BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/7581 21. Wahlperiode 24.01.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Karin Prien (CDU) vom 17.01.17 und Antwort des Senats Betr.: Steigt die Zahl der von Zwangsehen betroffenen Minderjährigen weiter? Bereits im Sommer 2016 forderte die CDU-Fraktion in einem Antrag einen besseren „Schutz von Minderjährigen vor Eheschließungen im Kindes- und Jugendalter“ (Drs. 21/5699). Allerdings hat Rot-Grün den Wunsch der CDU, Hamburg möge eine eigene Gesetzesinitiative zu dieser Problematik im Bundesrat einbringen, in den Justizausschuss überwiesen, wo er bisher nicht behandelt wurde. Vieles spricht dafür, dass Rot-Grün hofft, dass sich die CDU-Forderung zeitnah erledigt, da Justizminister Heiko Maas (SPD) im Bund den geforderten Gesetzentwurf ausarbeiten soll. Allerdings konnte der im November 2016 präsentierte erste Entwurf selbst in den Reihen der Sozialdemokraten nicht überzeugen. Und während der Minister nicht hat durchblicken lassen, wann er eine Neufassung vorzulegen gedenkt, agieren Richter und Behördenmitarbeiter weiterhin in einer rechtlichen Grauzone. Medienberichten zufolge nimmt derweil die Zahl der von Zwangsehen betroffenen Jugendlichen zu. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Beratungen hinsichtlich des Gesetzgebungsverfahren auf Bundesebene sind noch nicht abgeschlossen. Hamburg wird sich im weiteren Verfahren dafür einsetzen, Kinder und Jugendliche so wirksam wie möglich zu schützen. Der Senat beantwortet vor diesem Hintergrund die nachstehenden Fragen wie folgt: 1. Wie viele Ehen mit mindestens einem minderjährigen Ehepartner sind den Hamburger Behörden mit Stand Ende 2016 bekannt? Bitte aufschlüsseln nach Herkunft, Geschlecht und den Altersgruppen unter 14 Jahre, 14 bis 16 Jahre, 16 bis 18 Jahre. Das Statistikamt Nord erhält halbjährlich – jeweils mit Stand vom 30. Juni und 31. Dezember – einen Gesamtabzug des Melderegisters und wertet dieses aus. Eine Auswertung der Daten mit Stand vom 31. Dezember 2016 wird frühestens im April/Mai 2017 vorliegen. Die aktuellsten zur Verfügung stehenden Zahlen bilden daher den Stand am 30. Juni 2016 ab und stellen sich wie folgt dar: Minderjährige Bevölkerung in Hamburg mit Familienstand „verheiratet“ unter 18 Jahre zum 30. Juni 2016 Staatsangehörigkeit unter 14 Jahren 14 bis unter 16 Jahren 16 bis unter 18 Jahre männlich weiblich männlich weiblich männlich weiblich Bulgarien – – – – – 1 Kosovo – – – – – 1 Afghanistan – – – – – 7 Irak – – – – – 1 Drucksache 21/7581 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Minderjährige Bevölkerung in Hamburg mit Familienstand „verheiratet“ unter 18 Jahre zum 30. Juni 2016 Staatsangehörigkeit unter 14 Jahren 14 bis unter 16 Jahren 16 bis unter 18 Jahre männlich weiblich männlich weiblich männlich weiblich Iran – 1 – – – – Syrien – – – 1 – 1 insgesamt – 1 – 1 – 11 Quelle: Statistikamt Nord, Melderegister 2. Sind dem Senat nach Scharia-Recht geschlossene Ehen unter Hamburg zugewiesenen Flüchtlingen bekannt, bei denen mindestens einer der Ehepartner minderjährig ist? Wenn ja, wie viele? Bitte aufschlüsseln nach Herkunft, Geschlecht und den Altersgruppen unter 14 Jahre, 14 bis 16 Jahre, 16 bis 18 Jahre. Siehe Drs. 21/4861. 3. Sah sich das Jugendamt in Hamburg im Jahr 2016 gezwungen, zum Wohle des minderjährigen Ehepartners einzugreifen? Wenn ja, wann und wie oft angesichts welcher Konstellation und in welcher Form erfolgte der Eingriff? Im Jahr 2016 musste kein Hamburger Jugendamt im Sinne der Fragestellung tätig werden. 4. Wie sollen f & w fördern und wohnen AöR und andere Betreiber von Flüchtlingsunterkünften reagieren, wenn sie bei ihren Bewohnern das Vorliegen einer Ehe mit mindestens einem minderjährigen Ehepartner feststellen? Welche offiziellen Handlungsanweisungen gibt es und an welche Beratungsstellen können sie sich wenden? Siehe Drs. 21/2363, 21/4174 und Drs. 21/5359. 5. An wen können sich beispielsweise Ärzte oder Lehrer wenden, die bei minderjährigen Patienten beziehungsweise Schülern das Gefühl haben, dass eine Zwangsehe vorliegt und nicht alles zum Wohle der/des Betroffenen abläuft? Grundsätzlich können sich Lehrkräfte und sonstige schulische Fachkräfte von ihrem schulischen Beratungsdienst beziehungsweise der Beratungslehrkraft, der Beratungsstelle Gewaltprävention der Behörde für Schule und Berufsbildung, der Abteilung Beratung – Vielfalt, Gesundheit und Prävention des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI), dem zuständigen Regionalen Bildungs- und Beratungszentrum (ReBBZ) beziehungsweise dem Beratungszentrum Berufliche Schulen (BZBS) sowie von entsprechenden Fachberatungsstellen beraten lassen. Zusätzlich kann hier die Expertise von speziell zum Opferschutz und zur interkulturellen Erziehung qualifizierten Lehr- und Fachkräften sowie von am LI ausgebildeten Kulturmittlerinnen und Kulturmittlern eingebunden werden. Darüber hinaus siehe Drs. 21/2363. Im Übrigen stehen die interkulturellen Beratungsstellen i.bera-verikom (verikom e.V.) und LÂLE in der Interkulturellen Begegnungsstätte e.V. (IKB e.V.) Lehrkräften, sonstigen schulischen Fachkräften, Ärzten sowie Fachkräften weiterer Berufsgruppen im Kontext von Zwangsverheiratungen als Beratungseinrichtungen zur Verfügung. Für Ärzte und Lehrkräfte gilt bei jedem Verdacht auf Kindeswohlgefährdung im Rahmen der beruflichen Tätigkeit von Geheimnisträgern § 4 des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) zur Beratung und Übermittlung der Informationen an das örtlich zuständige Jugendamt. Speziell zum Thema „Zwangsverheiratung“ sind entsprechende Hinweise, die für Lehrkräfte, sonstige schulische Pädagoginnen und Pädagogen sowie für Fachkräfte anderer Berufsgruppen hilfreich sind, auf der Internetseite der Behörde für Arbeit, Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/7581 3 Soziales, Familie und Integration (BASFI) unter http://www.hamburg.de/opferschutz/ 4343502/intervention-zwangsverheiratung/ zusammengestellt.