BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/7428 21. Wahlperiode 10.01.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Stephan Gamm (CDU) vom 04.01.17 und Antwort des Senats Betr.: Keine Windenergie mehr aus dem Energiepark Neu Wulmstorf – Was tut der Senat zur Aufklärung des Windradunglücks? Am Dienstag, den 03.01.2017, meldete die Stadtreinigung Hamburg (SRH) ein Windradunglück auf Ihrem Energiepark Neu Wulmstorf: Eines von drei auf der ehemaligen Hausmülldeponie installierten Windräder ist zusammengebrochen . Die schwere Stahlfußkonstruktion des circa 70 m hohen Windrades im Landkreis Harburg sei in circa 20 m Höhe abgeknickt und hat anschließend das gesamte Windrad zu Fall gebracht. Laut Berichterstattung des „Hamburger Abendblattes“ ist das Windrad mit 24 m langen Rotorblättern noch vor dem Eintreffen des Sturmtiefs „Axel“, in die Knie gegangen. Es entstand ein Totalschaden. Glücklicherweise ist kein Personenunglück die Folge gewesen. Die besagten drei Windräder bilden die einzige eigene Windkraftanlage der SRH. Die übrigen zwei Windräder seien vorsorglich abgeschaltet worden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen auf der Grundlage von Auskünften der Stadtreinigung Hamburg (SRH) wie folgt: 1. Wer ist Erbauer und Hersteller des umgestürzten Windrades? DeWind Europe GmbH. a. In welchem Jahr wurde die Windenergieanlage (WEA) erbaut? b. Wann hat das Windrad seinen Erstbetrieb aufgenommen? 2001. 2. Gelten die Antworten auf Frage 1. auch bezüglich der zwei weiteren Windräder der SRH zu? (Falls nein: Bitte um Nennung der entsprechend abweichenden Angaben .) Ja. Alle Windenergieanlagen (WEA) sind vom selben Hersteller und wurden 2001 und 2002 erbaut beziehungsweise in Betrieb genommen. 3. Welche Wartungszyklen sind für vergleichbare WEA in Deutschland vorgeschrieben beziehungsweise üblich und welche möglichen zeitlichen Spielräume gibt es zwischen zwei Wartungsterminen (Bandbreite)? Gesetzlich vorgeschriebene Wartungszyklen für WEA gibt es in Deutschland nicht. Erkenntnisse über übliche Wartungszyklen für vergleichbare WEA liegen der zuständigen Behörde nicht vor. Drucksache 21/7428 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 4. Welche routinemäßigen Wartungszyklen sind für die besagten Windräder der SRH vorgeschrieben? Vom Hersteller der WEA DeWind wurden die Wartungszyklen in Abhängigkeit von Typ und weiteren der SRH unbekannten Faktoren vorgegeben. Danach sind zwei Wartungen pro Jahr und mindestens alle vier Jahre eine sogenannte „Wiederkehrende Prüfung“ (nach den „Grundsätzen für wiederkehrende Prüfungen von WEA“ des Bundesverbands Windenergie) vorgesehen. Diese Vorgaben wurden und werden eingehalten. Darüber hinaus werden die Anlagen der SRH seit 2008 zusätzlich zu den vom Hersteller vorgeschriebenen zwei Regelwartungen pro Jahr weitere zweimal jährlich inspiziert („Inspektion“), und die „Wiederkehrende Prüfung“ wird alle zwei Jahre – statt alle vier Jahre – durchgeführt. Damit ließ und lässt die SRH ihre Anlagen mindestens viermal jährlich prüfen; ergänzt durch separate Wartungen der Umrichter. 5. Welcher Dienstleister war mit der Wartung betraut und wann wurden die technischen Funktionsprüfungen beziehungsweise Wartungen seit Erstinbetriebnahme jeweils durchgeführt? In den ersten Jahren wurden die Halbjahres- und Jahreswartungen sowie die Inspektionen vom Hersteller DeWind durchgeführt. Seit 2015 wird der Windpark durch die Firma ENERTRAG Service GmbH, Gut Dauerthal, 17291 Dauerthal gewartet. Die Wartungstermine fanden wie folgt statt: Art der Wartung Termin Inbetriebnahme Februar 2001 Erstwartung April 2001 Halbjahreswartung Oktober 2001 Jahreswartung Oktober 2002 Halbjahreswartung April 2003 Jahreswartung November 2003 Halbjahreswartung Mai 2004 Jahreswartung Oktober 2004 Halbjahreswartung Mai 2005 Jahreswartung und wiederkehrende Prüfung (letztere von Germanischer Lloyd) November 2005 Halbjahreswartung Juli 2006 Jahreswartung Februar 2007 wiederkehrende Prüfung (von Germanischer Lloyd) Juli 2007 Halbjahreswartung Oktober 2007 Inspektion Februar 2008 Jahreswartung Juni 2008 Umrichterwartung Juni 2008 Inspektion September 2008 Halbjahreswartung Dezember 2008 Inspektion und wiederkehrende Prüfung (letztere von Germanischer Lloyd) März 2009 Jahreswartung Juni 2009 Inspektion September 2009 Umrichterwartung Dezember 2009 Halbjahreswartung Februar 2010 Inspektion April 2010 Jahreswartung Juni 2010 Inspektion September 2010 Umrichterwartung Oktober 2010 Halbjahreswartung und wiederkehrende Prüfung (letztere von „Germanischer Lloyd“ Garrad Hassan) November 2010 Inspektion März 2011 Jahreswartung Juni 2011 Inspektion Oktober 2011 Umrichterwartung November 2011 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/7428 3 Art der Wartung Termin Halbjahreswartung Februar 2012 Inspektion März 2012 Jahreswartung Juni 2012 Inspektion September 2012 Umrichterwartung September 2012 Halbjahreswartung November 2012 Inspektion März 2013 wiederkehrende Prüfung (von „Germanischer Lloyd“ Garrad Hassan) April 2013 Jahreswartung August 2013 Umrichterwartung September 2013 Inspektion November 2013 Halbjahreswartung Januar 2014 Inspektion März 2014 Jahreswartung Juli 2014 Inspektion September 2014 Umrichterwartung Oktober 2014 Halbjahreswartung Dezember 2014 Inspektion April 2015 wiederkehrende Prüfung (von TmZ („Technik mit Zukunft“) Gerster Ingenieurbüro Schwanewede) Juli 2015 Jahreswartung August 2015 Inspektion Oktober 2015 Umrichterwartung Oktober 2015 Halbjahreswartung Februar 2016 Inspektion Mai 2016 Jahreswartung September 2016 Inspektion November 2016 6. Hat die SRH beziehungsweise die zuständige Fachbehörde einen Gutachter bestellt, um den Unglücksvorfall zu untersuchen? Ja, SRH hat am 4. Januar 2017 unmittelbar nach dem Ereignis einen Gutachter beauftragt. a. Wenn ja, welcher Gutachter wurde mit der Untersuchung beauftragt ? DNV GL („Germanischer Lloyd“). b. Wenn nein, weshalb wurde noch kein Gutachter mit der Untersuchung betraut? Entfällt. 7. Liegen der SRH, der BUE oder dem Senat bereits erste Erkenntnisse zum Hergang und der Ursache des Vorfalles vom 03.01.2017 vor? a. Falls ja, welche vorläufigen Erkenntnisse liegen dem Senat bereits vor? Zum Hergang ja, zur Ursache nein. Zum Hergang ist bekannt, dass sämtliche Flanschmuttern zwischen dem ersten und dem zweiten Turmsegment über die Gewinde der Schraubbolzen gezogen wurden. b. Falls nein, wann rechnet der Senat mit ersten vorläufigen Untersuchungsergebnissen und wann soll der Abschlussbericht vorliegen? Weitere Ergebnisse sowie der Zeitpunkt des Vorliegens des Abschlussberichtes sind noch nicht bekannt. 8. Auf welche Höhe ist der jetzige finanzielle Schaden zu beziffern? (Bitte auf die nachfolgenden Positionen aufschlüsseln.) Der gesamte Schaden ist noch nicht zu beziffern. Drucksache 21/7428 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 a. Höhe der Kosten für die Erstinbetriebnahme (damaliger Anschaffungspreis zuzüglich Kosten für Errichtung und Montage)? Etwa 650.000 Euro netto, etwa 200.000 Euro netto für Fundamentgründung und weitere Nebenkosten. b. Höhe der Kosten für eine mögliche Wiederherrichtung (Kosten für Neubeschaffung zuzüglich Kosten für Errichtung und Montage sowie für die Demontage der zerstörten Anlage)? Hierzu liegen noch keine Erkenntnisse vor. c. Voraussichtlicher Ausfall zukünftiger (Strom-)Erlöse für die SRH? Für die betroffene Anlage etwa 9.000 Euro/Monat. Da zurzeit auch die beiden anderen WEA zur Vorsicht außer Betrieb genommen wurden und untersucht werden, fallen auch für diese beiden Anlagen vorübergehend Stromerlöse weg. 9. War die zerstörte WEA der SRH versichert? a. Wenn ja, wer ist der Versicherer? b. Wenn ja, welche maximale Schadenshöhe ist durch die Versicherung abgedeckt? Ja. Der Versicherer ist Catlin Europe SE, Kranhaus 1, 50678 Köln, im Auftrag und Rechnung der Catlin Insurance Company (UK) Ltd., 20 Gracechurch Street, London. Es sind knapp 2 Millionen Euro im Rahmen einer Maschinenkaskoversicherung und etwa 340.000 Euro im Rahmen einer Maschinenkasko-BU-Versicherung (Einspeiseausfall durch Betriebsunterbrechung) durch die Versicherung abgedeckt. c. Wenn ja, auf welche Höhe lässt sich der Versicherungsschaden zum jetzigen Zeitpunkt beziffern? Hierzu liegen noch keine Erkenntnisse vor, da die Ursache noch nicht feststeht. d. Wenn ja, reicht die abgeschlossene Versicherung zur Deckung des gesamten finanziellen Schadens? Hierzu liegen noch keine Erkenntnisse vor. e. Wenn nein, aus welchem Grund wurde keine Versicherung abgeschlossen ? f. Wenn nein, haften gegebenenfalls Dritte für den eingetretenen Schaden und wenn ja, in welcher Höhe? Entfällt. 10. Haben sich die statischen und technischen Anforderungen und Vorschriften an neu zu errichtende Windräder in Deutschland seit Baubeginn des besagten Windrades verändert? a. Falls ja, welche konkreten Vorschriften waren für die Anlage der SRH relevant und wann sind diese jeweils in Kraft getreten? b. Falls ja, welche Änderungen an der technischen Ausstattung und der Betriebsführung wurden im Zuge von neuen beziehungsweise verschärften Anforderungen und Vorschriften durch die SRH beziehungsweise die zuständige Behörde vorgenommen? (Bitte Zeitpunkt , Anlass und Maßnahme benennen.) Ja. Die Richtlinie für Windenergieanlagen (WEA) des Deutschen Instituts für Bautechnik – Einwirkungen und Standsicherheitsnachweise für Turm und Gründung – vom Juni 1993 wurde im März 2004 und im Oktober 2012 fortgeschrieben. Im Übrigen unterliegen auch WEA dem Bestandsschutz, sodass behördlicherseits regelhaft keine Anpassung baulicher Anlagen an neue Vorschriften verlangt werden kann.