BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/7444 21. Wahlperiode 13.01.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Gladiator (CDU) vom 05.01.17 und Antwort des Senats Betr.: Windenergieanlagen (WEA) gegen den Bürgerwillen und ohne öffentliche Beteiligung Der Senat ignoriert nicht nur den Willen der Bevölkerung, sondern bricht darüber hinaus im Bezirk Bergedorf eigene Versprechen zur Öffentlichkeitsbeteiligung bei Bauvorhaben von WEA. Der Senat und die damalige Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt setzten sich bereits 2013 ohne mit der Wimper zu zucken über das Ergebnis des Bürgerentscheids „Windkraft“ gegen die im Bezirk Bergedorf beabsichtigten Bauverfahren von Windkraftanlagen hinweg. Der Senat missachtete damit den Bevölkerungswunsch für den Erhalt der Kulturlandschaft und die Berücksichtigung der Interessen der Menschen vor Ort, keine Windkraftanlagen höher als 100 Meter zu genehmigen. Um aber wenigstens die Öffentlichkeit im Genehmigungsprozess zu beteiligen, sicherten die zukünftigen Betreiber sowie Senatsvertreter in der gemeinsamen Sitzung des Umweltausschusses und des Stadtentwicklungsausschusses am 21. November 2013 zu, „das förmliche (Verfahren) gewählt (zu haben), um eben die Öffentlichkeitsbeteiligung zu ermöglichen.“ Selbst davon weicht der Senat fortlaufend ab. Bereits in Curslack beantragte die Antragstellerin entgegen ihrer ausdrücklichen Zusagen in der oben genannten Sitzung bei der zuständigen Behörde ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren (ohne Öffentlichkeitsbeteiligung). Ein förmliches Verfahren (mit Öffentlichkeitsbeteiligung ) hielt die Antragstellerin gemäß Senatsantwort auf meine Anfrage (Drs 21/1185) „für nicht notwendig“. Daraufhin versuchte die CDU auf Bezirksebene mit dem Antrag „Keine Windenergieanlagen ohne Bürgerbeteiligung“ (Drs. 20-0513) durchzusetzen, dass „der Bezirksamtsleiter (…) sich beim Senat mit seiner gesamten Autorität dafür (…) (einsetze), dass das Genehmigungsverfahren für den Bau der fünf Windenergieanlagen der HAW in Curslack mit größtmöglicher Bürgerbeteiligung durchgeführt wird.“ Diese Initiative wurde mit den Stimmen von SPD und GRÜNEN abgelehnt. Dabei hatten die GRÜNEN noch im Wahlkampf im Februar 2015 den Baden- Württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann nach Hamburg zum Thema „Politik des Gehörtwerdens“ geholt. Die heutige Zweite Bürgermeisterin konstatierte damals, dass sie den Eindruck habe, dass Bürgermeister Olaf Scholz zwar oft ankündige, mit den Bürgern in Dialog treten zu wollen, danach aber dennoch nur seinen ursprünglichen Plan verfolge. Dies bestätigt sich nunmehr bitter, obgleich Ministerpräsident Kretschmann mahnte: „Durch nichts wird das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger so beschädigt, als wenn sie den Eindruck haben, dass hinter den Kulissen schon alles entschieden ist.“ Die zuständige Behörde vertröstete im Verfahren zur Aufstellung des Flächennutzungsplans (FNP) hinsichtlich der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) 2012/2013 für die Windeignungsgebiete in den Vier- und Marschlan- Drucksache 21/7444 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 den auf die Zukunft. (Änderung PFNP: „Die Darstellung von Eignungsgebieten für Windenergieanlagen beinhaltet weder konkrete Standorte noch ergeben sich daraus Rechtsansprüche“)1 Angeblich würden die Details im Bauantragsverfahren und der zu erteilenden Baugenehmigung bearbeitet (FNP: „In jedem Einzelfall erfolgt dabei eine Prüfung des Vorhabens auf Umweltverträglichkeit “).2 Tatsächlich wird im Baugenehmigungsverfahren jedoch auf die „überschlägigen“ UVP des FNP der Vergangenheit verwiesen. Damit wird die Bürgerschaftsentscheidung von 12/2013 mit ihren damaligen Gründen ad absurdum geführt und die betroffenen Parlamentarier und Bürger werden durch Zirkelschlüsse an der Nase herumgeführt. Entsprechend scheint es so, dass auch in Altengamme im Rahmen lediglich einer „überschlägigen“ Umweltverträglichkeitsprüfung über den Bau von neuen Riesen-WEA entschieden werden soll und die Öffentlichkeitsbeteiligung somit ausgeschlossen wird. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Ist es zutreffend, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung im Genehmigungsverfahren für WEA in Hamburg und insbesondere in Altengamme überschlägig ohne Öffentlichkeitsbeteiligung erfolgen soll? Windfarmen mit drei und mehr Windkraftanlagen (WKA) mit einer Gesamthöhe größer 50 m unterliegen dem Anwendungsbereich des Umweltverträglichkeitsgesetzes (UVPG). Gemäß der Anlage 1 zum UVPG sind Windfarmen mit 20 oder mehr WKA generell UVP-pflichtig, das heißt eine Umweltverträglichkeitsprüfung ist durchzuführen . Windfarmen mit 6-19 WKA unterliegen nach dem UVPG einer allgemeinen, Windfarmen mit 3 – 5 WKA einer standortbezogenen Vorprüfung des Einzelfalls. Nur UVP-pflichtige Vorhaben sind als förmliche Genehmigungsverfahren nach Bundes -Immissionsschutzgesetz mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen. In Altengamme sind sechs WKA zu betrachten, infolgedessen war eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls erforderlich. Im Änderungsverfahren für den Flächennutzungsplan 2013 ist unter Beteiligung der zuständigen Behörden und der Öffentlichkeit eine strategische Umweltprüfung erfolgt. Die Prüfung relevanter Umweltbelange in einem zeitlich nachfolgenden Genehmigungsverfahren kann sich auf die dort getroffenen Einschätzungen und Entscheidungen beziehen und sich auf zusätzliche und andere Umweltauswirkungen beschränken . Das Ergebnis der allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls wurde am 9. Dezember 2016 im „Amtlichen Anzeiger“ Nummer 98, Seite 2159, veröffentlicht. 2. Wenn keine Öffentlichkeitsbeteiligung erfolgt, ist die Antragstellerin/ Betreiberin von ihrer Zusage eines „förmliche(n) Verfahren) (…), um eben die Öffentlichkeitsbeteiligung zu ermöglichen“, abgerückt? Wenn ja, wann? Wenn nein, wieso wird nicht entsprechend verfahren? 3. Was spricht gegen eine Öffentlichkeitsbeteiligung? Die Antragstellerin hat sich entschieden, ein sogenanntes nicht förmliches Genehmigungsverfahren zu beantragen. Sie hat bereits in der gemeinsamen Sitzung des Umweltausschusses und des Stadtentwicklungsausschusses am 21. November 2013 auf die unterschiedliche Verfahrensdauer zwischen vereinfachtem Verfahren und Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung hingewiesen. Bei einem Vorhaben mit weniger als 20 WKA ist ein solches vereinfachtes Verfahren ohne öffentliche Beteiligung rechtlich möglich. Die Genehmigungsbehörde verfügt über keine rechtliche Grundlage, ein förmliches Verfahren zu fordern. 1 133. Flächennutzungsplanänderung (F1/12), Seite 7. 2 Siehe oben: 133. Flächennutzungsplanänderung (F1/12), Seite 7.