BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/7687 21. Wahlperiode 31.01.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Gladiator (CDU) vom 25.01.17 und Antwort des Senats Betr.: Feststellung der Identität von ausreisepflichtigen Ausländern ohne Papiere mithilfe von Handydaten Viele Rückführungen ausreisepflichtiger Ausländer scheitern an fehlenden Papieren. Laut Angaben des Senats in der Schriftlichen Kleinen Anfrage Drs. 21/7269 hatten zum Stichtag 30. November 2016 allein 1.536 der 5.000 geduldeten Ausreisepflichtigen eine Duldung wegen fehlender Reisedokumente nach § 60a Absatz 2 S. 1 AufenthG. Manche von ihnen halten sich auf diese Weise seit Jahren in Hamburg auf, wie der Fall des Gefangenen aus der JVA Billwerder zeigt, der am 1. Mai 2016 einen Bediensteten erheblich verletzte. Bereits mit Bescheid vom 26. November 1998 wurde sein Asylantrag durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgelehnt und auch die dagegen erhobene Klage wurde durch das Verwaltungsgericht Hamburg mit Urteil vom 18. Januar 1999 als offensichtlich unbegründet abgewiesen. Seitdem scheiterten alle Versuche, seine wahre Identität zu klären und Heimreisedokumente zu beschaffen; die Duldungen wurden stets aufs Neue verlängert , Drs. 21/4453 und 21/4571. Auch der mutmaßliche Vergewaltiger einer 14-Jährigen aus Winterhude, ein 21 Jahre alter Ägypter, ist nach Angaben des Senats in der Antwort auf die Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/7392 seit Jahren ausreisepflichtig; man habe ihn wegen fehlender Dokumente bislang jedoch nicht abschieben können . Angesichts der vielen Menschen, die ohne Papiere zu uns kamen, reagierte die Bundesregierung auf Initiative der Union: Seit dem 1. August 2015 erlaubt es § 48 Absatz 3, 3a AufenthG den Ausländerbehörden, unter anderem auf Handydaten (Datenträger) zuzugreifen, um die Identität von Asylsuchenden herauszufinden. Die Datenträger dürfen jedoch „nur von einem Bediensteten ausgewertet werden, der die Befähigung zum Richteramt hat“. Ein Richtervorbehalt wurde indes nicht in das Gesetz aufgenommen. Es stellt sich die Frage, ob diese Regelung auch der Ausländerbehörde in Hamburg bekannt ist. In einem Interview mit dem „Deutschlandfunk“ erklärte der Sprecher des Einwohner-Zentralamtes: „(…) Nach den meisten Anhörungen ist dann zumindest für die Ausländerbehörde klar, aus welchem Land ein Asylbewerber stammt. Seine Identität, sein Geburtsdatum und -ort sind damit zwar immer noch nicht geklärt. Abgeschoben werden können diese Menschen aber trotzdem. Entweder mit einem durch die Botschaft ausgestellten Pass oder Passersatzpapieren der Europäischen Union (…). „Als größte Ausnahme gibt es natürlich auch die Möglichkeit, eine Person direkt zu durchsuchen, deren Handy zum Beispiel einmal auswerten zu lassen, deren Wohnraum zu durchsuchen. Das braucht natürlich einen Gerichtsbe- Drucksache 21/7687 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 schluss und der ist an hohe Voraussetzungen geknüpft. Da müssten wohl schon Straftaten dahinterstehen, die jetzt wirklich das Interesse, das öffentliche Interesse an dieser Person begründen“ (…).“ (http://www.deutschlandfunk.de/fehlende-paesse-die-schwierige-suche-nachausweispapieren .862.de.html?dram:article_id=376866.) Auch die Ausländerbehörde geht davon aus, dass die meisten der geduldeten Passlosen wissen, dass eine Abschiebung ohne Pass nicht möglich ist und sie auf diese Weise ihre Ausreise verhindern. Die Asylsuchenden trifft die Pflicht, an der Beschaffung neuer Papiere mitzuwirken. Wer dem nicht nachkommt, muss mit Sanktionen rechnen, aber auch dies führt häufig nicht zum gewünschten Erfolg. Dies vorausgeschickt, frage ich den Senat: 1. Hat die Ausländerbehörde seit Inkrafttreten der Regelung des § 48 Absatz 3a AufenthG von der Möglichkeit des Auswertens von Datenträgern , insbesondere dem Auslesen von Handys, Gebrauch gemacht? Falls ja, in wie vielen Fällen? Falls nein, weshalb nicht? 2. Wie beurteilt die zuständige Behörde die durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung durch Schaffung des § 48 Absatz 3a AufenthG geschaffene Möglichkeit, die Datenträger des betroffenen Ausländers auszuwerten? Siehe Drs. 21/7611. 3. Ist der zuständigen Behörde bekannt, dass es dazu keines Gerichtsbeschlusses bedarf? Ja. 4. Wie erklärt sich die Aussage des Sprechers des Einwohner-Zentralamtes ? Der Sachverhalt ist verkürzt dargestellt. Unter den Voraussetzungen des § 48 Absatz 3 und 3a AufenthG können Personen im Anwendungsbereich des Aufenthaltsgesetzes durchsucht werden, sofern konkrete Anhaltspunkte bestehen, dass der Ausländer im Besitz der in Betracht kommenden Unterlagen/Datenträger ist, die Aufschluss über seine Identität oder Staatsangehörigkeit geben beziehungsweise seine Rückführung ermöglichen. Allein die Vermutung rechtfertigt die Durchsuchung nicht. In der Praxis können sich zudem Schwierigkeiten ergeben, sofern der Betroffene behauptet, nicht der Eigentümer der jeweiligen Datenträger zu sein. Die ebenfalls zitierte Durchsuchung von Wohnungen ist durch diese Vorschrift nicht umfasst, sodass hier ein entsprechender Beschluss, beispielsweise im Rahmen der Strafverfolgung, eingeholt werden muss. 5. Wie viele Bedienstete, die die Befähigung zum Richteramt haben, sind in der Ausländerbehörde beschäftigt und wie viele von ihnen wurden zum Auswerten von Datenträgern nach § 48 Absatz 3a AufenthG bereits herangezogen ? Diese Information wird nicht zentral erfasst und ist somit nicht auswertbar. Eine händische Durchsicht mehrerer Hundert Personalakten ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Eine Abfrage unter den Beschäftigten der Abteilung für Zentrale Ausländerangelegenheiten im Einwohner -Zentralamt hat ergeben, dass mindestens drei Personen die Befähigung zum Richteramt besitzen. 6. Wie wird die Auswertung durchgeführt? Gibt es eine zentrale Auswertestelle und wird eine Software genutzt, die zum Beispiel die Telefonbücher ausliest oder wird dies jeweils händisch durchgeführt? Inwiefern Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/7687 3 werden Synergien mit anderen Bundesländern genutzt zum Beispiel in Form einer gemeinsamen Auswertungsstelle? Es wird keine Software eingesetzt. Im Übrigen siehe Drs. 21/7611. 7. Hält der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde eine automatisierte Auswertung von Mobilfunkgeräten für sinnvoll und technisch machbar? Die zuständige Behörde hat hierzu keine abschließende Einschätzung. Entsprechende Machbarkeitsstudien sind hierzu nicht bekannt. 8. Wie beurteilt der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde im Hinblick auf die Praxistauglichkeit die gesetzliche Voraussetzung, dass die Auswertung der Datenträger nur von einem Volljuristen vorgenommen darf? 9. Sieht der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde einen Bedarf, die Regelung des § 48 Absatz 3a AufenthG auch auf Fälle der grundsätzlichen Identitätsfeststellung auch von nicht ausreisepflichtigen Ausländern auszuweiten? Wenn ja, strebt der Senat eine entsprechende Bundesratsinitiative zur Änderung des § 15 AsylVfG an? Die Voraussetzung, dass die Auswertung nur durch einen Bediensteten, der die Befähigung zum Richteramt hat, persönlich durchgeführt werden darf, ist vom rechtlichen Standpunkt zum Schutz der grundrechtlich geschützten Privatsphäre der Betroffenen verständlich, auch wenn eine Anwendung in der Praxis damit auf einen kleinen Kreis befugter Personen beschränkt wird. Aktuell besteht nach Auffassung der zuständigen Behörde keine hinreichende Veranlassung, durch eine Bundesratsinitiative auf eine Änderung dieser zuletzt zum 1. August 2015 geänderten Vorschrift hinzuwirken, da sich in fast allen Fällen die Betroffenen freiwillig bereit erklären, die mitgeführten Sachen zur Durchsicht vorzulegen und Einsicht in Telefonregister und Anruflisten der Mobiltelefone zu gewähren (siehe Drs. 21/7611).