BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/7423 21. Wahlperiode 10.01.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Jennyfer Dutschke (FDP) vom 04.01.17 und Antwort des Senats Betr.: Missbräuchliche Inanspruchnahme von Sozialleistungen durch Asylbewerber und abgelehnte Asylbewerber – Wie wird Sozialbetrug in Hamburg verhindert? Der Medienberichterstattung war zu entnehmen, dass eine Sonderkommission in Braunschweig derzeit in mehr als 300 Fällen von Sozialbetrug durch Asylbewerber und abgelehnte Asylbewerber ermittelt. Insbesondere durch das Registrieren unter unterschiedlichen Identitäten und der Anmeldung in verschiedenen Gemeinden entstand ein mutmaßlich nicht unerheblicher Schaden für den Steuerzahler. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Werden im Rahmen der Registrierung von Asylbewerbern regelhaft ein Fingerabdruck und weitere biometrische Daten aufgenommen? (Bitte ausführen.) Ja, bei Asylsuchenden werden regelhaft im Ankunftszentrum als erstem Kontaktpunkt Fingerabdrücke abgenommen und es wird ein biometrisches Lichtbild erstellt sowie Körpergröße und Augenfarbe werden erfasst, sofern die Personen bereits das 14. Lebensjahr vollendet haben. Hierfür wird das in 2016 bundesweit eingeführte System Personenidentifikations- Komponenten (PIK) genutzt. 2. Werden die bei der Registrierung abgegebenen Fingerabdrücke und biometrische Daten überprüft beziehungsweise in Datenbanken verglichen ? Wenn ja: a. Wie erfolgt der Abgleich von Daten? (Zum Beispiel national oder EU-weit? Wie ist das regelhafte Vorgehen? Bitte beschreiben.) b. Wer nimmt den Datenabgleich vor? c. Wer hat Zugriff auf die Daten? d. Worauf werden die Fingerabdrücke und weitere biometrische Daten überprüft (zum Beispiel polizeiliche Ermittlungen et cetera)? Wenn keine Überprüfung der Fingerabdrücke und weiterer biometrischer Daten stattfindet: Warum nicht? Fehlen hierzu rechtliche Grundlagen? Mangelt es an vorhandenen technischen Möglichkeiten? (Bitte ausführen .) Drucksache 21/7423 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 3. Erfolgt eine Überprüfung, ob unter gleichen Fingerabdrücken und identischen biometrischen Daten verschiedene Identitäten geführt werden? Wenn nein, warum nicht? Ist dies technisch und datenschutzrechtlich möglich? Welche Voraussetzungen müssten erfüllt werden, damit diese Überprüfung stattfinden kann? Wenn ja, wie viele Fälle sind bisher bekannt? Die Daten werden in Echtzeit über das System PIK im Ausländerzentralregister (AZR) und im europäischen System European Dactyloscopy (EURODAC) abgeglichen. Positive Ergebnisse werden während des Registrierungsprozesses im Ankunftszentrum sofort angezeigt. Durch die zentrale Speicherung werden die Identitäten für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), das Bundesverwaltungsamt (BVA), die Bundesagentur für Arbeit (BA), Sicherheitsbehörden, Bundesländer und Kommunen bereitgestellt. Die jeweilige Sachbearbeiterin oder der Sachbearbeiter im Ankunftszentrum , die/der die Registrierung vornimmt, erhält eine Ergebnismeldung über verschiedene Identitäten über das System PIK. Bei der Registrierung wird geprüft, ob unter identischen Fingerabdrücken verschiedene Identitäten vorliegen, unter anderem um Leistungsmissbrauch zu verhindern. Darüber hinaus können so Ausschreibungen zur Festnahme oder Aufenthaltsermittlungen durch die Polizei oder Staatsanwaltschaften sowie von Ausländerbehörden über das AZR festgestellt werden. 4. Sind dem Senat beziehungsweise der zuständigen Behörde Fälle missbräuchlicher Inanspruchnahme von Sozialleistungen durch Asylbewerber und abgelehnte Asylbewerber mit Mehrfachidentitäten bekannt, die auch in Hamburg Leistungen bezogen? a. Wenn ja, wie viele Fälle sind dem Senat beziehungsweise den zuständigen Behörden unter jeweils welchen Umständen seit 2014 bekannt geworden? (Bitte einzeln nach Monatsangabe aufschlüsseln und Sachverhalt beschreiben.) b. Wenn nein, kann der Senat vollständig ausschließen, dass es in der Freien und Hansestadt Hamburg zu Sozialbetrug durch falsche beziehungsweise mehrfach falsche Identitätsangabe von Asylbewerbern und abgelehnte Asylbewerbern kam beziehungsweise noch immer kommt? Siehe Drs. 21/7407. 5. Welche Maßnahmen ergreift der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde, um Missbrauch von Leistungen durch Asylbewerber und abgelehnte Asylbewerber vorzubeugen? 6. Welche Kontrollmechanismen stehen dem Senat beziehungsweise den zuständigen Behörden zur Verfügung, um in Hamburg Fälle von missbräuchlichem Bezug von Asylbewerberleistungen zu ermitteln? Alle Asylsuchenden werden über das System PIK erfasst. Der mehrfache Bezug von Leistungen wird dadurch verhindert. Im Übrigen erfolgt bei der Anspruchsprüfung grundsätzlich in allen Fällen die standardisierte Prüfung der Hilfebedürftigkeit. Die erstmalige Gewährung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erfolgt im Rahmen einer zentralisierten Bearbeitung im Ankunftszentrum, nachdem die ausländerrechtliche Registrierung abgeschlossen wurde und feststeht, dass sich der Asylsuchende in Hamburg aufzuhalten hat. Die antragstellende Person hat sich mit einem Ankunftsnachweis oder einer Aufenthaltsgestattung auszuweisen. Die personenbezogenen Daten werden in diesem Zusammenhang in das Zahlungssystem PROSA eingepflegt; eine entsprechende Leistungsakte wird dort angelegt. Jede spätere Gewährung von Leistungen und deren Zahlbarmachung werden ausschließlich über die Leistungsakte in PROSA generiert. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/7423 3 Bei einem etwaigen Klärungsbedarf wird zunächst nur das unabdingbar Notwendige (Unterkunft und Verpflegung) zur Verfügung gestellt, Taschengeld wird gegebenenfalls nachgezahlt. Zahlbarmachungen werden stets im Vier-Augen-Prinzip vorgenommen . 7. Finden stichprobeartige oder regelhafte Überprüfungen mutmaßlich missbräuchlicher Inanspruchnahme von Sozialleistungen durch Asylbewerber und abgelehnte Asylbewerber statt? Wenn ja, wann haben die letzten Überprüfungen stattgefunden und mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht? 8. Wird die missbräuchliche Inanspruchnahme von Sozialleistungen durch Asylbewerber und abgelehnte Asylbewerber ausschließlich anlassbezogen zum Beispiel aufgrund von Verdachtsmomenten oder Hinweisen überprüft? (Bitte erläutern.) Die Identifikationspapiere müssen regelmäßig vorgelegt werden, insbesondere zur Verlängerung der kurzen Gültigkeitsdauer der Leistungsberechtigungen (erforderliche Folgevorsprache) genauso wie bei Veränderungen der persönlichen und/oder wirtschaftlichen Verhältnisse. Die Leistungsvoraussetzungen werden somit regelmäßig neu überprüft. Aus den Kontrollen resultierenden Verdachtsmomenten und sonstigen Hinweisen wird nachgegangen. Im Übrigen siehe Antworten zu 1., 5. und 6. 9. Wie viele Hinweise auf die missbräuchliche Inanspruchnahme von Sozialleistungen durch Asylbewerber hat der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde seit 2014 erhalten? Wie vielen Hinweisen wurde nachgegangen und mit jeweils welchem Ergebnis? Aus welchem Grund wurden die übrigen Hinweise nicht überprüft? Grundsätzlich wird jedem Hinweis nachgegangen. Diese werden jedoch nicht gesondert statistisch erfasst. Eine Einzelauswertung von mehr als 50.000 Leistungsakten ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.