BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/7167 21. Wahlperiode 13.12.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Inge Hannemann (DIE LINKE) vom 05.12.16 und Antwort des Senats Betr.: Führen aufgerechnete Sanktionen bei Meldeversäumnissen nach § 32 SGB II bei Jobcenter t.a.h. zur vollständigen Kürzung der Regelleistung ? Meldeversäumnisse beim Jobcenter werden nach §32 SGB II mit jeweils 10 Prozent sanktioniert. Es kann vorkommen, dass die Jobcenter kurz aufeinanderfolgende Termine vergeben, sodass in einem Zeitraum von einem Vierteljahr zehn Termine nicht selten sind. Auch kann es vorkommen, dass diese Termine nicht wahrgenommen werden und Sanktionen anschließend kumuliert werden. Damit ist die Gefahr gegeben, dass Sanktionen in Höhe von 100 Prozent ausgesprochen werden, wenn Meldeversäumnisse aufgerechnet werden. Nach einem BSG-Urteil (B 14 AS 19/14R) vom 29. April 2015 ist es unzulässig, dass Jobcenter innerhalb kurzer Zeit serienweise gleichlautende Meldeaufforderungen erlassen, um dann bei Nichtwahrnehmung fortlaufend aufrechnend wegen Meldeversäumnissen zu sanktionieren. Weiterhin deckelt mit diesem Urteil das BSG die Sanktionsfähigkeit auf drei hintereinander gleichlautende Meldeaufforderungen, die seitens der/des Leistungsberechtigten nicht wahrgenommen wurden. Auch wenn eine „Einladungsdichte “ zwar nicht grundsätzlich rechtswidrig ist, so ist jedoch zu beachten, dass eine Meldeaufforderung und ihre Ausgestaltung im Ermessen des Jobcenters stehen. Demnach verfehlen mehr als drei gleichlautende aufeinanderfolgende Meldeaufforderungen das Prinzip des Förderns. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen teilweise auf Grundlage von Auskünften von Jobcenter team.arbeit.hamburg (Jobcenter) und der Agentur für Arbeit Hamburg (Agentur) wie folgt: 1. Ist das benannte Urteil des BSG (B 14 AS 19/14R) Jobcenter t.a.h. bekannt? Wenn ja, wie beurteilt Jobcenter t.a.h. dieses? Wenn nein, warum nicht? Ja. Soweit höchstrichterliche Rechtsprechung Einfluss auf die Vorgaben für die Beschäftigten von Jobcenter hat, wird dies durch Änderungen der Weisungen durch den jeweils zuständigen Träger berücksichtigt. 2. Ist das Urteil des BSG (B 14 AS 19/14R) im Intranet bei Jobcenter t.a.h. hinterlegt? Wenn ja, seit wann? Wenn nein, warum nicht? Drucksache 21/7167 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 3. Ist das Urteil des BSG (B 14 AS 19/14R) im Intranet der Bundesagentur für Arbeit hinterlegt? Wenn ja, seit wann? Wenn nein, warum nicht? Alle Beschäftigten von Jobcenter und der Agentur haben die Möglichkeit, Entscheidungen des Bundessozialgerichts über die Verknüpfung http://www.bsg.bund.de/DE/ Home/home_node.html im Intranet der Bundesagentur für Arbeit einzusehen. 4. Wurden die Mitarbeiter/-innen bei Jobcenter t.a.h. entsprechend auf das benannte Urteil hingewiesen? Wenn ja, seit wann und wie? Wenn nein, warum nicht? Der Geschäftsbereich IV – Recht – von Jobcenter hat die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der fachlichen Dienstbesprechung „Markt und Integration“ am 5. Juni 2015 auf die Entscheidung hingewiesen. 5. Gibt es bei Jobcenter t.a.h. eine Gegenkontrolle beim Erlass einer Sanktionsverfügung ? Wenn ja, durch wen und wie ist der Ablauf? Wenn nein, warum nicht? 6. Gibt es bei Jobcenter t.a.h. eine Gegenkontrolle, wenn Sanktionen nach §§ 31, 32 SGB II durch die Integrationsfachkraft wieder aufgehoben werden? Wenn ja, durch wen und wie ist der Ablauf? Siehe hierzu die Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu § 31, 31a, 31b Sanktionen bei Pflichtverletzungen unter dem Link: https://www3.arbeitsagentur.de/web/wcm/idc/groups/public/documents/webdatei/mda w/mdmw/~edisp/l6019022dstbai377967.pdf?_ba.sid=L6019022DSTBAI377970. Darüber hinaus erfolgt eine Regelung über die Arbeitsanleitung von Jobcenter zum „Verfahren bei der Umsetzung von Sanktionen“. Diese ist auf der Webseite von Jobcenter gemäß § 11 des Informationsfreiheitsgesetzes unter dem Link: http:// www.team-arbeit-hamburg.de/site/weisungen/ veröffentlicht. 7. In welchem Zeitraum erhalten Leistungsberechtigte nach dem SGB II bei Aufhebung einer Sanktion nach §§ 31,32 das zurückbehaltene Geld zurück? Die Auszahlung der einbehaltenen Leistungen erfolgt nach Bekanntwerden der Rücknahme der Sanktion. Gemäß der Arbeitsanleitung zum „Verfahren bei der Umsetzung von Sanktionen“ gelten Sanktionen als Eilsache. 8. Wie viele Sanktionen nach § 32 SGB II hat Jobcenter t.a.h. seit 2015 bis heute erteilt? Bitte monatlich tabellarisch auflisten nach jeweiligen Standorten und auflisten nach: a. mindestens eine Sanktion, b. mindestens zwei Sanktionen, c. drei Sanktionen, d. > drei Sanktionen sowie in absoluten Zahlen, in Prozentzahlen und getrennt nach Altersund Personengruppen auflisten. 9. In wie vielen Fällen wurden Leistungskürzungen nach § 32 SGB II im Jahr 2015 und bis heute (in absoluten, Prozentzahlen, Alters- und Per- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/7167 3 sonengruppen) jeweils wieder zurückgenommen und was war der Anlass hierfür? Es erfolgt durch den Statistik-Service der Bundesagentur für Arbeit keine Auswertung im Sinne der Fragestellung. Im Übrigen siehe hierzu die öffentlich zugänglichen Auswertungen des Statistik-Service der Bundesagentur für Arbeit zu „Sanktionen“ unter dem Link: https://statistik.arbeitsagentur.de/Navigation/Statistik/Statistik-nach- Themen/Grundsicherung-fuer-Arbeitsuchende-SGBII/Sanktionen-Widersprueche- Klagen/Sanktionen-Widersprueche-Klagen-Nav.html. 10. Welche Auffassung vertritt der Senat, wenn durch aufgerechnete Sanktionen jeweils nach § 31, § 32 und im Mischverhältnis das soziokulturelle Existenzminimum unterschritten wird? 11. Welche Auffassung vertritt der Senat, wenn durch aufgerechnete Sanktionen jeweils nach § 31, § 32 und im Mischverhältnis das physische Existenzminimum unterschritten wird? Siehe BR.-Drs. 66/16. Im Übrigen hat sich der Senat nicht befasst.