BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/7358 21. Wahlperiode 06.01.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 29.12.16 und Antwort des Senats Betr.: Umgang mit dem „U-Bahn-Lied“ In einer Mail an Polizei, Medien und Parteien teilt der Absender, verbunden mit Fragen an die Adressaten, seine Beobachtung nach dem HSV-Heimspiel am 20.12.16 mit: Auf dem Weg vom Stadion in Richtung S-Bahn-Haltestelle Eidelstedt grölte gegen 22.20 eine circa 20 Personen starke Gruppe das sogenannte U-Bahn-Lied in der Fassung „… von St. Pauli bis …“ (zum „U- Bahn-Lied“ siehe zum Beispiel hier: http://www.gerichtsentscheidungen. berlin-brandenburg.de/jportal/portal/t/279b/bs/10/page/sammlung.psml?pid= Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber= 1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE090029786&doc.part =L&doc.price=0.0#focuspoint). Anwesende Polizeibeamtinnen und -beamte sollen der Schilderung nach nicht eingegriffen haben. Da dieses den Holocaust verharmlosende sogenannte U-Bahn-Lied seit vielen Jahren immer wieder in und um Stadien, nicht zuletzt anlässlich von HSV-Heimspielen, gegrölt wird, kann davon ausgegangen werden, dass es den Einsatzkräften bekannt ist. Bekannt sein müssten bei der Polizei auch Urteile verschiedener Gerichte, die das „Lied“ als strafbare Handlung der Volksverhetzung gemäß § 130 Absatz 3 StGB werteten (zum Beispiel in Cottbus, Frankfurt), wobei im Gegensatz dazu das OLG Rostock die strafrechtliche Relevanz nicht erkennen konnte. Das Original des „Lieds“ („… von Jerusalem bis …“) stammt von der Rechtsrockgruppe „Kommando Freisler“ und ist indiziert. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Inwiefern ist dem Senat beziehungsweise den zuständigen Behörden die Rechtsprechung bezüglich des den Holocaust zumindest verharmlosenden „U-Bahn-Liedes“ bekannt? Den Sicherheitsbehörden sind sechs Gerichtsentscheidungen zum sogenannten U-Bahn-Lied bekannt: Oberlandesgericht (OLG) Rostock 2007, OLG Braunschweig 2007, OLG Hamm 2015, Landgericht (LG) Cottbus 2009, Verwaltungsgericht (VG) Frankfurt 2013, Amtsgericht (AG) Zossen 2016. 2. Aus welchem Grund haben die dem Legalitätsprinzip verpflichteten Polizeikräfte , die die Gruppe begleiteten, beim Absingen des „U-Bahn- Liedes“ nicht eingegriffen? Der in Rede stehende Sachverhalt wurde nach Eingang einer entsprechenden Beschwerde bei der Polizei Hamburg (21. Dezember 2016) umgehend der Dienststelle Interne Ermittlungen übermittelt. Während des laufenden Ermittlungsverfahrens wird von einer Beantwortung der Frage abgesehen. 3. Wurden in Hamburg in den vergangenen drei Jahren, also seit dem 1.1.2014, in Bezug auf das „U-Bahn-Lied“ Verfahren eingeleitet? Drucksache 21/7358 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Wenn ja, mit welchem Ausgang? Die für die Beantwortung der Frage erforderliche Information, ob sich ein Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung auf das Propagieren des sogenannten U-Bahn- Liedes bezieht, wird im Vorgangsverwaltungs- und -bearbeitungssystem MESTA der Staatsanwaltschaft nicht gespeichert. Wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung gemäß § 130 StGB wurde nach einer aktuellen MESTA-Abfrage die nachfolgend genannte Gesamtzahl von Verfahren geführt. 2014 2015 2016 JS-Verfahren (Tatverdächtiger bekannt) 61 123 332 UJS-Verfahren (Strafverfahren gegen unbekannten Täter) 33 58 196 In der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit können die genannten Verfahrensakten nicht ausgewertet werden. Nach Schätzung des zuständigen Abteilungsleiters waren bei der Staatsanwaltschaft in den letzten drei Jahren weniger als zehn derartige Verfahren anhängig. In den Datenbeständen der Polizei Hamburg ist der Begriff U-Bahn-Lied kein formaler Erfassungsbegriff. Die Polizei Hamburg hat der Justiz als Ergebnis einer Schlagwortrecherche in eigenen Datenbeständen für den erfragten Zeitraum zwei Verfahren benannt, die sich konkret auf das sogenannte U-Bahn-Lied bezogen; beide Verfahren sind ausweislich der Eintragung in MESTA gemäß § 170 Absatz 2 StPO eingestellt worden. 4. Welche Rolle spielt die Auseinandersetzung mit diskriminierenden, antisemitischen , rassistischen, fremdenfeindlichen, homophoben oder anderen gruppenbezogen menschenfeindlichen oder extrem rechten Äußerungen , Parolen, Symbolen, Gesängen et cetera im Zusammenhang mit Fußball a. bei der Ausbildung von Polizeibeamtinnen und -beamten, Zu den Inhalten der Ausbildung des Laufbahnabschnitts I sowie zur Fortbildung siehe Drs. 20/13178. Im Bereich der Fortbildung bietet seit Anfang 2016 zusätzlich das Institut für Transkulturelle Kompetenz an der Akademie der Polizei Hamburg (ITK) verschiedene Angebote sowie Beratung und Unterstützung zur Vermittlung von interkulturellem Basiswissen, entsprechenden Handlungsmodellen und Trainings zur Arbeit der Polizei im Kontext der erfragten Phänomene. Die Studierenden der Fachhochschule in der Akademie der Polizei setzen sich im Hauptstudium I in der Lehrveranstaltung Berufsethik in 38 Stunden intensiv mit Fragen der polizeilichen Handlungsethik und mit den Menschenrechten auseinander. Im Modul XI (Ausgewählte Themen der empirischen Polizeiforschung und der Gewaltsoziologie ) wird der Komplex „Racial Profiling“ beziehungsweise „Ethnic Profiling“ behandelt, ebenso wird auch die Thematik Hasskriminalität. Des Weiteren wird in diesem Modul auf die Themen Polizeikultur und „Cop Culture", Diversität und Homogenität sowie Gewalt des Staates und Gewalt gegen den Staat eingegangen. Der Allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz (AGG) findet Erwähnung in den Vorlesungsbereichen „Öffentliches Recht“ und „Eingriffsrecht“. Die Thematik der Gleichbehandlung wird darüber hinaus in der „Einsatz-und Führungslehre“ besprochen. b. in der Vor- oder Nachbereitung von Einsätzen bei Fußballspielen? Vertreter der örtlich zuständigen Polizeikommissariate (PK) 16 und 25 nehmen regelmäßig an Sicherheitsbesprechungen vor Spielen des FC St. Pauli und des Hamburger SV teil. Hier werden Informationen über Fangruppierungen und Verhaltensweisen ausgetauscht und bei Relevanz in Einsatzvorbereitungen einbezogen. Darüber hinaus werden in Einsatznachbereitungen Erfahrungen aus Einsätzen auf ihre Bedeutung für zukünftige Einsatzplanungen geprüft und bei Bedarf umgesetzt. 5. Welche Rolle spielen die Auseinandersetzung mit diskriminierenden, antisemitischen, rassistischen, fremdenfeindlichen, homophoben oder anderen gruppenbezogen menschenfeindlichen und extrem rechten Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/7358 3 Äußerungen, Parolen, Symbolen, Gesängen et cetera im Zusammenhang mit Fußball und Maßnahmen dagegen a. im ÖASS, b. in anderen Kontakten, Besprechungen et cetera zwischen Vereinen und Polizei? Bitte möglicherweise vereinbarte und/oder ergriffene Maßnahmen darstellen . Die erfragten Phänomene sind grundsätzlich sowie anlassbezogen Gegenstand von Erörterungen im ÖASS beziehungsweise in Sicherheitsbesprechungen mit den Vereinen ; dazu gehören auch die Nachbesprechungen zu einzelnen Begegnungen. Regelhaft sind sich alle Beteiligten einig, alles Mögliche zu leisten, um Verhaltensweisen der beschriebenen Art entgegenzuwirken.