BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/7173 21. Wahlperiode 13.12.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Franziska Grunwaldt und Karin Prien (CDU) vom 06.12.16 und Antwort des Senats Betr.: Ehrenamtliche Obdachlosenhilfe in der Hamburger Innenstadt – Welche Unterstützung und Wertschätzung erfährt sie vom Senat? Im Hamburger Innenstadtbereich leben viele obdachlose Menschen. Deshalb unterstützen Woche für Woche Ehrenamtliche genau diese Menschen mit Essen, Kleidung und medizinischer Erstversorgung. Medienberichten zufolge soll ihnen nun diese Arbeit vom Bezirksamt Hamburg-Mitte ab dem Jahr 2017 untersagt werden. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Bürgerschaftliches Engagement für die Obdachlosenhilfe ist für ein demokratisches Gemeinwesen unentbehrlich. Dabei kann privates Engagement weder staatlich verordnet werden noch die Rechte und Pflichten des Staates wahrnehmen. Staatliche und bürgerschaftliche Initiative können sich daher nicht ersetzen, aber bestens ergänzen . Die meisten Angebote, die jenseits der gesetzlichen und/oder staatlich finanzierten Hilfe liegen, könnten ohne die ehrenamtlichen Helfer nicht funktionieren. Der Senat begrüßt und fördert das ehrenamtliche Engagement. Er hat dies zum Anlass genommen, am 11. April 2016 zu einem Senatsempfang ins Rathaus einzuladen, um den ehrenamtlichen und hauptamtlichen Beschäftigten aus dem Bereich der Obdachlosenhilfe für Ihr Engagement zu danken. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie hoch ist die Anzahl der in Hamburg lebenden Obdachlosen im Innenstadtbereich? Siehe Drs. 20/11814. 2. Stehen den obdachlosen Menschen in Hamburgs Innenstadt mobile Beratungsangebote zur Verfügung? Wenn ja, welche und wie oft finden sie durch wie viele Mitarbeiter statt? Wenn nein, warum nicht? 3. Welche Hilfsangebote stehen den obdachlosen Menschen im Hamburger Innenstadtbereich an den Wochenenden zur Verfügung? Bitte nach Standort und Öffnungszeiten auflisten. Im Innenstadtbereich halten sich obdachlose Menschen mit besonderen und oftmals multiplen Problemlagen auf; neben der Wohnungslosigkeit können dies zum Beispiel Suchtproblematiken, der Ausstieg aus der Prostitution, medizinische Versorgungsangebote oder Hilfen bei prekären Arbeitsverhältnissen sein. In der Regel haben die meisten Einrichtungen von Montag bis Freitag geöffnet. Hamburg hat für diese Menschen ein umfangreiches Hilfesystem eingerichtet, das von einem Großteil der Betroffenen auch angenommen wird. Nicht die Ortsansässigkeit eines Projektes steht Drucksache 21/7173 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 im Vordergrund, sondern die jeweilige Zielgruppe, die entsprechend ihrer Lebenslage Hilfe benötigt. Bezüglich der Angebote siehe auch: http://www.hamburg.de/ obdachlosigkeit/116870/hilfesystem-brosch/. Insofern richten sich die Projekte in der Regel – nicht nur innenstadtbezogen, sondern hamburgweit – an obdachlose Menschen . Vor diesem Hintergrund können in Anbetracht der für die Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit folgende Einrichtungen und Projekte mit Wochenendöffnungszeiten beispielhaft genannt werden: Einrichtung/Projekt Hilfeangebot Standort/Einsatzort Öffnungszeiten am Wochenende Tagesaufenthalt Hinrichsenstraße von Fördern und Wohnen AöR Tagesaufenthalt, warme Getränke, Verweisberatung Hinrichsenstraße 4, 20535 Hamburg Sonnabends und sonntags von 9.30 Uhr bis 16.30 Uhr Bahnhofsmission Eine Teilaufgabe ist die Vermittlung in das Winternotprogramm der Kirchengemeinden an Wochenendtagen sowie die Vermittlung ins Haus Jona. Hauptbahnhof Hamburg 24-stündige Öffnungszeit Haus Jona Vorübergehende Unterbringung für obdachlose Menschen. Repsoldstraße 46, 20097 Hamburg Sonnabends und sonntags ganztägiger Zugang StützPunkt am Hauptbahnhof Beratung, Gepäckschließfächer für obdachlose Menschen. City-Hof Block B, Klosterwall 4, 20095 Hamburg Sonnabends 7 Uhr bis 9 Uhr und 18.30 Uhr bis 20.30 Uhr CaFée mit Herz Versorgung mit Speisen, Getränke und Kleidung. Duschen und ärztliche Versorgung. Seewartenstraße 10, 20459 Hamburg Sonnabends 7 Uhr bis 10 Uhr Pik As Notübernachtungsstätte Vorübergehende Unterbringung von Männer, die "auf der Straße" leben und keine andere Unterkunft haben. Schwerpunktpraxis. Krankenflur. Information und Verweisberatung. Neustädter Straße 31a, 20355 Hamburg Sonnabends und sonntags ganztägiger Zugang Frauenübernachtungsstätte Hinrichsenstraße Vorübergehende Unterbringung von Frauen, die "auf der Straße" leben und keine andere Unterkunft haben. Information und Verweisberatung. Hinrichsenstraße 4a, 20535 Hamburg Sonnabends und sonntags ganztägiger Zugang Winternotprogramm Erfrierungsschutz für obdachlose Menschen mit flankierendem Beratungsangebot Münzstraße 6-9, 20097 Hamburg Sonnabends und sonntags von 17 Uhr bis 9 Uhr Winternotprogramm Schaarsteinweg 14, 20459 Hamburg Straso Off Road Kids Straßensozialarbeit für junge Menschen bis 27 Jahre, die obdachlos sind oder von Obdachlosigkeit bedroht sind. Der Einsatz erfolgt überregional, aber auch innenstadtbezogen. Sitz: Koppel 65, 20099 Hamburg Rund um die Uhr gebührenfreie Notrufnummern Mitternachtsbus Obdachlose Menschen werden in der Innenstadt mit Getränken, Lebensmitteln und warmer Kleidung versorgt. Teilweise auch Verweisberatung. Arbeitseinsatzgebiet ist vorrangig der innerstädtische Bereich. Sitz: Bundesstraße 101, 20144 Hamburg Aufsuchen der „Platten“ sonnabends und sonntags von 19 Uhr bis zirka 24 Uhr Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/7173 3 Einrichtung/Projekt Hilfeangebot Standort/Einsatzort Öffnungszeiten am Wochenende Alimaus Aufenthaltsraum, Essensausgabe, Kleiderausgabe, Beratung Nobistor 42, 22767 Hamburg Sonnabends 13 Uhr bis 15 Uhr und von Nov. bis April zusätzlich von 18.30 Uhr bis 21 Uhr Für obdachlose Menschen bestehen mobile Angebote auch in der Innenstadt. In der für eine Schriftliche Kleine Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit werden hierzu folgende Erkenntnisse mitgeteilt: Im Rahmen des Projektes Sansa werden EU-Zugewanderte aufgesucht, begleitet und in das soziale Hilfesystem vermittelt. Obdachlose im Winternotprogramm werden dienstags und mittwochs für jeweils 1,5 Stunden aufgesucht. EU-Zugewanderte werden auch im Projekt Social Bridge beraten, begleitet, teils mit ehrenamtlicher Alltagsbegleitung , und vermittelt. Für die Projekte Sansa und Social Bridge stehen insgeamt 5,2 Stellen aus EHAP1-Mitteln zur Verfügung. Das Projekt Mitternachtsbus wird von zwei Projektleiterinnen koordiniert. Der Mitternachtsbus ist 365 Tage im Jahr im Einsatz. Im Übrigen siehe vorherige Tabelle und Antwort zu 8. Das Diakonie-Zentrum für Wohnungslose bietet aufsuchende Sozialarbeit für Wohnungslose montags bis freitags in der Hamburger City an. Im Rahmen der Straßensozialarbeit erfolgt die aufsuchende Arbeit und Kontaktaufnahme an den Orten, an denen sich die Personengruppen gewöhnlich aufhalten. Hierfür werden zwei Straßensozialarbeiter eingesetzt. Das Krankenmobil und das Zahnmobil des Caritasverbands für Hamburg e.V. sind auf den Straßen Hamburgs unterwegs, um kranken und obdachlosen Menschen eine ambulante medizinisch-pflegerische Versorgung anzubieten. Standorte in der Innenstadt werden angefahren. Zu den Tourenplänen siehe http://www.caritashamburg .de/14726.html. Das Krankenmobil verfügt über eine Festangestellte sowie zwölf ehrenamtliche Ärzte. Das Team des Zahnmobils besteht aus einer Zahnarzthelferin , einem Fahrer des Fahrzeuges sowie aus zahlreichen ehrenamtlichen Zahnärztinnen und -ärzten. Darüber hinaus steht Schwester Petra des Caritasverbands für Hamburg e.V. jeden Vormittag und jeden Nachmittag auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz in der Hamburger Innenstadt. Sie verteilt selbst geschmierte Brote und schenkt Tee und Kaffee an Obdachlose aus. Sie ist für die Menschen in der City häufig die erste Ansprechpartnerin und baut so eine wichtige Brücke zum bestehenden Hilfesystem. 4. Hat der Senat Maßnahmen ergriffen, um speziell die Situation der Menschen im Hamburger Innenstadtbereich zu verbessern? Wenn ja, welche? Wenn ja, warum nicht? 5. Wurden sanitäre und hygienische Maßnahmen zur Verbesserung der Situation der Obdachlosen im Hamburger Innenstadtbereich ergriffen? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Ja. Siehe Antworten zu 2. und 3. Im Übrigen siehe Drs. 21/6678. 6. Ist dem Senat ein Anstieg an Infektionskrankheiten bei den in der Innenstadt lebenden Obdachlosen bekannt? 1 EHAP: Europäischer Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen in Deutschland (EHAP). Drucksache 21/7173 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Wenn ja, welche und wie hoch ist der Anstieg? Was tut der Senat, um den Anstieg einzudämmen? Nein, der für Gesundheit zuständigen Behörde liegen keine Informationen über Infektionskrankheiten bei Obdachlosen in der Innenstadt vor. 7. Haben Obdachlose an den Wochenenden Zugang zur medizinischen Versorgung außerhalb des Regelsystems? Wenn ja, welche Angebote gibt es wann und wo (bitte einzeln nach Standort auflisten)? Wenn nein, warum nicht? Die Angebote zur medizinischen Versorgung außerhalb des Regelsystems werden, wie auch die Regelversorgung in Arztpraxen et cetera, in der Woche angeboten. Für die medizinische Notfallversorgung an Wochenenden stehen allen gesundheitlichen Notfällen die Hamburger Krankenhäuser und Notfallpraxen zur Verfügung. 8. Welche Organisationen engagieren sich mit jeweils wie vielen Helferinnen und Helfern im Rahmen der Obdachlosenhilfe im Hamburger Innenstadtbereich ehrenamtlich? Erhalten diese jeweils Zuwendungen vonseiten der Freien und Hansestadt Hamburg? Wenn ja, in welcher Höhe (bitte nach Einzelplan und Produktgruppe auflisten )? Sind Zuwendungen im Doppelhaushalt 2017/2018 vorgesehen? Folgende Organisationen, die sich ehrenamtlich engagieren, sind den zuständigen Behörden bekannt: Der Mitternachtsbus des Diakoniezentrums für Wohnungslose fährt jeden Abend zu den Schlafplätzen der Obdachlosen in die Innenstadt und zu den innenstadtnahen Gebieten. Nach Angaben des Diakoniezentrums gibt es rund 140 ehrenamtliche Helfer . Der Mitternachtsbus wird zu 100 Prozent aus Spenden finanziert. Im innerstädtischen Bereich befinden sich die Standorte des Winternotprogramms für Obdachlose Münzstraße und Schaarsteinweg sowie die Übernachtungsstätte für Obdachlose Pik As. In den zuerst genannten Einrichtungen ist der Förderverein Winternotprogramm für Obdachlose e.V. mit einem Pool von rund 160 Ehrenamtlichen aktiv, im Pik As der Förderverein Pik AS e.V. ohne nähere Angaben zur Anzahl der Ehrenamtlichen. Zusätzlich sind nach Schätzungen des Betreibers f & w fördern und Wohnen AöR (f & w) rund 60 bis 70 Ehrenamtliche mit unterschiedlichen Einsatzzeiten vor Ort. Diese übernehmen Tätigkeiten wie zum Beispiel in der Kleiderkammer und beim Dolmetschen. Beide Vereine finanzieren sich aus Spenden. Zum Krankenmobil und zum Zahnmobil sowie Schwester Petra, siehe Antworten zu 2. und 3. Das Krankenmobil wird im Rahmen eines Vertrages abgerechnet. Die Kosten hierzu werden in der Produktgruppe 253.03 des Einzelplans 4 verbucht. Mittel hierfür sind auch im Doppelhaushalt 2017/2018 eingestellt. Das aus Spendenmitteln finanzierte CaFée mit Herz wird von rund 40 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern unterstützt. In der Alimaus arbeiten circa 200 ehrenamtliche Kräfte. Die Einrichtung arbeitet ohne öffentliche Gelder. Der Tagesaufenthalt Die Mission wird ausschließlich durch Ehrenamtliche betrieben. Hier arbeiten derzeit elf Personen. Das Projekt erhält jährlich eine Zuwendung von 6.900 Euro. Die Zuwendung ist auch im Doppelhaushalt 2017/2018 eingeplant. 9. Sind die Ehrenamtlichen der Obdachlosenhilfe im Hamburger Innenstadtbereich in die Arbeit des Senats eingebunden? Wenn ja, in welcher Form? Wenn nein, warum nicht? Ist ein regelmäßiger Austausch mit den Ehrenamtlichen geplant? Wenn ja, ab wann und in welcher Form? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/7173 5 Wenn nein, warum nicht? Einrichtungen, die vom Ehrenamt getragen werden, legen in der Regel Wert auf ihre Eigenständigkeit und Unabhängigkeit von staatlichen Einflüssen. Die zuständige Behörde pflegt üblicherweise Gesprächskontakte zu sozialen Hilfeeinrichtungen, insbesondere zu den hauptamtlichen Leitungskräften. Im Bedarfsfall kann hierüber ein Austausch beziehungsweise Gespräch zum Ehrenamt erfolgen. Der Förderverein Winternotprogramm für Obdachlose e.V. und der Förderverein Pik AS e.V. arbeiten eigenständig. Vor Ort findet ein regelmäßiger Austausch zwischen Ehrenamtlichen und Mitarbeitern von f & w statt. Den Ehrenamtlichen steht ein fester Ansprechpartner bei f & w zur Verfügung, die Ehrenamtlichen werden über aktuelle Entwicklungen und Situationen in Kenntnis gesetzt, und es erfolgen Absprachen über die tägliche ehrenamtliche Arbeit. Insofern sind die Ehrenamtlichen organisatorisch eingebunden. An den Treffen des Fördervereins Pik As nimmt die Geschäftsbereichsleitung von f & w regelmäßig teil. Im Winternotprogramm haben die Ehrenamtlichen grundsätzlich die Möglichkeit, an den Dienstbesprechungen teilzunehmen. Ferner waren sie auch an einem Konzepttag im Vorfeld des WNP beteiligt. Am jährlichen Vorbereitungstreffen (vom Förderverein organisiert) nehmen Bereichs- und Teamleitungen des WNP teil. Die Freiwilligenarbeit wird im Übrigen bei f & w sehr wertgeschätzt . Eine besondere Würdigung der ehrenamtlichen Arbeit erfährt die Freiwilligenarbeit bei einer jährlich stattfindenden „Dankeschön-Veranstaltung“ von f & w. Der Mitternachtsbus verfügt über zwei hauptamtliche Projektleiterinnen. Bei Bedarf erfolgt die Kommunikation telefonisch oder persönlich mit den Projektleiterinnen und mit dem Leiter des Diakoniezentrums für Wohnungslose. Im Rahmen des WNP unterhalten einige Kirchengemeinden innenstadtnahe Standorte für Wohncontainer. Die in den Gemeinden aufgestellten Container werden vorwiegend von Gemeindemitgliedern ehrenamtlich betreut. Die zuständige Behörde, das Diakoniezentrum für Wohnungslose und Gemeindemitglieder führen Gespräche. Dazu werden regelmäßig jährlich zwei Veranstaltungen mit einem Erfahrungsaustausch durchgeführt . Eine genaue Anzahl der Ehrenamtlichen ist nicht bekannt. 10. Ist es zutreffend, dass das Bezirksamt Hamburg Mitte im Jahr 2017 die ehrenamtliche Arbeit der Obdachlosenhilfe im Innenstadtbereich untersagen will? Wenn ja, mit welcher Begründung? Wann wurde der Antrag von wem gestellt? Nein. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 11. Welche Bedeutung misst der Senat der ehrenamtlichen Obdachlosenhilfe im Hamburger Innenstadtbereich bei? Siehe Vorbemerkung.