BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/7487 21. Wahlperiode 17.01.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 10.01.17 und Antwort des Senats Betr.: Kurzer Prozess gegen reisende Straftäter – Wie ist die Praxis in Hamburg ? Einem Bericht der „Kieler Nachrichten“ vom 5. Januar 2017 zufolge hat sich das beschleunigte Verfahren gegen Laden- und Taschendiebe ohne festen Wohnsitz, die sich dem herkömmlichen Zugriff der Justiz durch Abwesenheit entziehen, im Raum Neumünster-Norderstedt bewährt. Seit April letzten Jahres hat das Amtsgericht Neumünster 30 Verfahren gegen reisende Straftäter zum Abschluss gebracht: Verurteilt wurden überwiegend Täter aus Osteuropa , teilweise waren sie einschlägig vorbestraft. Alle Täter seien auf frischer Tat ertappt und zur Sicherstellung ihres Prozesses auf richterlichen Beschluss in die sogenannte Hauptverhandlungshaft genommen worden. Nach der Strafprozessordnung ist es möglich, Verdächtige bis zu einer Woche lang vor der Verhandlung in Haft zu nehmen. Binnen dieser Woche hat die Polizei schnell zu ermitteln, die Staatsanwaltschaft die Anklage kurzfristig zu verfassen, ein Dolmetscher bestellt zu werden und es ist ein Verhandlungssaal zu bestimmen. Dem Artikel zufolge sei dies in Großstädten wie Hamburg, München und Berlin längst tägliche Praxis. Nach § 417 Strafprozessordnung stellt die Staatsanwaltschaft beim Strafrichter oder dem Schöffengericht am Amtsgericht den Antrag auf Durchführung des beschleunigten Verfahrens, wenn die Sache aufgrund des einfachen Sachverhalts oder der klaren Beweislage zur sofortigen Verhandlung geeignet ist (§ 417 StPO). Wenn sich die Sache zur Verhandlung in diesem Verfahren eignet, muss das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Durchführung des beschleunigten Verfahrens entsprechen (§ 419 Absatz 1 StPO). Dies vorausgeschickt frage ich den Senat: 1. Wie viele Anträge auf Durchführung des beschleunigten Verfahrens hat die Staatsanwaltschaft in den Jahren 2015 und 2016 jeweils gestellt? Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat im Jahr 2015 in 409 Fällen und in den ersten drei Quartalen des Jahres 20161 in 304 Fällen Anträge auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren gestellt. 1 Die statistische Auswertung für das 4. Quartal 2016 liegt noch nicht vor. Drucksache 21/7487 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 2. Wie viele beschleunigte Verfahren wurden vor den Amtsgerichten in Hamburg in den Jahren 2015 und 2016 jeweils durchgeführt? Vor den Amtsgerichten in Hamburg wurden im Jahr 2015 493 und in den ersten drei Quartalen des Jahres 20161 330 beschleunigte Verfahren durchgeführt. 3. § 127b Absatz 1 Nummer 1 StPO ermöglicht die vorläufige Festnahme eines auf frischer Tat Betroffenen oder Verfolgten durch die Staatsanwaltschaft oder ihre Hilfsbeamten, wenn eine unverzügliche Entscheidung im beschleunigten Verfahren wahrscheinlich ist. Wie viele Tatverdächtige befanden sich in den Jahren 2015 und 2016 jeweils in Hauptverhandlungshaft ? Vor den Amtsgerichten in Hamburg wurden im Jahr 2015 sechs und in den ersten drei Quartalen des Jahres 20161 vier beschleunigte Verfahren gegen Personen durchgeführt , die sich zuvor in Hauptverhandlungshaft nach § 127b StPO befunden haben. Ob sich darüber hinaus weitere Personen in Hauptverhandlungshaft befunden haben, gegen die es in der Folge dann aber nicht zu einer Verhandlung im beschleunigten Verfahren gekommen ist, kann nicht ermittelt werden. Die hierfür erforderlichen Daten werden statistisch nicht erfasst. Es müssten daher alle infrage kommenden Akten der Justizvollzugsanstalten, der Untersuchungshaftanstalt sowie der Staatsanwaltschaft händisch ausgewertet werden. Dies würde alleine in der Untersuchungshaftanstalt bereits 3.892 Akten betreffen. Eine solche Auswertung ist in der zur Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Hinzuweisen ist allerdings darauf, dass das beschleunigte Verfahren auch im Anschluss an den Erlass eines Haftbefehls nach §§ 112 fortfolgende StPO infrage kommt. Hiervon wird insbesondere dann Gebrauch gemacht, wenn im Zeitpunkt der Zuführung vor den Haftrichter noch nicht sicher abzusehen ist, ob die Voraussetzungen des § 127b StPO erfüllt sind, jedenfalls aber die der §§ 112 fortfolgende StPO vorliegen. 4. Wie beurteilt die zuständige Behörde die Möglichkeit des beschleunigten Verfahrens mit Hauptverhandlungshaft für reisende Straftäter? Inwiefern ist für diese Tätergruppe eine Ausweitung dieser Verfahrensmöglichkeit geplant? Das beschleunigte Verfahren mit Hauptverhandlungshaft nach § 127b StPO wird grundsätzlich als sinnvolles Instrument bei der Verfolgung kleinerer Delikte insbesondere auch gegenüber Straftätern ohne festen Wohnsitz in Deutschland angesehen. Die zuständige Behörde prüft derzeit die Möglichkeiten, diese Verfahrensweise in der Praxis auszuweiten.