BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/7373 21. Wahlperiode 10.01.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Karl-Heinz Warnholz (CDU) vom 02.01.17 und Antwort des Senats Betr.: Einsätze der Hamburger Polizei und Feuerwehr an Silvester 2016/2017 Nach den schrecklichen Erfahrungen durch teilweise gewaltvolle Übergriffe an Silvester 2015/2016 in Köln und im Bereich der Hamburger Reeperbahn hat die Hamburger Polizei angekündigt, diesem Jahreswechsel mit deutlich mehr Einsatzkräften und Vorbereitung zu begegnen. Fraglich ist, zu welchen Vorkommnissen es dennoch gekommen ist. Die Presse berichtet in diesem Zusammenhang von zahlreichen Platzverweisen, Aufenthaltsverboten und Strafanzeigen, aber auch von unzähligen Verletzten und sogar einem Toten. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Für die Beantwortung der Fragen wurde ein Betrachtungszeitraum vom 31. Dezember 2016, 18 Uhr, bis 1. Januar 2017, 06 Uhr, zugrunde gelegt. Die Beantwortung der Fragestellungen erfolgt auf Grundlage der Datenerhebungen der einzelnen Polizeikommissariate (PK)/Wasserschutzpolizeikommissariate (WSPK). Zur Zugehörigkeit der PK zu den jeweiligen Bezirken siehe Drs. 21/4777. Die Einsatzkonzeption der Polizei orientierte sich an den Handlungsempfehlungen aus dem Abschlussbericht der aus Vertretern des Bundes und der Länder bestehenden Projektgruppe zur Aufarbeitung der bundesweiten Ereignisse des Jahreswechsels 2015/2016. Wesentliche Ergebnisse für die Bewältigung entsprechender Einsatzanlässe waren: - Erhöhung der Anzahl uniformierter Präsenzkräfte - Erhöhung der Anzahl Einsatzkräfte in Zivil und Ermittlungsbeamte - Verbesserung der Sichtbarkeit der uniformierten Präsenzkräfte - Einsatz von Videotechnik - Installation von Lichttechnik - Prävention und Verhaltensberatung - Intensivierung der Öffentlichkeitsarbeit Die Polizei Hamburg hat im Rahmen einer Besonderen Aufbauorganisation (BAO) den Schwerpunkt der Einsatzkonzeption auf folgende Örtlichkeiten gelegt: - Hamburg-St. Pauli, Reeperbahn/Große Freiheit - Hamburg-St. Pauli, Landungsbrücken - Hamburg-Neustadt, Jungfernstieg/Binnenalster In der BAO hat die Polizei in dem betreffenden Zeitraum 509 Polizeibeamte in Zivil und in Uniform lageangepasst eingesetzt. Alle uniformierten Einsatzkräfte trugen zur Drucksache 21/7373 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Verbesserung ihrer Sichtbarkeit im gesamten Einsatzraum gelbe reflektierende Warnwesten mit dem Aufdruck „Polizei“. Wesentliche Bestandteile des polizeilichen Sicherheitskonzeptes waren: - Einsatz einer mobilen Polizeiwache als Anlaufpunkt für Besucher und Anzeigende im Bereich Beatles-Platz - Regulierung der Personenströme an Örtlichkeiten mit hohem Besucheraufkommen durch Polizeibeamte und aufgestellte Hamburger Gitter - Bessere Ausleuchtung relevanter Bereiche am Alsteranleger durch zwei zusätzliche Lichtmasten und im Bereich Schmuckstraße mittels eines Beleuchtungsballons („Power-Moon“) - Einsatz von stationärer und mobiler Videotechnik (Bodycam) Die Wasserschutzpolizei (WSP) war sowohl auf der Alster als auch auf der Elbe im Einsatz präsent. Die Bundespolizei wurde in eigener Zuständigkeit an den in den oben genannten Bereichen liegenden S-/U-Bahnhöfen tätig. Im Vorwege hat die Polizei Informationsflyer zum Verhalten bei Großveranstaltungen und Ansammlungen von Menschen verteilt. Darüber hinaus wurde der Einsatz durch das Social-Media-Team der Hamburger Polizei begleitet. Zusätzlich wurde an allen PK/WSPK die maximale Anzahl von Funkstreifenwagen besetzt. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Welches Sicherheitskonzept mit wie vielen Einsatzkräften in welchen Bezirken und an welchen Orten, die besonders viele Menschen an Silvester anziehen (Reeperbahn/Große Freiheit, Landungsbrücken, Jungfernstieg et cetera), hat die Hamburger Polizei für den Jahreswechsel 2016/2017 verfolgt? Siehe Vorbemerkung. 2. Warum wurde trotz Ankündigung kein Flutlicht am Jungfernstieg aufgestellt , obwohl diese Maßnahme in den vergangenen Monaten erfolgreich gegen Übergriffe genutzt werden konnte? Die vorgesehenen Beleuchtungseinrichtungen wurden installiert und in Betrieb genommen; im Übrigen siehe Antwort zu 1. 3. Wie viele Festnahmen, Aufenthaltsverbote und Platzverweise von Menschen welcher Nationalitäten aus welchen Gründen an welchen Orten (Reeperbahn/Große Freiheit, Landungsbrücken, Jungfernstieg) sowie in welchen Bezirken kann die Hamburger Polizei in der Nacht des Jahreswechsels 2016/2017 verzeichnen? Die Auswertung der Maßnahmen der Polizei ist derzeit noch nicht abgeschlossen, Aufenthaltsverbote und Platzverweise erfolgen zur Gefahrenabwehr. Zu den aktuell vorliegenden Erkenntnissen im Sinne der Fragestellungen siehe folgende Tabelle: Region Festnahmen* Aufenthaltsverbote Platzverweise Mitte I PK 15 (Reeperbahn/Große Freiheit) Landungsbrücken Jungfernstieg 11 65 0 13 37 13 18 Altona - 0 3 Eimsbüttel - 0 0 Nord - 0 0 Wandsbek - 0 1 Mitte II - 0 1 Bergedorf - 0 0 Harburg - 0 0 WSP - 0 0 Gesamt - 78 73 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/7373 3 * Es liegt lediglich die Gesamtzahl der im Rahmen der BAO vorläufig festgenommenen Personen vor. Nach derzeitigen Erkenntnissen wurden wegen Beleidigung auf sexueller Basis vorläufig festgenommen: • drei syrische Staatsangehörige, • drei irakische Staatsangehörige, • zwei afghanische Staatsangehörige, • ein eritreischer Staatsangehöriger, • ein deutscher Staatsangehörige. Darüber hinaus wurde ein afghanischer Staatsangehöriger wegen unerlaubten Erwerbes /Besitzes/Führens von Schusswaffen und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vorläufig festgenommen. Die Staatsangehörigkeit der Personen, gegen die Aufenthaltsverbote oder Platzverweise ausgesprochen wurden sowie die Gründe der getroffenen Maßnahmen wurden nicht festgehalten. 4. Wie viele gewaltvolle Auseinandersetzungen mussten die Einsatzkräfte in der Nacht des Jahreswechsels 2016/2017 auflösen? Statistiken im Sinne der Fragestellung werden bei der Polizei nicht geführt. Zur Beantwortung dieser Fragen wäre eine Durchsicht aller Hand- und Ermittlungsakten des erfragten Zeitraums bei der Polizei erforderlich. Die Auswertung von über tausend Vorgängen ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 5. Wie viele Anzeigen wegen welcher Straftaten beziehungsweise Ordnungswidrigkeiten wurden in der Nacht des Jahreswechsels 2016/2017 in welchen Bezirken von Amts wegen beziehungsweise durch Betroffene jeweils erstattet? Die Gesamtzahlen der Straf- und Ordnungswidrigkeitenanzeigen (ausgenommen Verkehrsdelikte ) sind in der folgenden Tabelle dargestellt: Region Strafanzeigen Ordungswidrigkeiten Mitte I Reeperbahn/Große Freiheit Landungsbrücken Jungfernstieg 104 2 0 7 0 0 Altona 40 1 Eimsbüttel 45 1 Nord 70 2 Wandsbek 45 3 Mitte II 51 0 Bergedorf 35 2 Harburg 36 0 WSP 0 0 Gesamt 428 16 Anzeigeort und -zeit entsprechen nicht ausnahmslos dem Tatort und/oder der Tatzeit. Im Übrigen siehe Vorbemerkung und Antwort zu 4. 6. Wie viele Einsätze aus welchen Gründen wurden jeweils von der Hamburger Feuerwehr, Polizei sowie weiteren Rettungsdiensten in der Nacht des Jahreswechsels 2016/2017 jeweils in den Hamburger Bezirken gefahren? Die Beantwortung der Frage erfolgt auf Grundlage einer Auswertung der Polizeieinsätze im Hamburger Einsatzleitsystem (HELS) der Polizeieinsatzzentrale. Erfasst werden die Einsätze, die entweder über die zentrale Notrufnummer oder über das örtlich zuständige PK an die Polizeieinsatzzentrale gemeldet werden. Drucksache 21/7373 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Andere Einsätze, die zum Beispiel durch Kräfte im Rahmen der BAO wahrgenommen wurden, sind hier nicht enthalten; diese werden nicht im HELS erfasst. Im Übrigen siehe Antwort zu 4. Zur Aussagekraft und Validität von HELS-Daten siehe Drs. 20/13284 und 21/2108. Region Dienststelle Anzahl Mitte I PK 14 48 PK 11 32 PK 15 47 PK 16 14 Altona PK 21 46 PK 25 44 PK 26 29 Eimsbüttel PK 23 64 PK 17 33 PK 24 48 PK 27 42 Nord PK 31 65 PK 33 32 PK 34 31 PK 36 45 Wandsbek PK 37 37 PK 35 38 PK 38 92 Mitte II PK 42 74 PK 41 41 Bergedorf PK 43 50 Harburg PK 46 76 PK44 28 PK 47 38 WSPK 1 6 WSPK 2 9 WSPK 3 5 Gesamt 1.114 Die Feuerwehr hat im Betrachtungszeitraum 1.091 Einsätze gefahren. Diese Einsätze untergliederten sich in 271 Brände, drei Technische Hilfeleistungen sowie 817 Rettungsdiensteinsätze . Eine Differenzierung dieser Einsätze nach Bezirken erfordert die manuelle Auswertung aller 1.091 Einsatzberichte und ist in der zur Beantwortung dieser Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 7. Wie viele Personen mussten dabei aus welchen Gründen (Verletzung durch Feuerwerkskörper, Alkoholvergiftung, Verkehrsunfall, gewaltsame Auseinandersetzung et cetera) in die Hamburger Krankenhäuser eingeliefert werden? Eine Statistik im Sinne der Frage wird nicht geführt. Die Anzahl der in Hamburger Krankenhäuser beförderten Personen erfordert eine Abfrage bei den weiteren in die Notfallrettung an Silvester eingebundenen Organisationen. Für die von der Feuerwehr selbst durchgeführten Transporte ist die Datenerfassung noch nicht abgeschlossen, sodass die für eine Auswertung erforderlichen Daten noch nicht vollständig vorliegen. 8. Welche Erkenntnisse liegen der Hamburger Polizei beziehungsweise Feuerwehr hinsichtlich des überfahrenen, tödlich verletzten 25-Jährigen in Hohenfelde und der vom Dach gefallenen 14-Jährigen in Eimsbüttel vor? Der Fahrer eines Personenkraftwagens befuhr mit seinem Fahrzeug die Lübecker Straße stadtauswärts. Ein 25-jähriger Mann, der zu Fuß auf dem Gehweg in Richtung Innenstadt unterwegs war, trat aus bislang unbekannter Ursache auf die Fahrbahn Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/7373 5 und wurde vom Fahrzeug erfasst. Er starb später in einem Hamburger Krankenhaus an den durch den Verkehrsunfall erlittenen Verletzungen. Der Verkehrsunfalldienst hat die Ermittlungen aufgenommen. Bei dem in Rede stehenden Dachsturz handelt es sich nach derzeitigem Ermittlungsstand um einen Unglücksfall. Zu beiden Sachverhalten wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet. Vor diesem Hintergrund sieht der Senat von weitergehenden Angaben zur Beantwortung der Frage ab. 9. Wie viele Einsatzkräfte wurden in der Nacht des Jahreswechsels 2016/2017 inwieweit durch welche Ursache verletzt? Verletzungsfälle von Einsatzkräften der Polizei in der Silvesternacht sind in nachstehender Tabelle aufgeführt (Stand 04.01.2017): Anzahl Einsatzkräfte Verletzungen Ursache 2 1 x Prellung Handgelenk 1 x Nasenbeinbruch Widerstand 1 Handverletzung (Kapsel) Zwangsmittelanwendung 1 Knalltrauma Feuerwerkskörper 1 Prellung Bein Widerstand 1 Verbrennung Halsbereich Feuerwerkskörper 1 Handverletzung Widerstand Eine Einsatzkraft der Feuerwehr wurde durch einen Stromschlag verletzt und in ein Krankenhaus gebracht. Von dort wurde sie nach einer Untersuchung ohne Befund nach Hause entlassen. 10. Wie bewerten der Senat und die zuständigen Behörden rückblickend die Einsätze in der Nacht des Jahreswechsels 2016/2017? 11. Welche Schlüsse ziehen die Hamburger Polizei und Feuerwehr aus der Nacht des Jahreswechsels 2016/2017 für künftige Einsätze bei Großereignissen und an Silvester? Ein im Vergleich zum Vorjahr erhöhter Kräfteansatz und offensives Vorgehen mit niedrigschwelligen Kontrollen führten dazu, dass strafbare Handlungen verhindert beziehungsweise potenzielle Täter abgeschreckt wurden. Es wurden insgesamt weniger Straftaten angezeigt beziehungsweise durch die Polizei festgestellt, gleichzeitig konnten mehr Tatverdächtige vor Ort ermittelt werden. Im Ergebnis war das Sicherheits-/Einsatzkonzept von Polizei und Feuerwehr erfolgreich und kann unter Betrachtung aktueller Lageerkenntnisse als Anhalt für zukünftige Silvestereinsätze herangezogen werden.