BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/7312 21. Wahlperiode 27.12.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Alexander Wolf (AfD) vom 21.12.16 und Antwort des Senats Betr.: Politische Indoktrination an Hamburger Schulen (VIII) – Videoaufzeichnung zu Anti-AfD-Schulung aufgetaucht Am 04.10.2016 fand in der Zeit von 18.30 – 20.30 Uhr im Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung („LI“) im Weidenstieg 29 (Raum: Aula) eine für Lehrkräfte anerkannte Fortbildungsveranstaltung unter folgendem Titel statt: „Gefährliche Bürger – Wie die neue Rechte in die gesellschaftliche Mitte vorstößt – und was die Gesellschaft dagegen tun kann.“1 Unterstützt wurde die Veranstaltung von der Hamburgischen Regenbogenstiftung und der Deutschen Gesellschaft für Demokratiepädagogik e.V. (DeGeDe). Zu der Veranstaltung ist nun eine Videoaufzeichnung aufgetaucht, die unter der Facebook-Seite des Referenten Christoph Giesa veröffentlicht wurde.2 Die Videoaufzeichnung belegt die Aussagen mehrerer Teilnehmer, nach denen in der Veranstaltung offensiv und einseitig gegen die Partei AfD agitiert wurde. Auch die Einbettung der Aussagen in den jeweiligen Redekontext unterstreicht den Inhalt der Agitationen. In der Anlage zu dieser Schriftlichen Kleinen Anfrage sind die betreffenden Zitate des Referenten Christoph Giesa und des Mitarbeiters des Landesinstitutes für Lehrerbildung und Schulentwicklung , xxxxxxxxxxxx, dokumentiert. Die einseitigen und offensiven Agitationen gegen die Partei AfD, der Mangel an Kontroversität bei der Darstellung des Themas, der Buchverkauf und die didaktische Beschreibung der Veranstaltung indizieren mehrere Verstöße gegen Gesetze und Verordnungen sowie gegen grundlegende Prinzipien der politischen Bildung. Diese betreffen - das Gebot der politischen Neutralität, - die Geschäftsordnungsbestimmung Nummer 14 der Behörde für Schule und Berufsbildung (1.), - die verpflichtenden Bestimmungen des Beutelsbacher Konsenses, - das politische Mäßigungsgebot von Beamten gemäß Paragraf 33 des Beamtenstatusgesetzes, 1 Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung: Veranstaltungs-Nummer: 1614D3101, siehe auch unter: https://tis.li-hamburg.de/web/guest/catalog/detail?tspi=37715_ (abgerufen am: 05.10.2016). Veranstaltungsflyer unter: http://li.hamburg.de/contentblob/6951332/ a82fcb7f79cc3c47d6ab974084f47dac/data/download-pdf-veranstaltungsreihe-streitbaredemokratie .pdf (abgerufen am: 11.10.2016). 2 https://www.facebook.com/cgoffiziell/videos/597429203762244/ (abgerufen am: 26.11.2016). Drucksache 21/7312 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 - die Chancengleichheit der Parteien (GG und Geschäftsordnungsbestimmung Nummer 14, 2.2). Der indoktrinierende Charakter der Veranstaltung drückt sich auch in einem Beitrag eines Teilnehmers aus, der zum Schluss der Veranstaltung Folgendes äußert: „Mein Gefühl ist, dass das Podium so ein bisschen über das Ziel hinausgeschossen ist. Also, wenn ich jetzt hier rausgehe, dann fühle ich mich tatsächlich gut geschult im Kampf gegen rechte Rattenfänger und fühle, dass mir das Selberdenken in den letzten anderthalb Stunden vollständig abgenommen wurde. Herzlichen Dank dafür! Ich glaube allerdings nicht und ich weiß, dass es unser Bildungsauftrag ist. Wir sind als Politiklehrer gehalten an den Beutelsbacher Konsens, das heißt, die Schüler anzuregen zum Selberdenken , mündige Bürger zu werden. Wir haben Überwältigungsverbot und wir haben auch die Pflicht dazu, unseren Unterricht kontrovers zu gestalten. Dafür, dass das jetzt heute eine Fortbildungsveranstaltung war, hätte ich mir gewünscht, dass tatsächlich hier auch mehr Kontroversität herrscht. Die Veranstaltungsreihe heißt ja auch „Streitbare Demokratie“. Und ich habe hier vermisst, dass differenziert wird, anstatt pauschalisiert. Es wurde hier viel polemisiert, fast schon demagogisch gesprochen. Und das sind alles keine demokratischen Grundwerte, die wir hier alle miteinander teilen. Und ich finde es einfach viel zu verkürzt, wenn man ihre pauschalisierten Zuschreibungen sieht, vor denen sie ja auch gewarnt haben.“ (Videomitschnitt: -08:02 bis -06:05.) Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Äußerungen Einzelner kommentiert der Senat nicht. Die genannten Geschäftsordnungsbestimmungen und die Prinzipien des Beutelsbacher Konsens wurden eingehalten . Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie bewertet der Senat beziehungsweise die Behörde für Schule und Berufsbildung die wörtlich zitierten Aussagen des Referenten Christoph Giesa und des LI-Mitarbeiters xxxxxxxxxxxx (siehe Anlage)? Bitte jeweils umfassend auf die in der Einleitung genannten Rechts- und Ordnungsbestimmungen sowie auf den Beutelsbacher Konsens eingehen . 2. Ein Lehrer aus dem Hamburger Schuldienst moniert den indoktrinären Schulungscharakter der Veranstaltung (siehe Einleitung). Hat es bezogen auf diese Kritik oder in Bezug auf die bereits bekannt gewordenen Vorgänge rund um diese Veranstaltung eine interne Auswertung dieser Veranstaltung in der Behörde für Schule und Berufsbildung gegeben? Wenn nein: warum nicht? Wenn ja: Zu welchen Ergebnissen ist der Senat beziehungsweise die Behörde für Schule und Berufsbildung gekommen? Welche Maßnahmen wurden ergriffen? Die Angebote des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung werden regelhaft intern zur Qualitätssicherung reflektiert. Im Übrigen siehe hierzu Drs. 21/6316, 21/6512 und 21/6832. 3. In der didaktischen Beschreibung für diese Veranstaltung wird die Partei AfD im abwertenden Tonfall als Teil einer (vermeintlich) rechten Bewegung dargestellt, die (angeblich) Minderheiten diskriminiere, (angeblich) Ängste schüre und (angeblich) den Zorn der Bürger auf die Schwächsten der Gesellschaft lenke. Ferner heißt es in der Beschreibung, diesem Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/7312 3 Treiben dürfe man nicht länger zusehen und müsse ihm Einhalt gebieten . Hält der Senat beziehungsweise die Behörde für Schule und Berufsbildung die negative Bewertung einer Partei in der didaktischen Beschreibung einer als Lehrerfortbildung anerkannten Veranstaltung vereinbar mit dem Gebot zur politischen Neutralität und dem Beutelsbacher Konsens ? Wenn nein: Warum wurde die am 04.10.2016 stattgefundene Veranstaltung dann genehmigt? Für die Beschreibung der Veranstaltung wurden Auszüge aus dem Klappentext des Buchs „Gefährliche Bürger“ von Christoph Giesa verwendet. Bei der Veranstaltung handelte es sich um eine Diskussionsveranstaltung. Im Übrigen siehe Drs. 21/6316, Drs. 21/6512 und 21/6832. Drucksache 21/7312 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Anlage Wörtliches Protokoll zu den Aussagen des Referenten Christoph Giesa und des Mitarbeiters der Behörde für Schule und Berufsbildung, xxxxxxxxxxxx. - „Als dann die AfD in drei Bundesländern in Ostdeutschland über zehn Prozent geholt hat, hat`s dann doch Menschen gegeben, die das Buch (Anm.: Buch des Referenten Giesa) haben wollten und sich damit auseinandersetzen wollten aber es war vorher schon zu bemerken, dass da jemand glaubt, jetzt ist seine Zeit gekommen . Und damit steige ich auch direkt ein in einen wichtigen Punkt, den werde ich gleich ausführen. Wir sollten uns eine Sache immer bewusstmachen. Das, was wir gerade erleben, ist keine Reaktion auf irgendetwas. Es gibt zwar Menschen, die leichter ansprechbar sind, zum Beispiel aufgrund der Flüchtlingsproblematik. Aber die Köpfe dieser Bewegung haben sich lange, lange überlegt, wie sie vorgehen wollen, wie sie argumentieren wollen. Sie haben auf Momente gewartet, zu denen es für sie einfacher wird, mit ihren Gedanken in die Mitte der Gesellschaft vorzustoßen. Aber wenn wir auch nur im Ansatz glauben und dass auch teilweise wiederholen, dass das, was wir gerade erleben, eine Reaktion auf die Politik von Angela Merkel ist, eine Reaktion auf die Flüchtlingskrise, dann verharmlosen wir hier einen lange lange vorgeplanten Ansatz, die Demokratie zu unterwandern und auf lange Frist abzuschaffen.“ (Christoph Giesa, Videomitschnitt: -1:30:16 bis - 1:28:44) - „Leute wie Gauland, Höcke, Petry, übrigens auch Herr Lucke und Henkel – die waren bei weitem nicht so harmlos, wie sie heute gerne tun. Die haben uns eine Kriegserklärung ausgesprochen. Diese Leute, die wir gerade erleben, Volksverräter , das ist eine Kriegserklärung an die offene Gesellschaft, gegen alle, wie wir heute hier sitzen, die wollen, die wissen, dass die Leute noch nicht nach ihnen rufen , die wissen, die kriegen noch nicht die absolute Mehrheit im Parlament, um das umzusetzen, was sie machen wollen. Was macht man, wenn man weiß, dass man das noch nicht schafft und weiß, dass `ne gewalttätige Revolution nicht erfolgreich wäre, man tut alles, um das bestehende System zu desavouieren. Um zu destabilisieren , um dann irgendwann gerufen zu werden. Und das, was wir gerade erleben , die Verächtlichmachung von allen Säulen unserer Demokratie. (Christoph Giesa, Videomitschnitt: -1:09:02 bis -1:08:04) - „Das heißt, denen geht es darum (Anm.: Gauland, AfD, die sogenannte „Neue Rechte“) zu zerschlagen, was unsere Gesellschaft ausmacht, denen geht es darum , zu zerschlagen, alles, was irgendwie Ordnung aufrechterhält, was das Miteinander aufrechterhält, um dann, in dem Chaos zeigen zu können, die Demokratie, das wussten wir schon immer, ist ein Schwächling.“ (Christoph Giesa, Videomitschnitt : -1:05:53 bis -1:05:37) - „Und, ich will nur ein Beispiel sagen, im subkulturellen Bereich, die Band Feine Sahne Fischfilet, die haben es geschafft in Mecklenburg-Vorpommern, die haben gesagt im Wahlkampf, eigentlich ist es noch nicht komplett im A… [vulgäres Schimpfwort, dass mit Rücksicht auf den parlamentarischen Sprachgebrauch in dieser SKA nicht zitiert werden darf], wir machen Angebote, wir gehen rein mit Konzerten, wir zeigen, dass wir `ne andere Subkultur haben. Das sind Ansätze, die müsste man stärken.“ (xxxxxxxxxxxx, Videomitschnitt: -44:34 bis -44:16) - „Darf man die AfD eigentlich einladen in Schulen? Sollte man das?“ (Anm.: Frage des Moderators) Antwort von xxxxxxxxxxxx, Behörde für Schule und Berufsbildung : „Wir haben es ja gerade gehört, welches Denken dahintersteht. Ich habe es kategorisch abgelehnt in den 90er Jahren die Republikaner in die Schule einzuladen , weil klar ist, das sind Leute [unverständlich], Schillhuber, das waren Rechtsradikale , die sind von Rechtsradikalen gewählt worden, nicht nur, aber eben auch, und die haben im Diskurs nichts verloren. Also, wir müssen doch `mal klarmachen, was sind das für Leute, die wollen unsere Demokratie abschaffen. Ja, also wer sich das gestern nochmal aufmerksam angeschaut hat. Worum geht es denn, bei dem Begriff, weil sie es vorhin auch nochmal gesagt haben. Der Begriff „Volksverräter “. Was steckt denn da dahinter. Das wurde ja heute dankenswerterweise nochmal im Spiegel aufgedröselt. Der Begriff [unverständlich] Und mit den Volks- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/7312 5 verrätern das war ein Straftatbestand der NS-Zeit, die sind bis in die letzten Kriegstage auf den Bäumen aufgehängt worden. Das heißt, die knüpfen ganz klar an eine Geisteshaltung an, dahinter steht die Ideologie der Ungleichheit. Sie sind der festen Überzeugung, dass es eine Ungleichheit von Menschen gibt. Und mit solchen Leuten, auch in der AfD [unverständlich], auch wenn sie sich tarnen, sie sind der festen Überzeugung, dass es eine Ungleichheit von Menschen gibt, solche Leute haben im Diskurs nichts verloren.“ (xxxxxxxxxxxx, Videomitschnitt: -37:23 bis -35:36) - „Was ich häufig erlebe, dass Kollegen zu mir sagen, naja, Beutelsbacher Konsens, wir müssen kontrovers darstellen, was in der Gesellschaft kontrovers ist, das heißt, muss ich dann auch jenen zu Wort kommen lassen, der sagt, der eine Meinung vertritt, die auf einer Ausgrenzungsideologie basiert, das ist ein falsch verstandenes Verständnis von diesem Beutelsbacher Konsens. Das ist damit nie gemeint gewesen.“ (xxxxxxxxxxxx, Videomitschnitt: -03:55 bis -03:28)