BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/7493 21. Wahlperiode 17.01.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Wieland Schinnenburg (FDP) vom 10.01.17 und Antwort des Senats Betr.: Minderjährige Drogensüchtige Ich frage den Senat: 1. Welche Einrichtungen sind für die Unterbringung und Behandlung von minderjährigen Drogensüchtigen in Hamburg geeignet und welche Einrichtungen nehmen aktuell minderjährige Drogensüchtige zur Behandlung auf? Für Fälle, in denen eine klinische Behandlungsbedürftigkeit besteht, weist der Krankenhausplan 2020 der Freien und Hansestadt Hamburg im Rahmen des Fachgebiets Kinder- und Jugendpsychiatrie zwei spezielle Angebote zur stationären Suchtbehandlung für Kinder und Jugendliche aus. Die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) bietet zwölf Betten und sieben teilstationäre Behandlungsplätze für suchtkranke Kinder und Jugendliche. Darüber hinaus verfügt das UKE über eine Drogen- und Alkoholambulanz für Jugendliche, junge Erwachsene und deren Familien sowie eine Ambulanz für seelisch erkrankte Kinder und Jugendliche. In der Fachklinik Bokholt in Bokholt-Hanredder des Hamburger Trägers Therapiehilfe e.V. stehen zwölf Betten für den Qualifizierten Entzug von drogenabhängigen Jugendlichen im Alter ab zwölf Jahren zur Verfügung. Neben diesen Spezialangeboten sind auch die anderen Abteilungen des Fachgebiets Kinder- und Jugendpsychiatrie in der Lage, entsprechende Behandlungsangebote für minderjährige Drogensüchtige zu machen und gerade in Krisensituationen Kinder und Jugendliche aufzunehmen. In Fällen einer akuten Intoxikation steht das gesamte Spektrum der klinischen Versorgung zur Verfügung. Der Träger Therapiehilfe e.V. betreut zudem Minderjährige, die erfolgreich eine Entgiftung abgeschlossenen haben, in der Einrichtung COME IN. In der Einrichtung COME IN stehen 30 Plätze zur Verfügung. 2. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit Einrichtungen minderjährigen Drogensüchtigen aufnehmen dürfen? Die Aufnahme zur Behandlung einer im Vordergrund stehenden Suchtmittelabhängigkeit im Krankenhaus erfolgt nach den einschlägigen Vorschriften des SGB V. Voraussetzung für die Aufnahme in die Einrichtung COME IN von Therapiehilfe e.V. ist eine gültige Bestätigung der Kostenübernahme einer Krankenkasse, der Rentenversicherung , der Jugendhilfe oder der Sozialhilfe. Darüber hinaus muss die Entgiftung abgeschlossen sein oder der Nachweis der Drogenfreiheit (zum Beispiel durch Urinkontrolltests) erbracht werden. Drucksache 21/7493 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 3. Wie genau sind zwischen den Einrichtungen die Kompetenzen verteilt? Welche Einrichtung ist für welche Fälle zuständig, gibt es etwa geografische , medizinische, rechtliche oder weitere Kriterien? Wenn ja, welche? Nur im Rahmen der sektoralen Pflichtversorgung zur entsprechenden Unterbringung im Rahmen des Hamburgischen Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (HmbPsychKG) gibt es eine Zuordnung zu einem bestimmten Krankenhaus, welche der Wohnort der unterzubringenden Person bestimmt. Im Übrigen siehe Antworten zu 1. und zu 2. 4. Welche Anzahl an Minderjährigen wurde wegen einer Drogensucht in den Jahren 2015 und 2016 in Einrichtungen behandelt? Bitte nach Einrichtungen und Suchterkrankungen aufschlüsseln. Die von der BGV ausgewerteten Belegungsdaten haben folgendes ergeben: Krankenhaus Abteilung Anzahl der Fälle 2015 Anmerkungen Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Kinder- und Jugendpsychiatrie Jugend-Suchtstation 108 Patientinnen und Patienten bis einschließlich 18 Jahre   Sucht-Tagesklinik für Jugendliche 64 Patientinnen und Patienten bis einschließlich 18 Jahre Fachklinik Bokholt der Therapiehilfe e.V., Fachklinik für Kurzzeitrehabilitation und Qualifizierten Entzug in Bokholt-Hanredder Kinder- und Jugendpsychiatrie Sucht-Station für Jugendliche 262 Patientinnen und Patienten bis einschließlich 21 Jahre Quelle: Belegungsdaten BGV Für das Jahr 2016 liegen die Daten noch nicht vor. Eine Aufschlüsselung nach Art der Suchterkrankungen wird nicht gesondert geführt. Hierfür ist eine manuelle Durchsicht aller Akten erforderlich, die in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht leistbar ist. In der Drogen- und Alkoholambulanz für Jugendliche, junge Erwachsene und deren Familien sowie in der Ambulanz für seelisch erkrankte Kinder und Jugendliche des UKE wurden 778 beziehungsweise 727 Fälle versorgt. Für das Jahr 2016 liegen die Daten noch nicht vollständig vor. Eine Aufschlüsselung nach Art der Suchterkrankungen wird nicht gesondert geführt. Hierfür ist eine manuelle Durchsicht aller Akten erforderlich, die in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht leistbar ist. In der Einrichtung COME IN der Therapiehilfe e.V. in Hamburg sind in den Jahren 2015 und 2016 Jugendliche wie folgt versorgt worden: 2015 79 Minderjährige Davon : Cannabis 47, Polyvalente Abhängigkeit 22, Alkohol 6, Stimulanzen 2, Kokain 2 2016 75 Minderjährige Davon: Cannabis 42, Polyvalente Abhängigkeit 22, Alkohol 3, Stimulanzen 8 5. Welche Anzahl von Minderjährigen ist in den Jahren 2015 und 2016 nach PsychKG oder §1631b BGB und §1631b BGB per einstweiliger Anordnung wegen einer Suchterkrankung in eine Einrichtung eingewiesen worden? Bitte ebenfalls nach Einrichtungen und Suchterkrankungen aufschlüsseln. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/7493 3 Das Merkmal „Diagnose“ wird in Zusammenhang mit Einweisungen nach HmbPsychKG nicht gesondert erfasst. Eine Statistik über die Durchführung von Unterbringungen nach § 1631b BGB wird nicht geführt. Eine Einzelauswertung aller Patientenakten ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu leisten. 6. Gibt es auch minderjährige Drogensüchtige, die sich aktuell im Maßregelvollzug befinden? Wenn ja, welche Anzahl mit welcher Suchterkrankung und in welcher Einrichtung? Nein. 7. Welche Anzahl an Plätzen steht für Minderjährige Drogensüchtige in den oben abgefragten Einrichtungen zur Verfügung? Bitte Plätze in Akutstationen gesondert aufschlüsseln. Siehe Antwort zu 1. 8. Wie hoch ist die Auslastung der Einrichtungen, wie lang sind aktuell die Wartelisten? In der Krankenhausstatistik wird die Auslastung der Plankrankenhäuser auf Fachabteilungsebene erfasst. Die Auslastung der im Krankenhausplan der Freien und Hansestadt Hamburg ausgewiesenen Kapazitäten in der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Fachklinik Bokholt lag im Jahr 2015 bei 74,4 Prozent. Die Wartezeiten liegen bei ein bis zwei Wochen. In der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik des UKE lag die Auslastung der Station für suchtkranke Jugendliche lt. UKE im vollstationären Bereich in 2015 bei 110 Prozent, in 2016 bei 108 Prozent. Die Auslastung der sieben teilstationären Behandlungsplätze lag 2015 bei rund 100 Prozent, in 2016 bei rund 98 Prozent. Die Wartezeiten variieren stark. In den Jahren 2015 und 2016 lagen sie im UKE für eine Aufnahme auf der Jugend-Suchtstation zwischen vier und zwölf Wochen und in der in der Sucht-Tagesklinik für Jugendliche zwischen zwei bis vier Wochen. Die Wartezeit für ein Erstgespräch in der Drogen- und Alkoholambulanz für Jugendliche , junge Erwachsene und deren Familien liegt zwischen zwei und sechs Wochen. Akut behandlungsbedürftige Patientinnen und Patienten werden darüber hinaus kurzfristig in der Notfallsprechstunde der Ambulanz behandelt. Die Auslastung der Einrichtung COME IN von Therapiehilfe e.V. lag 2016 bei rund 97 Prozent. Es gab keine Wartezeiten. 9. Was tun die Einrichtungen, wenn alle Plätze belegt sind und ein akuter Fall eingeliefert wird? Wie oft ist dies in den Jahren 2015 und 2016 vorgekommen ? Weder Notfälle noch akut krankenhausbehandlungsbedürftige Fälle werden von den Hamburger Plankrankenhäusern abgewiesen. Sollte ein Krankenhaus kapazitätsbedingt nicht in der Lage sein, eine Patientin beziehungsweise einen Patienten aufzunehmen , hat es im Rahmen des Fallmanagements die Verlegung und Aufnahme in einem geeigneten anderen Krankenhaus zu veranlassen. Das UKE hat dargelegt, dass akut kinder- und jugendpsychiatrisch beziehungsweise suchtpsychiatrisch behandlungsbedürftige minderjährige Drogenkonsumenten bei Vollbelegung der Jugend-Suchtstation bevorzugt behandelt und im Rahmen einer „Überbelegung“ stationär versorgt werden. In der Einrichtung COME IN werden keine akuten Notfälle aufgenommen. 10. Welche Anzahl an abgewiesenen Fällen gab es in den Einrichtungen in den Jahren 2015 und 2016? Aus welchen Gründen wurde abgewiesen? Siehe Antworten zu 1. und zu 9. Drucksache 21/7493 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 11. Welche Anzahl an Patienten wurde in den Jahren 2015 und 2016 vorzeitig aus der Behandlung entlassen? Erfolgten auch vorzeitige Entlassungen , wenn trotzdem eine Behandlung laut Gerichtsbeschluss oder nach ärztlicher oder pädagogischer Einschätzung noch erforderlich war? Wie wird sichergestellt, dass die entlassenen Patienten eine Unterkunft haben? Wer entscheidet über die Entlassung von Patienten? Im Sinne der Fragestellungen liegen die Angaben nicht vor. Eine Einzelauswertung aller Patientenakten ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu leisten. 12. Wenn Patienten vorzeitig entlassen werden, auf wessen Wunsch erfolgt das und wird das mit den Vormündern/Erziehungsberechtigten oder anderen Stellen im Hilfesystem abgesprochen? Wenn ja, wie, wenn nein, warum nicht? Die Entscheidung über die Entlassung trifft der verantwortliche Arzt beziehungsweise die verantwortliche Ärztin. Die Entlassung wird mit den Personensorgeberechtigten sowie den weiterbehandelnden beziehungsweise für die Betreuung zuständigen Einrichtungen abgesprochen. Nach Abbruch der (teil-)stationären Behandlung ist eine Wiederaufnahme unter bestimmten Voraussetzungen möglich und stellt eher die Regel als die Ausnahme dar. Ansonsten siehe Antwort zu 11. 13. Wie läuft das Entlassungsmanagement der Patienten und wie wird eine Nachversorgung gewährleistet? Welche Maßnahmen werden hier von den einzelnen Einrichtungen ergriffen? Nach § 6 Hamburgisches Krankenhausgesetz (HmbKHG) stellt das Krankenhaus die soziale Beratung und Betreuung der Patientinnen und Patienten sowie das Entlassungsmanagement durch geeignete Fachkräfte sicher. Welche Maßnahmen zur Anwendung kommen, ist abhängig vom individuellen Bedarf des jeweiligen Einzelfalls. Das UKE hat ergänzend mitgeteilt, dass die Sicherstellung der Nachsorge unter Berücksichtigung einer angemessenen Reintegration der Patientinnen und Patienten in das soziale Umfeld sowie in Schule und Beruf erfolgt. Falls indiziert, werden Patientinnen und Patienten in Maßnahmen der stationären/ambulanten Jugendhilfe sowie Jugendwohnungen und weiterführende therapeutische Hilfen überwiesen beziehungsweise in entsprechende Zuständigkeit vermittelt. Regelhaft wird allen Patientinnen und Patienten eine weiterführende kinder- und jugendpsychiatrische und psychotherapeutische Suchtbehandlung in der Ambulanz für seelisch erkrankte Kinder und Jugendliche (Ambulanzzentrum des UKE GmbH) oder in der Drogen und Alkoholambulanz für Jugendliche, junge Erwachsene und deren Familien (Psychiatrische Institutsambulanz des UKE) angeboten. 14. Wie hoch ist die Rückfallquote bei behandelten minderjährigen Drogensüchtigen ? Die Zahl der stationären Wiederaufnahmen minderjähriger Drogensüchtiger in Krankenhäuser nach vorangegangenem Qualifiziertem Entzug wird statistisch nicht erfasst. Eine Einzelauswertung aller Patientenakten ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu leisten. Nach ambulanter Therapie bei regulärer Therapiebeendigung sind fast 60 Prozent der behandelten Kinder und Jugendlichen abstinent. Bei etwa der Hälfte aller regulären Therapiebeendigungen wird nach Ablauf eines Jahres keine Missbrauchs- oder Abhängigkeitsdiagnose mehr gestellt. 15. Was passiert mit minderjährigen Drogenabhängigen, die keine Problemeinsticht zeigen? Welche Möglichkeiten bestehen, ihnen zu helfen? Sofern minderjährige Drogenabhängige den bezirklichen Jugendämtern bekannt werden , erhalten sie und ihre Personensorgeberechtigten Unterstützung und Beratung, insbesondere im Rahmen von Hilfen zur Erziehung. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/7493 5 Wenn es zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig ist, unterstützt das Jugendamt den Personensorgeberechtigten auch bei der Einholung einer Genehmigung des Familiengerichts zur freiheitsentziehenden Unterbringung, zum Beispiel zur Entgiftung in einer geeigneten Klink.