BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/7391 21. Wahlperiode 10.01.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 03.01.17 und Antwort des Senats Betr.: Überlastung der Justiz – Wie ist es aktuell um Hamburgs Gerichtsvollzieher bestellt? Hamburgs Gerichtsvollzieher sind seit Monaten an der Grenze ihrer Belastbarkeit , Gläubiger am Ende ihrer Geduld angelangt. Wie gravierend die Situation, die nicht nur titulierte Ansprüche von Gläubigern , sondern auch den Wirtschaftsstandort Hamburg gefährdet, tatsächlich ist, zeigen die Antworten des Senats auf die Große Anfrage Drs. 21/1741 sowie die Schriftlichen Kleinen Anfragen Drs. 21/4308, 21/5019 und 21/6190. Unbesetzte Stellen, hohe Krankenstände und Berge unerledigter Verfahren zwingen die verbliebenen Gerichtsvollzieher dazu, teils sieben Tage in der Woche zu arbeiten und ihren Erholungsurlaub zum Abbau von Rückständen zu nutzen, um die Arbeit überhaupt noch bewältigen zu können. Mit dem Antrag Drs. 21/7086 versuchte die CDU-Fraktion in den Haushaltsberatungen , die mangelhaften Zustände zu verbessern. Leider wurde die Verbesserung von SPD und GRÜNEN abgelehnt. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Belastungssituation ist insbesondere auf vakante Stellen für Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher zurückzuführen. Durch die Ausbildungsinitiative des Senats werden im April 2017 voraussichtlich zwölf geprüfte Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher zur Verfügung stehen, sodass zum 1. Mai 2017 voraussichtlich alle zur Verfügung stehenden Stellen besetzt sein werden. 1. Wie viele Stellen für Gerichtsvollzieher gibt es aktuell an den einzelnen Amtsgerichten und wie viele davon sind jeweils besetzt? Bitte zum Stichtag 1. Januar 2017 angeben. 2. Wie viele Gerichtsvollzieherbezirke sind an jeweils welchem Amtsgericht seit jeweils wann aus welchen Gründen unbesetzt? Daten zum Stichtag 1.1.2017 Stellensoll/ Bezirke Stellen ist Bezirksbesetzung Bemerkung AG Altona 11 11 11 AG Barmbek 14* 12 12 Zwei Bezirke aufgrund Beurlaubung unbesetzt seit 26.10.2015 bzw. 01.01.2016 AG Bergedorf 6 4 6 Gerichtsvollziehervertretung für zwei Bezirke Drucksache 21/7391 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Daten zum Stichtag 1.1.2017 Stellensoll/ Bezirke Stellen ist Bezirksbesetzung Bemerkung AG Blankenese 3 2 2 Ein Bezirk aufgrund Ruhestands unbesetzt seit 01.11.2011 AG Hamburg-Mitte 19 17 19 Gerichtsvollziehervertretung für zwei Bezirke AG Harburg 16 14 15 Gerichtsvollziehervertretung in einem Bezirk; ein Bezirk aufgrund Ruhestands unbesetzt seit 08.10.2016 AG Wandsbek 12 12 12 AG St. Georg 18 16 16 Zwei Bezirke aufgrund Ruhestands unbesetzt seit 15.11.2016 bzw. 01.12.2016 Gesamt 99 88 93 Gerichtsvollziehervertretung für alle Amtsgerichte 5 6 - Ein Vertreter kann zurzeit nicht eingesetzt werden * Der 15. Bezirk ist zum 1.1.2017 aus organisatorischen Gründen aufgelöst worden. 3. Wie viele Überlastungsanzeigen von Gerichtsvollziehern gab es insgesamt im Jahr 2016? Bitte pro Amtsgericht darstellen. Amtsgerichte Überlastungsanzeigen in 2016 AG Altona 1 AG Barmbek 1 AG Bergedorf 0 AG Blankenese 0 AG Hamburg-Mitte 5 AG Harburg 1 AG St. Georg 3 AG Wandsbek 5 4. Wie viele Beschwerden aufgrund zu langer Verfahrensdauern der Zwangsvollstreckung von Gläubigern beziehungsweise Verfahrensbevollmächtigten gab es insgesamt im Jahr 2016? Bitte pro Amtsgericht darstellen. Beschwerden wegen langer Verfahrensdauer im Jahr 2016 Anzahl Altona 5 Barmbek 8 Bergedorf 17 Blankenese 1 Hamburg-Mitte 8 Harburg 24 St. Georg 135 Wandsbek 12 5. Wie hat sich die Arbeitsbelastung der Gerichtsvollzieher im 3. Quartal jeweils 2016 entwickelt? Bitte pro Amtsgericht darstellen. III. Quartal 2016 Amtsgerichte Belastung Altona/Blankenese* 101,96% Barmbek 121,26% Bergedorf 112,94% Hamburg-Mitte 132,75% Harburg 137,00% Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/7391 3 III. Quartal 2016 Amtsgerichte Belastung St. Georg 127,52% Wandsbek 140,02%** Gesamt 124,31% * Die Amtsgerichte Blankenese und Altona haben seit 2015 einen Belastungsverbund gebildet . ** Hinsichtlich der Belastung beim Amtsgericht Wandsbek wird darauf hingewiesen, dass sich die Situation seit dem 4. Quartal durch die Besetzung eines Bezirks entspannt hat (siehe Drs. 21/6190). Im Übrigen siehe Drs. 21/1741. 6. Wie hat sich die durchschnittliche Fehlzeitenquote an den einzelnen Amtsgerichten im 3. Quartal 2016 entwickelt? Fehlzeitenquote der Gerichtsvollzieher 3. Quartal 2016 Altona 0,30% Bergedorf * Blankenese * Harburg 2,00% Hamburg-Mitte 2,10% Wandsbek 22,30% Barmbek 9,00% St. Georg 12,70% Gesamtergebnis 7,30% * Nach einer Systemumstellung werden die Fehlzeiten nicht angezeigt, wenn die ausgewertete Gruppe fünf Personen nicht übersteigt. Eine manuelle Auswertung der Fehlzeiten ist nicht möglich. Die Werte der Amtsgerichte Blankenese und Bergedorf sind im Gesamtwert berücksichtigt. 7. Wie hat sich die Anzahl der offenen Verfahren zum Stand Ende Dezember 2016 entwickelt? Bitte pro Amtsgericht und insgesamt darstellen. Amtsgerichte Bestandszahlen November* 2016 Altona 2.446 Barmbek 4.732 Bergedorf 2.037 Blankenese 506 Hamburg-Mitte 6.904 Harburg 4.752 St. Georg 7.527 Wandsbek 3.743 Gesamt 32.647 * Die Anzahl der offenen Verfahren Stand Ende Dezember liegt noch nicht vor. Die Beantwortung der Frage mit Zahlen aus Dezember wäre nur durch eine händische Auswertung sämtlicher Bestandsfälle möglich. Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 8. In der Drs. 21/4308 hat der Senat angekündigt, dass bis zum Herbst (2016) mit der Überarbeitung des bisherigen Belastungsschlüssels (bislang Bad Nauheimer Pensenschlüssel) durch eine länderübergreifende Arbeitsgruppe zu rechnen und die Ausbildungsplanung gegebenenfalls entsprechend anzupassen sei. Zum Zeitpunkt der Beantwortung der Schriftlichen Kleinen Anfrage Drs. 21/6190 war der Sachstand noch unverändert. a. Liegt der überarbeitete Belastungsschlüssel mittlerweile vor? b. Falls ja, seit wann und welche Erkenntnisse hat die zuständige Behörde hieraus gewonnen? Drucksache 21/7391 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 c. Falls ja, inwiefern ist die Ausbildungsplanung nach Ansicht der zuständigen Behörde anzupassen? d. Falls nein, wann ist mit diesem zu rechnen? Der Sachstand ist unverändert. Ein konkreter Zeitpunkt kann nicht benannt werden. 9. Wie viele Ausbildungsstellen für Gerichtsvollzieher und wie viele Bewerber gab es insgesamt im Jahr 2016? Siehe Drs. 21/6190. 10. Welche Maßnahmen plant die zuständige Behörde, um die Attraktivität der Tätigkeit als Gerichtsvollzieher und die Anzahl der Bewerber auf Ausbildungsstellen zu erhöhen? a. Ist geplant, die Vollstreckungsvergütungsverordnung nach dem Vorbild Sachsen-Anhalts zu ändern und die Deckelung des Höchstbetrages aufzuheben, um die Motivation der Gerichtsvollzieher zu erhöhen und einen angemessenen finanziellen Ausgleich sowie Anreiz für Vertretungen zu gewähren? Falls nein, weshalb nicht? b. Seit 2015 lässt die nordrhein-westfälische Justiz auch Bewerber zu, die nicht bereits im mittleren Justizdienst tätig sind. Seitdem können sich beispielweise auch Personen mit juristischer, bankfachlicher oder kaufmännischer Qualifikation für eine Ausbildung als Gerichtsvollzieher bewerben (http://www.justiz.nrw.de/Karriere/Stellen/ berufsbilder/mittlerer_dienst/gerichtsvollzieher/ einstellungsvoraussetzungen/index.php). Auch in Bayern ist die Zulassung von anderen befähigten Arbeitnehmern bei der Justiz und externen Seiteneinsteigern zulässig, wenn Bewerber aus dem Justizfachwirtedienst nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen (https://www.justiz.bayern.de/berufe-und-stellen/ gerichtsvollzieher/). Wie beurteilt die zuständige Behörde vor dem Hintergrund der geringen Bewerberzahlen in Hamburg die Möglichkeit , auch Seiteneinsteiger zum Bewerbungsverfahren zuzulassen? Die zuständige Behörde beobachtet laufend sowohl die Besetzungssituation als auch die Bewerberlage und prüft dabei verschiedene Maßnahmen zur jeweiligen Verbesserung . Unter anderem verfolgt sie auch die Entwicklung in Sachsen-Anhalt aufmerksam und wird zu gegebener Zeit die dortigen Praxiserfahrungen bewerten und gegebenenfalls eine entsprechende Maßnahme ergreifen. Aktuell ist geplant, auch in Hamburg Seiteneinsteiger zur Sonderlaufbahn Gerichtsvollzieher zulassen zu können. Dafür muss die derzeit geltende Ausbildungs- und Prüfungsverordnung geändert werden. Die zuständige Behörde hat das notwendige Verfahren 2016 eingeleitet. Der entsprechende Verordnungsentwurf soll bis zum Sommer verabschiedet werden, wenn die erforderlichen Abstimmungen mit den berufsständischen und Personalvertretungsgremien zügig durchgeführt werden können . c. Wie beurteilt die zuständige Behörde den seit dem 1. September 2016 vollzogenen Vorstoß Baden-Württembergs, die Ausbildung der Gerichtsvollzieher auf ein Bachelorstudium umzustellen? Siehe Drs. 21/1741. 11. Um die hoheitlichen Aufgaben wahrnehmen zu können, ist in vielen Bezirken eine Parkgenehmigung im Halteverbot beziehungsweise eine Gebührenbefreiung an Parkuhren/Automaten durch den LBV erforderlich , deren jährliche Kosten in Höhe von 270 Euro bislang durch die Staatskasse getragen wurden. Ab dem 1. Januar 2017 sollen die Gerichtsvollzieher diese Ausnahmegenehmigung aus eigenen Mitteln bezahlen. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/7391 5 a. Ist es richtig, dass die Kosten für die Ausnahmegenehmigung bis zum 31. Dezember 2016 von der Staatskasse getragen wurden? b. Ist es richtig, dass diese Kosten ab dem 1. Januar 2017 von den Gerichtsvollziehern aus eigenen Mitteln bezahlt werden müssen? Falls ja, wer hat dies wann und aus welchem Grund entschieden? Falls ja, wie beurteilt die zuständige Behörde diese Neuregelung vor dem Hintergrund der Attraktivität der Tätigkeit des Gerichtsvollzieherwesens ? Die bisherige Praxis ist rechtlich neu bewertet worden. Dabei ist festgestellt worden, dass diese Auslagen bereits durch das Wegegeld für Aufwendungen für Fahrten und Wege gedeckt sind. Daher ist es nicht richtig, dass die Kosten aus eigenen Mitteln getragen werden müssen. Im Übrigen: entfällt.