BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/7593 21. Wahlperiode 24.01.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 18.01.17 und Antwort des Senats Betr.: Kopftuch zur Robe – Wie ist die Praxis in Hamburgs Gerichtssälen? Oberstes Gebot für Staatsanwälte und Richter ist die Neutralität; um dies zum Ausdruck zu bringen tragen sie im Gerichtssaal auch einheitlich weiße Hemden beziehungsweise Blusen und schwarze Roben. Es stellt sich die Frage, ob diese Neutralität durch das Tragen eines muslimisch motivierten Kopftuchs beeinträchtigt wird. Im vergangenen Jahr sah das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg das vom Landesjustizministerium Bayern erlassene Kopftuchverbot bei Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten mit Außenwirkung gegen eine Rechtsreferendarin als Verstoß gegen die Religionsfreiheit an und hob dieses auf; zur Begründung führte es an, dass ein Erlass des Ministeriums für einen solchen Eingriff nicht ausreiche, sondern dies formell per Gesetz geregelt werden müsse (Urteil vom 30. Juni 2016, Az. Au 2 K 15.457). Die Entscheidung erregte große Aufmerksamkeit. So versicherte beispielsweise der Justizminister aus Nordrhein-Westfalen, dass sich Gerichte in NRW nicht daran halten würden. „Das Kopftuch hinter der Richter- und Staatsanwältebank wird weiterhin in Nordrhein-Westfalen ein Tabu bleiben.“ Es vertrage sich nicht mit der strikten Neutralität, die von Richterinnen und Staatsanwältinnen erwartet werde. Auch der Deutsche Richterbund verwies auf das Gebot staatlicher Neutralität: „Die stets gleiche, neutral gehaltene Kleidung von Richterinnen und Richtern soll allen Prozessbeteiligten schon äußerlich signalisieren, dass das Gericht objektiv, unvoreingenommen und nur nach dem Gesetz über ihren Rechtsstreit entscheidet“, erläuterte der Bundesgeschäftsführer des Richterbunds, Sven Rebehn. Nunmehr plant der baden-württembergische Justizminister Wolf ein Neutralitätsgesetz, mit dem Richter und Staatsanwälte verpflichtet werden sollen, im Gerichtssaal auf religiöse, weltanschauliche und politische Symbole zu verzichten. Die Wahrung der weltanschaulich-religiösen Neutralität im Gerichtssaal ist eine maßgebliche Säule für das Vertrauen in den Rechtsstaat. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Welche Regelung zum Tragen von Kopftüchern und/oder anderen religiösen Symbolen besteht in Hamburgs Gerichtssälen? Wann wurde diese von wem erlassen? In Hamburgs Gerichtssälen bestehen keine besonderen Regelungen zum Tragen von Kopftüchern oder religiösen Symbolen. 2. Wie viele Rechtsreferendarinnen und/oder Richterinnen beziehungsweise Staatsanwältinnen haben seit dem Jahre 2012 muslimisch motivierte Drucksache 21/7593 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Kopftücher getragen? Haben sie diese auch bei Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten mit Außenwirkung getragen? 3. Gab es seit dem Jahre 2012 Schöffinnen, die ein muslimisch motiviertes Kopftuch getragen haben? Haben sie diese auch bei Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten mit Außenwirkung getragen? Beim Sozialgericht und beim Landgericht sind je zwei Fälle erinnerlich, in denen ehrenamtliche Richterinnen Kopftücher in der mündlichen Verhandlung getragen haben. Im Übrigen sind keine Fälle bekannt geworden. Für weitere Ermittlungen müssten sämtliche ab 2012 an den Hamburger Gerichten tätigen Berufsrichterinnen und -richter sowie sämtliche in diesem Zeitraum im Dienst befindlichen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte befragt werden. Hierbei handelt es sich um über 1.000 Personen. Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 4. Wie beurteilt die zuständige Behörde das Tragen von muslimisch motivierten Kopftüchern bei Richterinnen, Staatsanwältinnen und Rechtsreferendarinnen während der Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten mit Außenwirkung ? Mangels der praktischen Relevanz hat die zuständige Behörde bisher keine Notwendigkeit der Regelung gesehen. 5. Wie beurteilt die zuständige Behörde den Vorstoß des baden-württembergischen Justizministers, ein Neutralitätsgesetz zu erlassen, mit dem Richter und Staatsanwälte verpflichtet werden sollen, im Gerichtssaal auf das Tragen von religiösen, weltanschaulichen und politischen Symbolen zu verzichten? Die zuständige Behörde hat sich damit nicht befasst.