1 24 Hamburg-Nord 20 7 0 13 Wandsbek 60 30 5 25 Bergedorf 6 3 0 3 Harburg 0 0 0 0 Gesamt 218 84 9 86 * Die Gesamtzahl der untergebrachten Haushalte konnte nicht im Sinne der Tabelle differenziert dargestellt werden. b. Wie viele in den Notunterkünften? 122 Männer waren zum Stichtag 30. November 2016 in der Neustädter Straße (Pik As) untergebracht. In der Frauenübernachtung Hinrichsenstraße waren dies 25 Frauen . c. Wie viele in den Einrichtungen der regulären öffentlichen Unterbringung ? In den Unterkünften der örU von Wohnungslosen waren mit Stichtag 30.11.2016 3.303 wohnungslose Personen verteilt über knapp 100 Unterkünfte untergebracht. Die Sozialdaten für bestimmte Personengruppen (in diesem Fall Wohnungslose) werden nicht regelhaft erhoben. Eine Differenzierung und Einzelauswertung dieser Daten ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. d. Wie viele in eventuellen weiteren Unterbringungsformen? Bitte nach Anzahl, Standort und Stadtteil/Bezirk und nach Männern, Frauen, Kindern, Jungerwachsene bis 25 Jahre aufschlüsseln. Die öffentlich-rechtliche Unterbringung findet nicht in anderen Unterbringungsformen statt. 3. Laut Drs. 21/4788, Frage 3., wurden in den Monaten April und Mai beim Pik As 94 beziehungsweise 39 Menschen abgewiesen, im Frauenzimmer keine. Wie hoch ist die Zahl der Abweisungen für beide Einrichtungen seit Juni, auch schätzungsweise? In der Frauenübernachtung wurde im abgefragten Zeitraum keine Person abgewiesen . Im Pik As ist es im Zeitraum von August bis Oktober zu vereinzelten Abweisungen gekommen. Eine genaue Zahl konnte jedoch in der für die Beantwortung der Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht ermittelt werden. Mit Beginn des Winternotprogramms am 1. November 2016 fand keine Abweisung mehr statt. 4. Wie groß ist nach Einschätzung des Senats der tatsächliche Bedarf an Plätzen für Wohnungslosen in der öffentlichen Unterbringung? Der Bedarf an Plätzen für Wohnungslose in der öffentlichen Unterbringung wird für die Folgemonate analog anhand der vorherigen Ein- und Auszugszahlen der Wohnungslosen geschätzt. Hinzu kommen die unter 2.a. in Hotels und Pensionen untergebrachten Personen und die die Übernachtungsstätten nutzenden Personen. Hieraus ergäbe sich insgesamt zum Stichtag 30.11.2016 ein Bedarf von rund 550 Plätzen. Zum 30. November 2016 befanden sich 3.303 Wohnungslose in der öffentlich-rechtlichen Unterbringung. Im Zeitraum von Januar bis Oktober 2016 stieg die Zahl durch Zuzüge monatlich um durchschnittlich 65 Personen. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/6940 3 5. Welche Hindernisse gibt es nach Ansicht des Senats bei der Vermittlung von Wohnungslosen in der öffentlichen Unterbringung? 6. Hat der Senat eine konkrete Zielvorgabe für den Ausbau der Wohnungslosenplätze in der öffentlichen Unterbringung? Wenn nein, warum nicht? Die Platzzahl wohnungsloser Personen in der örU wird stetig ausgebaut. Darüber hinaus werden die zur Verfügung stehenden Platzkapazitäten vordringlich für Flüchtlinge verwandt, die bereits als Überresidente in den Einrichtungen der Erstaufnahme leben. Hierzu besteht eine gesetzliche Verpflichtung gemäß § 53 AsylVerfG. Im Übrigen siehe Antwort zu 4. 7. Wie viele „Flüchtlingsunterkünfte“, also Folgeunterkünfte für geflüchtete Menschen, existieren? a. Bitte den jeweiligen Standort, Platzzahl, Bauweise (beispielsweise Pavillons, Container) und Errichtungsdatum nennen. b. In wie vielen der jeweiligen Unterkünfte waren geflüchtete und wohnungslose Menschen gemeinsam untergebracht? Grundsätzlich werden im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Unterbringungen nur dort ausschließlich Flüchtlinge untergebracht, in denen dies nach § 246 BauGB explizit vorgesehen ist oder in Unterkünften für die diesbezügliche Vereinbarungen getroffen wurden, zum Beispiel Bürgerverträge. Darüber hinaus kann es zwischenzeitlich Unterkünfte geben, die aufgrund der Belegungsstruktur zwar nur Flüchtlinge ausweisen , aber nicht dauerhaft nur mit dieser Personengruppe belegt werden. Zum Stichtag 30. November 2016 sind folgende Unterkünfte nur mit Flüchtlingen belegt: Name Plätze Gesamt Belegung Bauweise Belegungsstart Luruper Hauptstraße * 912 610 Cont.-Geb. gr. 26.05.2016 Neuenfelder Fährdeich 308 290 Cont.-Geb. kl. 25.04.2016 Friesenstraße 14 474 472 Modulhäuser, gr. 12.05.2016 Weddestraße 120 272 BG/Schule 29.06.2015 Weddestraße 168 Cont.-Geb. kl. 21.12.2015 Rodenbeker Straße 364 361 Modulhäuser kl. 17.02.2016 Weidenbaumsweg 242 226 BG/Container 07.09.2015 Eiffestraße 398 („Waterhouse“) 191 181 BG, massiv 02.10.2015 Schlenzigstraße 356 346 Modulhäuser 23.03.2016 Mittlerer Landweg 136 134 Cont.-Geb. kl. 12.11.2015 Niendorf Markt 90 89 Cont.-Geb. kl. 03.11.2015 Kiwittsmoor 590 567 Cont.-Geb. kl.+gr. 15.10.2015 Walddörfer Straße 304 186 Schule/Cont. 14.12.2015 Friesenstraße 22 350 337 BG, massiv 29.06.2016 Friedrich-Frank-Bogen 200 198 Cont.-Geb. gr. 22.12.2014 Auf dem Sülzbrack 256 249 Modulhäuser 14.07.2016 Sophienterrasse 190 188 BG, massiv 27.01.2016 Farmsen 318 312 BG, massiv 01.02.2013 Container Farmsen 28 16 Container 01.02.2014 Lohkoppelweg 38 28 BG, massiv 13.02.2015 WS Transit 216 183 Schiff 26.02.2015 * Die Luruper Hauptstraße wird aufgrund der Vereinbarungen aus dem Bürgervertrag nicht vollständig belegt. c. Wie waren die jeweiligen Standorte ausgelastet beziehungsweise wo und in welchem Ausmaß kam es zu leer stehenden Unterkunftsplätzen und wie erklärt sich eine mögliche Unterauslastung? Drucksache 21/6940 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Nicht voll belegte Unterkünfte sind grundsätzlich durch Fluktuation, Renovierungen, Reparaturmaßnahmen oder Vorbereitungen zur Neubelegung erklärlich. Hierauf basieren im Wesentlichen auch die oben benannten Differenzen von Soll- und Ist- Belegung. Erhebliche Differenzen gibt es bei zwei Unterkünften. Die Walddörferstraße kann deshalb nicht voll belegt werden, weil dort eine Sanierung des Festbaues/Schule noch nicht abgeschlossen ist. d. Wie hoch sind die laufenden Kosten, die unabhängig von der Auslastung monatlich entstehen? Für eine vollständige Refinanzierung der Betriebskosten der Unterkünfte ist eine 98-prozentige Auslastung erforderlich. Die laufenden Kosten für den Betrieb der Unterkünfte ermitteln sich aus dem Kostensatz pro Person und Tag. Dieser beläuft sich derzeit (Vereinbarung vom 27.10.2016) wie folgt: Angemietete Unterkünfte Unterkünfte im Eigentum Basiskostensatz 12,71 € 6,04 € Leistungskostensatz 1,97 € 1,97 € Gesamt 14,68 € 8,01 € e. Welche Verträge im Zusammenhang mit der Unterhaltung der Folgeunterkünfte, beispielsweise zur Containeranmietung, bestehen ? Bitte finanziellen Umfang, Vertragslaufzeit et cetera angeben. Siehe Drs. 21/6814 und 21/6839. 8. Laut Presseberichten kam es im Falle der Sophienterrasse in Harvestehude , aber auch am Björnsonweg in Blankenese zu einer Art von Einigung oder Übereinkunft in den Verhandlungen mit Anwohnern/-innen, keine Wohnungslosen in den dortigen errichteten oder geplanten öffentlichen Unterbringungen aufzunehmen. a. Wie kam es dazu? Bitte den Hergang der Verhandlungen, die Art der Übereinkunft und eventuelle Bürgerverträge mit entsprechendem Passus beschreiben. Zur öffentlich-rechtlichen Unterkunft an der Sophienterrasse gibt es eine Nachbarschaftsvereinbarung , in der vereinbart wurde, dass die Unterkunft ausschließlich der Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden dienen soll. Diese Regelung wurde 2015 aufgrund der hohen Dringlichkeit der Schaffung von Unterkunftsplätzen für diese Personengruppe abgeschlossen und schuf die Voraussetzung für eine zeitnahe Umsetzung des Vorhabens. Die Unterkunft Björnsonweg wurde nach § 246 BauGB genehmigt. Diese Vorschrift enthält nur Sonderregelungen für Flüchtlingsunterkünfte, sodass in den auf Grundlage von § 246 BauGB genehmigten Unterkünften keine Wohnungslosen untergebracht werden können. Eine gesonderte diesbezügliche Vereinbarung mit Anwohnern existiert nicht. b. Gibt es weitere Fälle, in denen ähnlich Zugeständnisse seitens des Senats gemacht wurden? Bitte mit Stadtteil, Vertragspartner, Datum näher beschreiben und eventuelle Bürgerverträge mit entsprechendem Passus auflisten. Zugeständnisse in Form eines Bürgervertrages wurden für die Unterkunft Suurheid/ Sieversstücken in Rissen gemacht. Der Bürgervertrag wurde am 19.07.2016 zwischen dem Senat, der Bürgerinitiative „VIN Rissen, Vorrang für Integration und Nachhaltigkeit “ und dem Bezirksamt Altona geschlossen. Nach Ziffer 6 Absatz 2. des Bürgervertrages erfolgt die öffentlich-rechtliche Unterbringung am Standort Suurheid/Sieversstücken ausschließlich für Flüchtlinge. 9. Beabsichtigt der Senat den Umbau der großen Erstaufnahmeeinrichtungen in Folgeunterkünfte? Wenn ja, bitte den Stand der Planungen, darunter die anvisierte Platzzahl und künftige Bewohner-/-innengruppen, angeben. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/6940 5 Wenn nein, warum wird dies ausgeschlossen? Siehe Drs. 21/5636. Im Übrigen wird der Albert-Einstein-Ring sukzessive ab 1. Februar 2017 in Betrieb genommen. Insgesamt wird mit 450 Plätzen für Flüchtlinge oder Asylbegehrende geplant. Die Kapazität des Standortes Lise-Meitner-Park soll dann entsprechend des Bürgervertrags Lurup, Osdorf, Bahrenfeld zu diesem Zeitpunkt auf 456 reduziert werden. Für die Erstaufnahmeeinrichtung am Karl-Arnold-Ring 11 sind die Planungen noch nicht abgeschlossen.