BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/7397 21. Wahlperiode 10.01.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 03.01.17 und Antwort des Senats Betr.: Modellprojekte im Justizvollzug – Wie ist der aktuelle Stand? Der gesellschaftliche Wandel im Zuge der fortschreitenden technischen Weiterentwicklung aller Lebensbereiche kann an einem Justizvollzug in Hamburg nicht unbeachtet vorübergehen. Es ist insofern an der Justizbehörde, diesem Prozess Rechnung zu tragen und die Vollzugsgestaltung entsprechend anzupassen, fortzuentwickeln und zu modernisieren. Neues und Änderungen des Vollzugsalltags können daher zunächst in begrenztem Umfang erprobt werden, um zu einer angemessenen Einschätzung seiner Wirkungsweise zu gelangen. Diese Möglichkeit bieten Modellprojekte, die zunächst nur in einer Justizvollzugsanstalt oder begrenzt auf einen bestimmten Kreis von Inhaftierten erprobt werden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Welche Modellprojekte laufen derzeit im Justizvollzug in Hamburg (bitte unter Angabe der beteiligten Justizvollzugs- beziehungsweise Arrestanstalt , der geplanten Laufzeit sowie des Ziels des jeweiligen Modellprojekts )? 2. Welchen Umfang haben die jeweiligen Modellprojekte (bitte unter Angabe der Anzahl der jeweils beteiligten Bediensteten, Inhaftierter und gegebenenfalls Dritter)? In der JVA Hahnöfersand läuft das Projekt „Optimierung eines Behandlungsangebotes für Gefangene mit Gewalt- und Suchtproblemen“. Das Projekt mit einer Laufzeit von drei Jahren (01.11.2014 – 31.10.2017) wird gemeinsam mit dem Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters des Universitätsklinikums-Eppendorf (UKE) durchgeführt. Vonseiten der JVA Hahnöfersand sind eine Psychologin und eine Vollzugsabteilungsleitung sowie beim vorgesehenen Abschluss des Projekts voraussichtlich circa 30 Gefangene daran beteiligt. Im UKE ist eine wissenschaftliche Fachkraft regelmäßig mit dem Projekt befasst. Ziel ist die Erweiterung der Behandlungsangebote für Gefangene, die Gewalt- und Suchtprobleme aufweisen. In der Sozialtherapeutischen Anstalt Hamburg wird seit Juni 2015 ein neues Behandlungsangebot für Gefangene mit Persönlichkeitsstörungen pilotiert. An dem Projekt sind regelmäßig drei Psychologinnen der Sozialtherapeutischen Anstalt sowie beim vorgesehenen Abschluss der Pilotphase im Jahr 2018 voraussichtlich 15 Gefangene beteiligt. Bei positivem Verlauf ist geplant, das Behandlungsangebot fest in das Gruppenangebot der Sozialtherapeutischen Anstalt aufzunehmen. 3. Welche Modellprojekte wurden im Justizvollzug in Hamburg seit 2011 abgeschlossen (bitte unter Angabe der beteiligten Justizvollzugs- beziehungsweise Arrestanstalt, der Laufzeit, des Umfangs sowie des Ziels des jeweiligen Modellprojekts)? Drucksache 21/7397 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 4. Mit welchem Ergebnis wurden die seit 2011 abgeschlossenen Modellprojekte jeweils evaluiert (bitte unter Angabe, wie mit dem jeweiligen Gegenstand nach Abschluss des jeweiligen Modellprojekts weiter verfahren wurde)? Von November 2011 bis Oktober 2012 hat der Verein Violence Prevention Network e.V. (VPN) in der JVA Fuhlsbüttel das Projekt „De-Radikalisierung extremistisch und militant gefährdeter Gewaltstraftäter im Erwachsenenvollzug“ durchgeführt. Bedienstete der JVA waren nicht beteiligt. An dem Projekt haben zehn Gefangene teilgenommen . Das Ziel, eine themenzentrierte Gruppenarbeit mit muslimischen Gefangenen über religiöse und politische Fragestellungen durchzuführen, wurde nach Einschätzung von VPN erreicht. VPN wollte die Erfahrungen aus dem Projekt für weiterführende konzeptionelle Überlegungen nutzbar machen. Von September 2008 bis März 2013 wurde in der JVA Billwerder und der JVA Fuhlsbüttel die Handhabung und Zuverlässigkeit eines Multidrogen-Bechertests anstelle von Laboruntersuchungen bei der Durchführung von Drogentestungen erprobt. An dem Projekt waren grundsätzlich alle Krankenpfleger und Bediensteten des Allgemeinen Vollzugsdienstes dieser Anstalten beteiligt. Die Anzahl der beteiligten Gefangenen wurde nicht erfasst. Eine nachträgliche Erhebung würde die Auswertung von mehreren Tausend Gefangenenpersonalakten erfordern. Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich . Das Modellprojekt hat ergeben, dass der Multidrogen-Bechertest im Justizvollzug gut einsetzbar ist. Die Auswertung der Daten erfolgte durch die zuständige Fachbehörde . Zum 01.04.2013 wurde der Multidrogen-Bechertest in allen Hamburger Vollzugsanstalten als Regeltestverfahren eingeführt. Von Februar 2008 bis Dezember 2011 wurde das Projekt „CAN STOPP – Psychoedukation und Rückfallprävention für junge Menschen mit Cannabiskonsum“ gemeinsam mit dem Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters des Universitätsklinikums -Eppendorf (UKE) in der JVA Hahnöfersand durchgeführt. Vonseiten der JVA Hahnöfersand waren sechs Bedienstete und eine Vollzugsabteilungsleitung sowie circa 30 Gefangene beteiligt. Aus dem UKE waren zwei wissenschaftliche Fachkräfte beteiligt. Ziel des Projekts war die Entwicklung und Implementierung eines Behandlungsangebotes für Jugendstrafgefangene mit einem riskanten Cannabiskonsum. Das Programm wurde nach der erfolgreichen Probephase in das Gruppenangebot des Jugendvollzuges übernommen. Im Mai 2013 wurde in der JVA Billwerder ein auf zwei Jahre ausgelegtes Pilotprojekt zum Täter-Opfer-Ausgleich gestartet. Über den Täter-Opfer-Ausgleich sollte Gefangenen in geeigneten Fällen die Möglichkeit eingeräumt werden, unter professioneller Vermittlung die Folgen ihrer Straftaten auszugleichen. Nachdem sich die Machbarkeit des Täter-Opfer-Ausgleichs gezeigt hatte, wurde das Angebot nach Ablauf der Pilotphase verstetigt. Bereits im Zugang wird seitdem geeigneten Gefangenen in der JVA Billwerder ein Täter-Opfer-Ausgleich nahegelegt. An der Durchführung des Projekts waren namentlich vier Abteilungs- und Vollzugsleitungen der JVA Billwerder, die Staatsanwaltschaft Hamburg, Stelle Täter-Opfer-Ausgleich und zwei Fachreferate der Justizbehörde beteiligt. Über die Anzahl der Gefangenen, die in der Pilotphase in dem Projekt erfasst wurden, liegt keine Statistik vor. Eine nachträgliche Erhebung der Daten würde die Auswertung von über tausend Gefangenenpersonalakten erfordern. Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Von Mai 2014 bis Dezember 2014 wurde das Tragen von ziviler Bekleidung der Bediensteten im Schichtdienst der Sozialtherapeutischen Anstalt Hamburg am Standort Fuhlsbüttel pilotiert. Es sollte ermittelt werden, ob sich das Tragen von ziviler Bekleidung positiv auf das therapeutische Klima der Anstalt auswirkt. Das Projekt richtete sich grundsätzlich an alle Bediensteten der Anstalt im Schichtdienst. Das Tragen ziviler Bekleidung fand nicht die Akzeptanz der betroffenen Bediensteten. Der Modellversuch wurde von der Anstaltsleitung abgebrochen. Dritte waren nicht beteiligt . Im Rahmen einer seit dem Jahr 2010 laufenden Begleitforschung des Instituts für Sexualforschung und forensische Psychiatrie des UKE in der Sozialtherapeutischen Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/7397 3 Anstalt Hamburg wurde 2016 der Aufbau und die Einführung einer standardisierten Eingangs- und Verlaufsdiagnostik erfolgreich abgeschlossen. Die entwickelte Eingangs - und Verlaufsdiagnostik soll die Behandlungsplanung optimieren und der Qualitätssicherung der Sozialtherapeutischen Anstalt dienen. Aus dem UKE waren an der Erarbeitung der Eingangs- und Verlaufsdiagnostik jeweils in Teilzeit eine wissenschaftliche Fachkraft und eine wissenschaftliche Hilfskraft beteiligt. In der Sozialtherapeutischen Anstalt war ein Bediensteter für die Organisation des Projektes zuständig. In dem Teilprojekt wurden rund 190 Gefangene erfasst. 5. Welche Modellprojekte sollen nach derzeitigem Stand im Justizvollzug in Hamburg zukünftig durchgeführt werden (bitte – soweit derzeit bereits bekannt – unter Angabe der beteiligten Justizvollzugs- beziehungsweise Arrestanstalt, der geplanten Laufzeit, des geplanten Umfangs sowie des Ziels des jeweiligen Modellprojektes)? Für das Jahr 2017 ist die Pilotierung eines Video-Dolmetsch-Systems in der Untersuchungshaftanstalt und der JVA Billwerder geplant. Ziel des Projekts ist die Beseitigung von Sprachbarrieren im Umgang mit Gefangenen, die muttersprachlich angesprochen werden sollen, durch den Einsatz von Video-Dolmetschern. Einzelheiten zur Laufzeit und zum Umfang des Projekts wurden nicht festgelegt.