BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/7689 21. Wahlperiode 31.01.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Thering (CDU) vom 25.01.17 und Antwort des Senats Betr.: Schwarzfahren in Hamburg Schwarzfahren ist kein Kavaliersdelikt. So sind den Verkehrsunternehmen des HVV in den vergangenen Jahren rund 20 Millionen Euro Einnahmen jährlich durch das Erschleichen von Beförderungsleistungen entgangen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen auf Grundlage von Auskünften von Hamburger Hochbahn AG (HOCHBAHN), der Deutschen Bahn AG (DB), der Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein GmbH (VHH) und der Hamburger Verkehrsverbund GmbH (HVV) wie folgt: 1. Wie viele Fahrgäste wurden seit 2011 bei Kontrollen des ÖPNV in Hamburg ohne gültigen Fahrausweis angetroffen und wie viele konnten nachträglich eine persönliche Fahrkarte vorlegen? Bitte jahresweise sowie nach Verkehrsmitteln und Verkehrsunternehmen aufschlüsseln. Siehe Drs. 21/5660. Die Angaben für das Jahr 2016 liegen noch nicht vor. Jahr HOCHBAHN Nachträglich vorgezeigt S-Bahn Nachträglich vorgezeigt VHH Nachträglich vorgezeigt 2011 18.437 14.365 * 2012 11.140 17.753 2013 10.649 14.194 2014 9.975 12.987 2015 9.215 19.361 * Eine Beantwortung war in der für die Bearbeitung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 2. Wie hat sich die Schwarzfahrerquote im ÖPNV in Hamburg seit 2011 entwickelt? Siehe Drs. 21/5660. 3. Wie hat sich die Schwarzfahrerquote im ÖPNV seit 2011 in a) Berlin, b) Bremen, c) den übrigen Bundesländern (Flächenländern), d) den übrigen deutschen Großstädten mit mindestens 500.000 Einwohnern Drucksache 21/7689 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 entwickelt? Bitte jahresweise sowie bei 3. c) nach Bundesländern und bei 3. d) nach Großstädten aufschlüsseln. Hiermit hat sich die zuständige Behörde nicht befasst. 4. Wie hat sich die Summe der wegen Schwarzfahrens im ÖPNV in Hamburg a) verhängten Bußgelder, b) gezahlten Bußgelder seit 2011 entwickelt? Bitte jahresweise aufschlüsseln. Angaben in Millionen Euro Jahr HOCHBAHN S-Bahn VHH verhängt gezahlt verhängt gezahlt verhängt gezahlt 2011 2,691 1.973 2,345 1,018 * 2012 2,187 1,426 2,494 1,138 2013 1,984 1,345 2,038 1,203 2014 1,837 1,238 2,208 1,235 2015 2,054 1,234 3,891 1,744 * Eine Beantwortung war in der für die Bearbeitung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 5. Wie hat sich die Anzahl der durchgeführten Kontrollen im ÖPNV seit 2011 entwickelt? Bitte jahresweise sowie nach Verkehrsunternehmen aufschlüsseln. Im Jahr 2016 hat sich die Zahl der Prüfstunden wie folgt entwickelt. HOCHBAHN HADAG VHH S-Bahn AKN 2016 130.000 2.140 28.000 71.400 2.570 Im Übrigen siehe Drs. 21/5660. 6. Finden auch unmittelbar vor beziehungsweise auf den HADAG-Fähren Fahrscheinkontrollen statt? Wenn ja, in welcher Häufigkeit? Wenn nein, warum nicht? Es werden auf den HADAG-Linienschiffen Fahrscheinkontrollen durchgeführt, jedoch nicht unmittelbar vor den Fähren, um die Abfertigung der Linienschiffe nicht zu behindern . 7. Wie hat sich die Anzahl der Kontrolleure im ÖPNV seit 2011 entwickelt? Bitte jahresweise sowie nach Verkehrsunternehmen aufschlüsseln und die Beschäftigtenzahl und die Zahl der Vollzeitäquivalente angeben. Siehe Drs. 21/5660. 8. Wie viele offene Stellen hat es seit 2011 bei den Kontrolleuren im ÖPNV gegeben? Bitte jahresweise und nach Verkehrsunternehmen aufschlüsseln sowie jeweils die Dauer und den Grund der Vakanz angeben. Siehe Drs. 21/5660. Im Übrigen werden Fahrkartenprüfungen an zu leistenden Prüfstunden und nicht an Planstellen gemessen (siehe Antwort zu 7.). 9. Die Beförderungserschleichung stellt den Hauptanwendungsfall des Erschleichens von Leistungen gemäß § 265a StGB dar. Wie viele Ermittlungsverfahren gemäß § 265a StGB wurden seit 2011 eingeleitet? Bitte jahresweise aufschlüsseln. Statistiken zu eingeleiteten Ermittlungsverfahren werden bei der Polizei nicht geführt. Die statistische Erfassung von Straftaten erfolgt bei der Polizei nach den bundeseinheitlichen Richtlinien für die Führung der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) mit Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/7689 3 Abschluss aller polizeilichen Ermittlungen durch die für die abschließende Bearbeitung zuständige Dienststelle bei Abgabe eines Ermittlungsvorgangs an die Staatsanwaltschaft . In der PKS werden Straftaten gemäß § 265a Strafgesetzbuch unter dem PKS- Schlüssel 515000 „Erschleichen von Leistungen“ erfasst, darunter fallen – als Teilmengen – die PKS-Schlüsselnummern 515001 „Beförderungserschleichung“ und 515079 „Sonstiges Erschleichen von Leistungen“. Die internen Qualitätssicherungsmaßnahmen der Polizei Hamburg für den PKS- Datenbestand des Jahres 2016 sind noch nicht vollständig abgeschlossen, daher werden für das Jahr 2016 die kumulativen Dreivierteljahreszahlen genannt, siehe nachstehende Tabelle: PKS-Schlüssel 2011 2012 2013 2014 2015 2016* 515000 9.541 9.341 8.654 9.302 8.960 7.032 515001 9.420 9.232 8.443 9.092 8.731 6.833 515079 121 109 211 210 229 199 * Januar bis September 2016 Ab dem Jahr 2011 wurde folgende Anzahl von Ermittlungsverfahren eingeleitet, in welchen im Vorgangsverwaltungs- und -bearbeitungssystem MESTA der Staatsanwaltschaft Hamburg als Tatvorwurf (unter anderem) § 265a StGB erfasst ist1: Az.- Jahrgang Anzahl Js-Verfahren Anzahl UJs-Verfahren Anzahl Beschuldigte 2011 10476 30 10683 2012 10352 44 10596 2013 9917 44 10115 2014 10491 48 10693 2015 9631 58 9818 2016 9028 58 9153 20172 575 5 578 10. Wie viele Personen wurden wegen Erschleichens von Leistungen seit 2011 a) zu Geldstrafen, b) zu einer Freiheitsstrafe mit Bewährung, c) zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt? Bitte jeweils jahresweise aufschlüsseln. Die MESTA-Abfrage ermöglicht es nicht, festzustellen, in welchem Jahr eine Verurteilung erfolgt ist. Die Jahreszahl bezieht sich daher jeweils auf das Jahr, in dem das betreffende Verfahren eingeleitet wurde. Ausweislich MESTA wurden Beschuldigte in den (unter anderem) wegen des Tatvorwurfs des Erschleichens von Leistungen gemäß § 265a StGB erfassten Verfahren seit 2011 wie folgt rechtskräftig verurteilt3: 1 Alle Angaben bezüglich MESTA, das nicht als Statistikprogramm konzipiert ist, stehen unter dem Vorbehalt der vollständigen und richtigen Erfassung. Bei der Auswertung der am 26.1.2017 abgefragten Zahlen ist aufgefallen, dass diese teilweise und mehr oder weniger erheblich von den Zahlen abweichen, die im hiesigen Antwortbeitrag vom 11.05.2015 zur Schriftlichen Kleinen Anfrage Drs. 21/386 aufgeführt sind. Eine schlüssige Erklärung für diesen Umstand lässt sich nicht geben. Es mag an dem genauen Inhalt der mit der Abfrage verbundenen Programmierung durch die hiesige IT-Abteilung oder an dem Umstand liegen, dass es sich um einen dynamischen Datenbestand handelt, der permanent Löschungen, Überschreibungen und Änderungen unterliegt. 2 Stichtag, auch im Folgenden: 26.01.2017. 3 Aus MESTA lässt sich, auch im Folgenden, nicht zuverlässig entnehmen, ob im Einzelfall tatsächlich (nur) eine Anklage/Verurteilung wegen Erschleichens von Leistungen erfolgte oder Drucksache 21/7689 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Az.- Jahrgang Geldstrafe Freiheitsstrafe mit Bewährung Freiheitsstrafe ohne Bewährung 2011 2073 66 27 2012 1828 67 28 2013 1400 69 18 2014 1323 31 30 2015 977 31 26 2016 686 13 7 20174 - - - 11. Wie viele Personen, die wegen Erschleichens von Leistungen zu einer Geldstrafe verurteilt wurden, haben seit 2011 Ersatzarbeitsstunden abgeleistet? Bitte jahresweise aufschlüsseln. Die MESTA-Abfrage ermöglicht es nicht, festzustellen, in welchem Jahr die gemeinnützige Arbeit geleistet worden ist. Die Jahreszahl bezieht sich daher jeweils auf das Jahr, in dem das betreffende Verfahren eingeleitet wurde. Ausweislich MESTA hat im angegebenen Zeitraum folgende Anzahl von Personen, gegen die als Vorwurf § 265a StGB notiert ist und die zu einer (Gesamt-)Geldstrafe verurteilt wurden, im Rahmen der Vollstreckung der Strafe unter anderem gemeinnützige Arbeit geleistet: Az.- Jahrgang Anzahl5 2011 169 2012 131 2013 99 2014 100 2015 42 2016 6 12. Wie viele zu Geldstrafen verurteilte Personen haben seit 2011 eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßt? Bitte jahresweise aufschlüsseln. Die MESTA-Abfrage ermöglicht es nicht, festzustellen, in welchem Jahr die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe erfolgt ist. Die Jahreszahl bezieht sich daher jeweils auf das Jahr, in dem das betreffende Verfahren eingeleitet wurde. Ausweislich MES- TA hat im angegebenen Zeitraum die folgende Zahl von Personen, gegen die als Vorwurf § 265a StGB notiert ist und die zu einer (Gesamt-)Geldstrafe verurteilt wurden , im Rahmen der Vollstreckung der Strafe unter anderem Ersatzfreiheitsstrafe verbüßt: (auch) wegen etwaiger anderer Delikte, beispielsweise wegen Hausfriedensbruchs gemäß § 123 StGB oder Betruges gemäß § 263 StGB. Die Angaben enthalten auch die Festsetzung einer Strafe im Strafbefehlsverfahren. Eine verlässliche Datenabfrage nach Kalenderjahren ist nicht möglich. 4 Stichtag, auch im Folgenden: 26.01.2017. 5 Der tendenzielle Rückgang bei der Gewährung gemeinnütziger Arbeit lässt sich insbesondere darauf zurückführen, dass das gesetzliche Strafensystem grundsätzlich vorsieht, dass nach der rechtskräftigen Verurteilung zu einer Geldstrafe zunächst andere Maßnahmen zu nutzen sind, um die ausgesprochene Geldstrafe zu vollstrecken, wie etwa Vollstreckungsversuche oder Ratenzahlungsvereinbarungen. Bei Taten aus 2016 dürfte der Prozess von Einleitung des Ermittlungsverfahrens bis erfolglosen Versuchen, eine Geldstrafe zu vollstrecken, in vielen Fällen noch nicht abgeschlossen sein. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/7689 5 Az.- Jahrgang Anzahl6 2011 256 2012 226 2013 156 2014 127 2015 65 13. Zum 1. August 2015 hatte der HVV das „erhöhe Beförderungsentgelt“ von 40 auf 60 Euro angehoben. a) Hat sich die Anhebung aus Sicht des Senats beziehungsweise der zuständigen Behörde bewährt? Wenn nein, warum nicht? b) Hat sich die Anhebung aus Sicht des HVV bewährt? Wenn nein, warum nicht? c) Hat sich die Anhebung aus Sicht der HVV-Unternehmen mit einer Beteiligung der Freien und Hansestadt Hamburg bewährt? Wenn nein, warum nicht? Aus Sicht der zuständigen Behörde, des HVV und der Verkehrsunternehmen war die Anhebung erforderlich, um das Schwarzfahren auch für Personen unattraktiv zu machen, die die Anzahl der Kontrollen und Strafzahlungen in Bezug zu zahlenden Fahrgeldern setzen. 14. Plant der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde in der laufenden Wahlperiode eine Anhebung des „erhöhten Beförderungsentgelts“? Wenn ja, um welchen Betrag und mit welcher Zielsetzung? 15. Plant der HVV in der laufenden Wahlperiode eine Anhebung des „erhöhten Beförderungsentgelts“? Wenn ja, um welchen Betrag und mit welcher Zielsetzung? Nein. Die derzeitige Höhe des „erhöhten Beförderungsentgelts“ ergibt sich aus der entsprechenden Regelung in § 9 Absatz 2 der Verordnung über die Allgemeinen Beförderungsbedingungen für den Straßenbahn- und Obusverkehr sowie den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen (BefBedV) und § 12 Absatz 2 der Eisenbahn-Verkehrsordnung (EVO). 16. Plant der HVV für das laufende Jahr wieder einen „Prüfmarathon“? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wann und inwiefern werden Veränderungen im Vergleich zu den vorherigen beiden Prüfmarathons vorgenommen? Auch im Jahr 2017 wird es voraussichtlich einen „HVV-Prüfmarathon“ geben. Das genaue Konzept wird derzeit erstellt. Im Vergleich zu den Vorjahren wird es Veränderungen an den Standorten geben. 17. Der Verkehrsausschuss bei Jugend im Parlament 2016 (siehe Drs. 21/7513) hat in seiner Resolution unter anderem gefordert, „dass an Bahnstationen Eingangs- sowie Ausgangsschranken eingeführt werden, 6 Der tendenzielle Rückgang bei der bei der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe lässt sich insbesondere darauf zurückführen, dass das gesetzliche Strafensystem grundsätzlich vorsieht , dass nach der rechtskräftigen Verurteilung zu einer Geldstrafe zunächst andere Maßnahmen zu nutzen sind, um die ausgesprochene Geldstrafe zu vollstrecken, wie etwa Vollstreckungsversuche oder Ratenzahlungsvereinbarungen. Bei Taten aus 2016 dürfte der Prozess von Einleitung des Ermittlungsverfahrens bis erfolglosen Versuchen, eine Geldstrafe zu vollstrecken, in vielen Fällen noch nicht abgeschlossen sein. Drucksache 21/7689 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 6 um die Schwarzfahrerquote zu reduzieren sowie die Sicherheit an Bahnsteigen zu erhöhen…Gleiches gilt für die Fähren.“ a) Wie bewertet der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde diese Forderung unter dem Aspekt, die Schwarzfahrerquote zu reduzieren? Die zuständige Behörde, der HVV und die Verkehrsunternehmen sind seit Langem der Auffassung, dass das in Hamburg praktizierte System eines offenen Zugangs, gekoppelt mit einem effektiven und ständig weiter entwickelten Fahrkarten- Kontrollsystem, die beste Lösung für einen attraktiven und sicheren öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) einerseits und eine Begrenzung des Schwarzfahrens andererseits darstellt. Eine Änderung des Zugangssystems ist demzufolge nicht beabsichtigt . Geschlossene Zugangssysteme würden einen barrierefreien Zugang zu U- und S- Bahnen erschweren. Dies träfe insbesondere Schwerbehinderte, Personen mit Kinderwagen oder Personen mit größerem Gepäck sowie Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrer . Für diese Fahrgäste müssten eigene Zugangssperren jeweils mit Personal installiert werden. Darüber hinaus müssten Vorkehrungen an den Sperrungen vorgehalten werden, die im Notfall ein schnelles Evakuieren der Haltestellen gewährleisten. b) Was kostet die Installation von „Eingangs- und Ausgangsschranken“ an einer typischen Bahnstation in Hamburg? Hiermit hat sich die zuständige Behörde nicht befasst. Im Übrigen siehe Antwort zu 17. a). c) Wie bewertet der HVV diese Forderung unter dem Aspekt, die Schwarzfahrerquote zu reduzieren? Siehe Antwort zu 17. a). d) Nach den Planungen der HOCHBAHN sollen die Züge der neuen U-Bahn-Linie U5 vollautomatisch und fahrerlos verkehren. Zu diesem Zweck sollen nach dem Vorbild Londons und Paris an den Bahnsteigkanten Wände mit Bahnsteigtüren installiert werden. Welche Kosten fallen für die Installation dieser Bahnsteigtüren nach Schätzungen der HOCHBAHN an? Aufgrund des frühen Stadiums der Planungen können derzeit noch keine Kostenangaben gemacht werden.