BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/7252 21. Wahlperiode 20.12.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 13.12.16 und Antwort des Senats Betr.: Abschiebungen nach Afghanistan (III) Die Sicherheitslage in Afghanistan ist katastrophal und wird sich absehbar nicht bessern, das haben die Entwicklungen der vergangenen Monate und zuletzt der Angriff auf das deutsche Generalkonsulat im ehemaligen Bundeswehrstützpunkt Mazar-i-Sharif gezeigt. Nichtsdestotrotz forciert die Bundesregierung seit einiger Zeit Abschiebungen nach Afghanistan. Die Europäische Union schloss ein Rückübernahmeabkommen mit der afghanischen Regierung; im Gegenzug wurden Afghanistan fast 14 Milliarden Euro „Finanzhilfen“ versprochen. Seit einigen Wochen werden Sammelabschiebungen aus Deutschland angekündigt . Der Druck auf die Betroffenen, einer „freiwilligen Ausreise“ zuzustimmen , wird erhöht. In der Innenministerkonferenz Ende November 2016 ist verabredet worden, dass das BMI in Abstimmung mit der Internationalen Organisation für Migration (IOM) und dem Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) eine neue Einschätzung der Sicherheitslage in Afghanistan liefern soll. Weil dies bisher nicht erfolgt ist, sieht zum Beispiel der Innenminister Schleswig-Holsteins bisher von Abschiebungen nach Afghanistan ab (Stand 8.12.2016). Gut unterrichtete Kreise behaupten nun, dass für den 15.12.2016 eine Sammel -Charta-Abschiebung, Abflugort Baden-Württemberg, geplant sei. Neben Baden-Württemberg sei besonders die Hamburger Ausländerbehörde sehr aktiv dabei, Plätze in der Maschine zu belegen. Die Freie und Hansestadt Hamburg habe mindestens zehn Plätze des Charterflugs reserviert. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie viele afghanische Staatsangehörige sind seit Anfang Oktober 2016 „freiwillig“ ausgereist? In welche Länder jeweils? Neun Personen sind freiwillig ausgereist. In der Regel reisen diese Personen in ihr Heimatland. 2. Vor dem Hintergrund, dass die neue Einschätzung der Sicherheitslage in Afghanistan durch das BMI noch nicht vorliegt, hält der Senat trotzdem daran fest, aktuell Menschen nach Afghanistan abzuschieben? Bitte begründen. 3. Hat der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde Kenntnis von der mit Stand 9. Dezember 2016 nochmals aktualisierten umfangreichen Drucksache 21/7252 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Erkenntnissammlung zur Lage in Afghanistan (http://www.frsh.de/ fileadmin/pdf/Aktuelles/sicherheit-afghanistan3-161209.pdf)? Wenn ja, bitte begründen, warum der Senat trotz der Erkenntnislage abschieben will. Wenn nein, warum nicht? Die in Bezug genommene Erkenntnissammlung ist der zuständigen Behörde bekannt. Gleichwohl ist die Ausländerbehörde gemäß § 58 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) bundesgesetzlich gehalten, gegenüber vollziehbar ausreisepflichtigen Personen die Ausreisepflicht durchzusetzen, wenn sie trotz Beratungs- und Hilfsangeboten nicht freiwillig ausreisen. Dieses betrifft afghanische Staatsangehörige ebenso wie Angehörige anderer Staaten. Im Rahmen der aktuell am 14. Dezember 2016 durchgeführten Sammelrückführung wurden aus Hamburger Zuständigkeit ausschließlich afghanische Staatsangehörige zurückgeführt, welche vollziehbar ausreisepflichtig waren und für welche seitens des für diese Prüfung zuständigen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) keine Gründe festgestellt wurden, wonach diesen Personen hätte Schutz nach dem Asylgesetz gewährt werden oder wegen gegebener Abschiebungsverbote von einer Rückführung hätte abgesehen werden müssen. An die Entscheidung des zuständigen Bundesamtes oder gegebenenfalls des Verwaltungsgerichts ist die Ausländerbehörde gebunden, siehe §§ 6, 42 Asylgesetz. Das BAMF sowie im Falle ihrer Anrufung die Verwaltungsgerichte prüfen den asylrechtlichen Schutzstatus auf Grundlage der auch über die Sicherheitslage im Herkunftsland verfügbaren Informationen . Die Ausländerbehörde prüft im Rahmen des Vollzugs der Ausreisepflicht die Voraussetzungen der §§ 58 folgende AufenthG sorgsam und einzelfallbezogen. 4. Inwiefern ist die Information, dass die Hamburger Ausländerbehörde sich besonders für eine Sammelabschiebung nach Afghanistan eingesetzt hat, richtig? Bitte begründen. Diese Information trifft nicht zu. 5. In welchem Umfang (Plätze, Kosten und Amtshilfe) plante die Freie und Hansestadt Hamburg an der Sammelabschiebung beteiligt zu sein? Bitte detailliert darlegen. Hamburg wurden vom Bund 14 Plätze zur Verfügung gestellt. Die Kosten können erst nach Abschluss der Maßnahme festgestellt werden. Dies erfolgt durch den Bund, der die entstandenen Kosten an die beteiligten Länder umlegt. 6. Waren afghanische Staatsangehörige aus Hamburg unter den Betroffenen der oben genannten Sammelabschiebung? Wenn ja, a. wie viele? Sieben Personen. b. welchen Geschlechts und welchen Alters? Alle waren männlichen Geschlechtes, drei Personen waren 21 Jahre alt, eine Person 24 Jahre, eine Person 30 Jahre, eine Person 40 Jahre und eine Person 57 Jahre alt. c. was waren Abflug- und Zielort? Es handelte sich um einen Flug von Frankfurt am Main nach Kabul/Afghanistan. d. bei wie vielen von ihnen war ein Asylfolgeantrag noch nicht beschieden? Eine Beantwortung ist der zuständigen Behörde nicht möglich, da Asylfolgeanträge beim BAMF eingehen und dort bearbeitet werden. 7. Hat die Freie und Hansestadt Hamburg seit dem 1. Oktober 2016 weitere Abschiebungen afghanischer Geflüchteter durchgeführt? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/7252 3 Nein. Wenn ja, a. wie viele? b. wohin? c. welchen Geschlechts und welchen Alters waren die Betroffenen? Entfällt. 8. Wie viele Menschen afghanischer Staatsangehörigkeit waren in welcher Abschiebehaftanstalt oder im Abschiebegewahrsam? Es befanden sich fünf Personen in Abschiebehaft. Die Abschiebehaft wurde in der Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige Büren vollzogen. a. Von wann bis wann jeweils und mit welcher Begründung? Zeitraum Rechtliche Grundlage Person 1 06. – 14.12.2016 § 62 Abs. 3 AufenthG Person 2 09. – 14.12.2016 § 62 Abs. 3 AufenthG Person 3 12. – 14.12.2016 § 62 Abs. 3 AufenthG Person 4 09. – 14.12.2016 § 62 Abs. 3 AufenthG Person 5 12. – 14.12.2016 § 62 Abs. 3 AufenthG Im Übrigen siehe Antwort zu 2. und 3. b. Wie viele von ihnen wurden direkt in der Hamburgischen Ausländerbehörde inhaftiert? Es wurden keine Personen in der Ausländerbehörde inhaftiert. Im Dienstgebäude der Ausländerbehörde wurden fünf Personen vorläufig in Gewahrsam genommen. c. Bei wie vielen von ihnen lag die richterliche Entscheidung über die Abschiebehaft nicht vor der Inhaftnahme vor? Bei vier Personen lag vor der Ingewahrsamnahme keine richterliche Entscheidung vor. Diese wurden nach dem AufenthG vorläufig in Gewahrsam genommen und dem Amtsgericht Hamburg zum Zwecke der Beantragung von Abschiebehaft zugeführt und vorgestellt. Bei einer Person lag ein richterlicher Beschluss über die einstweilige Freiheitsentziehung vor. d. Bei wie vielen war der Beistand nicht bei der Inhaftnahme zugegen, eingeladen oder vorab informiert? Das ist nicht bekannt. Geben die Betroffenen an, anwaltlich vertreten zu sein, wird der oder die Rechtsanwalt/-anwältin über das Amtsgericht Hamburg informiert. 9. Plant der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde, konkret (weitere ) Abschiebemaßnahmen nach Afghanistan durchzuführen? Wenn ja, a. für wann? b. handelt es sich um eine Chartermaßnahme? c. sollen sie im Verbund mit weiteren Ländern durchgeführt werden? Wenn ja, mit welchen? d. wohin genau soll der Flug gehen? e. wie viele „Plätze“ hat Hamburg gebucht? f. von welchem Flughafen aus werden sie durchgeführt werden? g. sollen auch Familien mit Kindern, besonders Schutzbedürftige und/ oder alleinreisende Frauen abgeschoben werden? Drucksache 21/7252 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Weitere Rückführungen sind abhängig von einem Vorliegen der Voraussetzungen einer vollziehbaren Ausreisepflicht. Die Überlegungen zu darauf bezogenen konkreten Maßnahmen sind noch nicht abgeschlossen.