BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/7505 21. Wahlperiode 17.01.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Andreas Dressel und Dr. Monika Schaal (SPD) und Dr. Anjes Tjarks und Ulrike Sparr (GRÜNE) vom 11.01.17 und Antwort des Senats Betr.: Stärkung des Fluglärmschutzes – hier: Flachstartverfahren Die Metropolregion Hamburg verfügt mit dem Hamburg Airport „Helmut Schmidt“ über einen leistungsfähigen, modernen Flughafen. Er bietet Zugang zu einem dichten Netz von Direktflügen primär nach Europa, ergänzt um Verbindungen zu europäischen und interkontinentalen Drehkreuzen. Zugleich ist der Hamburg Airport „Helmut Schmidt“ ein Standortfaktor für die Luftfahrtindustrie, für die Wirtschaft und den Tourismus in Hamburg und in der Metropolregion. Mit 15.000 Beschäftigten am Standort gehört der Flughafen zu den größten Arbeitgebern der Stadt. Hamburg Airport „Helmut Schmidt“ muss als großer stadtnaher Flughafen auch einen Interessenausgleich mit den betroffenen Anwohnerinnen und Anwohnern suchen. Schutz vor Fluglärm ist lange Politik des Senats. Mit strengen Nachtflugbeschränkungen, Lärmkontingentierung, dem lärmabhängigen Landesentgelt, dem Bau der Lärmschutzhalle für Probeläufe großer Flugzeuge, mit lärmoptimierten An- und Abflugrouten, festgelegten Bahnbenutzungsregeln und durch immer weitere Reduzierung von lautem Fluggerät, aber auch durch bestimmte betriebliche Regelungen für Abläufe am Boden gelingt es dem Senat, den Fluglärm zu begrenzen. Des Weiteren hat der Flughafen im Rahmen zahlreicher freiwilliger Lärmschutzprogramme Lärmschutzfenster, Lüfter und Fensterreparaturen finanziert und damit den passiven Lärmschutz sukzessive verbessert. Mit seinem Fluglärminformationstool TraVis und seinen freiwilligen Lärmschutzprogrammen schafft der Flughafen auch mehr Transparenz in Sachen Fluglärm. Der von der Bürgerschaft im Februar 2015 beschlossene 16- Punkte-Plan, den der Senat mit der Drs. 21/4209 im April 2016 umgesetzt hat, bietet weitere Möglichkeiten, den Lärmschutz zu verbessern. So hat Hamburg als erstes Bundesland die Arbeit der Fluglärmschutzbeauftragten auf eine eigene gesetzliche Grundlage gestellt und diese Stelle damit maßgeblich gestärkt. Bei der Erfüllung der in dem Gesetz aufgeführten Aufgaben wie den Mitwirkungs- und Beteiligungsrechten und der Beschwerdebearbeitung ist die Fluglärmschutzbeauftragte weitgehend weisungsunabhängig. Das Gesetz bildet die Grundlage für die Erstellung einer Statistik über die Beschwerdelage in Hamburg und in den Umlandgemeinden. Als ein weiterer Aspekt für eine weitere Stärkung des Fluglärmschutzes wird seit Jahren das An- und Abflugverhalten der Flugzeuge diskutiert. Von Bürgerinnen und Bürgern, die sich über Fluglärm beschweren, wird immer wieder vorgebracht, dass sie sich vom sogenannten Flachstartverfahren besonders stark belastet fühlen. 2014 hatte die Lufthansa GmbH für Ihre Flotte das Drucksache 21/7505 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 sogenannte Flachstartverfahren eingeführt. Dieses Verfahren wird seit 2012 von vielen anderen Airlines am Hamburger Flughafen praktiziert. Dieser Aspekt wurde auch im Umweltausschuss am 26. Mai 2016 behandelt (Ausschussprotokoll Nummer 21/13). Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen auf der Grundlage von Auskünften der Flughafen Hamburg GmbH (FHG) wie folgt: 1. Inwieweit unterschiedet sich das sogenannte Flachstartverfahren von anderen Abflugverfahren? Das sogenannte Flachstartverfahren unterscheidet sich von anderen Abflugverfahren vor allem durch ein verändertes Höhenprofil. Nach dem Abheben von der Startbahn steigen Flugzeuge mit ausgefahrenen Klappen und nahezu konstanter Geschwindigkeit. Nach Erreichen einer bestimmten Höhe werden die Klappen eingefahren. Die Triebwerksleistung wird von Startschub auf Steigschub zurückgenommen. Der Steigwinkel nimmt ab. Dieser Cutback darf nach Maßgabe des Dokuments Nummer 8168 der Internationalen Luftfahrtorganisation (ICAO) (Part I, Section 7 „Noise Abatement Procedures“, Chapter 3.3) frühestens auf einer Höhe von 800 Fuß über Grund (244 Meter) erfolgen. Nach dem Cutback wird auf die bis zum Steigen auf Reiseflughöhe nötige Geschwindigkeit beschleunigt. Beim sogenannten Flachstartverfahren (offizielle Bezeichnung: Cutback 1.000 ft oder auch 1.000-Fuß-Acceleration-Verfahren) liegt die Höhe, in der die Klappen eingefahren und die Triebwerksleistung zurückgenommen werden, deutlich niedriger als bei anderen Varianten (in der Regel 1.000 statt 1.500 Fuß). Die Deutsche Lufthansa AG geht davon aus, dass durch die frühere Rücknahme der Triebwerksleistung in Deutschland über 3.000 t Kerosin und damit etwa 10.000 t CO2 eingespart würden (Quelle: Lufthansa Pressemitteilung „Lufthansa führt verändertes Startverfahren deutschlandweit ein“, 2014). Umfangreiche Auswertungen an verschiedenen Messstellen des Hamburger Flughafens haben ergeben, dass die Lärmauswirkungen dieses veränderten Startverfahrens wesentlich von der eigenen Position in Bezug zum Flugzeug abhängen. Während der Fluglärm in unmittelbarer Flughafennähe unter der Abfluggrundlinie um bis zu 2 dB(A) zunahm, konnte an anderen Messstellen keine spürbare Lärmzu- oder -abnahme nachgewiesen werden. Dies bestätigen auch Vergleichsstudien am Flughafen Berlin- Tegel. 2. Welche Erkenntnisse haben Senat beziehungsweise zuständige Stellen hinsichtlich der Entwicklung von sogenannten Flachstartverfahren? 3. Seit wann und in welche Richtung wird das sogenannte Flachstartverfahren am Hamburg Airport angewendet? Nach Abschluss eines zwölfmonatigen Probebetriebs am Flughafen Frankfurt hat die Deutsche Lufthansa AG das sogenannte Flachstartverfahren am 10. September 2014 deutschlandweit eingeführt. Nationale oder internationale Vergleiche zur Entwicklung des Flachstartverfahrens liegen nicht vor. Am Standort Hamburg kann das sogenannte Flachstartverfahren von den Airlines grundsätzlich in alle Abflugrichtungen angewendet werden. Untersuchungen der FHG belegen, dass dieses Verfahren allerdings vorrangig in Startrichtung 23 zur Anwendung kommt. 4. Planen Senat beziehungsweise zuständige Stellen gegebenenfalls, aus den gemachten Erfahrungen Konsequenzen zu ziehen und Änderungen vorzunehmen? Wenn ja: welche, wann und warum? Wenn nein: warum nicht? Die Fluglärmschutzkommission (FLSK) hat sich in ihrer Funktion als Beratungsgremium für die Genehmigungsbehörden und die DFS Deutsche Flugsicherung GmbH Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/7505 3 (DFS) bereits mehrfach mit dem Thema befasst. Insbesondere die Sitzung der FLSK vor Ort in Lurup hat gezeigt, dass das sogenannte Flachstartverfahren von einigen Bürgerinnen und Bürgern als zusätzliche Verschärfung der bestehenden Belastung durch Fluglärm empfunden wird. Der Senat und die FHG setzen sich vor diesem Hintergrund gegenüber den Airlines aus Lärmschutzgründen für einen Verzicht auf einen Cutback in Höhe von 1000 Fuß ein und werden zeitnah eine entsprechende Veröffentlichung im Luftfahrthandbuch (AIP) für Hamburg vornehmen lassen.