BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/7699 21. Wahlperiode 03.02.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Carsten Ovens (CDU) vom 26.01.17 und Antwort des Senats Betr.: Antisemitismus an Hamburger Hochschulen? Was tut die Wissenschaftsbehörde ? Mit einem lauter werdenden internationalen Antizionismus, oft verpackt in pauschaler Kritik am israelischen Staatswesen, kommt der Antisemitismus in neuen Kleidern daher. Judenfeindlichkeit bleibt aber Judenfeindlichkeit und ist grundsätzlich zu verurteilen und abzulehnen. Nach einem Bericht der Tageszeitung „Die Welt“ griffen in dieser Woche auch das „Hamburger Abendblatt“ sowie die „Jerusalem Post“ die umstrittene Gastprofessur von Prof. Farid Esack an der Akademie der Weltreligionen der Universität Hamburg auf und berichteten über die parteiübergreifende Kritik. Prof. Esack ist Vorsitzender der antisemitischen BDS-Bewegung in Südafrika . Die Berufung hat sowohl dem Image der sonst weltoffenen und liberalen Universität Hamburg als auch dem Hochschulstandort Hamburg insgesamt geschadet. Wissenschaftssenatorin Fegebank ist daher aufgerufen, den Vorgang lückenlos aufzuklären und zukünftig sicherzustellen, dass es an Hamburgs Hochschulen keinen Platz für Antisemitismus in irgendeiner Form gibt. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Antisemitismus hat keinen Platz an Hamburgs Hochschulen. Die Akademie der Weltreligionen befasst sich in besonderem Maße in Forschung, Lehre und Öffentlichkeitsarbeit mit dem interreligiösen Dialog und lehnt alle Formen von Gewalt, Antisemitismus und Terrorismus kategorisch ab. Insbesondere das Judentum bildet im Lehr- und Forschungsprofil der Akademie der Weltreligionen einen Schwerpunkt. Sie pflegt zudem intensive und gute Kontakte zur Jüdischen Gemeinde in Hamburg und hat entsprechende Vertreter in ihren Gremien. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen unter anderem auf der Grundlage von Auskünften der Universität Hamburg und der Akademie der Weltreligionen wie folgt: 1. Wann wurde über die Vergabe einer Gastprofessur an Farid Esack entschieden und für welchen Zeitraum wurde diese erteilt? Nach welchen Kriterien wurde diese Entscheidung gefällt und welche Gremien waren in der Entscheidung involviert? Die Entscheidung über die Vergabe der Gastprofessur an Prof. Farid Esack hat der Direktor der Akademie der Weltreligionen im Wintersemester 2015/2016 in Absprache mit seinen Stellvertreterinnen und Stellvertretern getroffen. Dies entspricht der Regelung über die Einsetzung von Gastprofessuren an der Fakultät für Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg, wonach der geschäftsführende Direktor oder die geschäftsführende Direktorin des Instituts, in dem der Gast wissenschaftlich arbeitet, Drucksache 21/7699 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 über die Besetzung der Gastprofessur entscheidet. Der Zeitraum der Gastprofessur betrug drei Monate (November 2016 bis Januar 2017). Der Beirat der Akademie der Weltreligionen, dem Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Bildung und Kultur angehören, war ebenfalls mit der Gastprofessur befasst. Zur Zusammensetzung des Beirats siehe https://www.awr.uni-hamburg.de/ueber-awr/ gremien/beirat.html. Ausschlaggebend für die Entscheidung waren nach Auskunft der Akademie der Weltreligionen folgende Kriterien: Wissenschaftliche Exzellenz im Bereich Hermeneutik, Neulesen koranischer Texte und Dialog. Professor Esack sei besonders ausgewiesen im Bereich Hermeneutik und dem Neulesen koranischer Texte. So sei seine Arbeit mit dem Titel The Portrayal of Jews and the Possibilities of their Salvation in the Quran als Meilenstein zu werten. Professor Esack liefere hier durch die Neuinterpretation des Korans eine innerislamische Legitimation für die Anerkennung des religiös Anderen als gleichberechtigt und gleichwertig. Der Aufsatz gelte in der Fachwelt als bahnbrechend. Ferner habe Professor Esack grundlegende Texte vor allem zu den Fragen Islam & Aids und Islam & Pluralismus verfasst. National und international hohes wissenschaftliches Ansehen von Professor Esack. So habe er beispielsweise 2014 die renommierte James & David Orr Memorial Lecture on Culture and Religion am Dartmouth College zum Thema „The Contemporary Democracy and the Human Rights Project – Challenges for the Progressive Muslim Intellectual” gehalten. Zudem sei er beispielsweise maßgeblich an dem renommierten Projekt Islamische und Jüdische Hermeneutik als Kulturkritik beteiligt, das von Shulamit Bruckstein und Navid Kermani geleitet wurde und am Wissenschaftskolleg zu Berlin angesiedelt war. Aufgrund seines gesellschaftspolitischen Engagements sei er von Nelson Mandela als Gleichstellungsbeauftragter der südafrikanischen Regierung eingesetzt worden. 2. Werden Gastprofessuren an der Universität Hamburg dem Präsidium der Universität beziehungsweise der Wissenschaftsbehörde angezeigt und dort jeweils überprüft? Wenn ja, welches Ergebnis ergab die Prüfung in diesem Fall? Wenn nein, warum nicht? Im Rahmen der Selbstverwaltung der Universität Hamburg und ihrer Untergliederungen gibt es keine gesonderte Überprüfung für Gastprofessuren durch das Präsidium der Universität Hamburg und/oder die zuständige Behörde. Da Professor Esacks Tätigkeit an der Universität Hamburg auf der Grundlage eines Honorarvertrages, das heißt im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit, erfolgte, hatte die Präsidialverwaltung der Universität Hamburg im vorliegenden Fall zwar Kenntnis über die Tätigkeit, allerdings nur im Rahmen der Administrierung der von der Akademie der Weltreligionen getroffenen Entscheidung. 3. Welche thematischen Leistungen wurden durch die Gastprofessur im Detail erbracht (zum Beispiel Seminare, Vorlesungen, Forschungsprojekte oder Ähnliche)? Wie viele Personen haben an Vorträgen, Seminaren und Vorlesungen der Gastprofessur teilgenommen und zu welchen Themen wurden diese durchgeführt? Professor Esack hat zwei Seminare im Rahmen des Masterstudiengangs „Religionen, Dialog und Bildung“ (RDB) durchgeführt sowie einen Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung : „Reformation, Aufbruch und Erneuerungsprozesse von Religionen“ gehalten. Im Einzelnen: Seminar: „Norms and Practices of Islam“; Teilnehmer: 21 Studierende (davon 19 Master RDB und zwei andere Fächer), Seminar: „Journeying with the Qur'an towards a Theology that liberates“; Teilnehmer : sieben Studierende (davon fünf Master RDB und zwei andere Fächer), Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/7699 3 Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung: „Reformation, Aufbruch und Erneuerungsprozesse von Religionen“ am 28.11.2016 mit dem Titel: „Zwischen progressivem Islam und Befreiungstheologie“; Teilnehmer: 46 Studierende und circa 70 Zuhörerinnen und Zuhörer). 4. Welche Kosten sind durch die Gastprofessur insgesamt entstanden und wie setzen sich diese Kosten im Detail zusammen? Wer trägt die Kosten ? Die Mittel für die gesamten Kosten der Gastprofessur von Professor Esack sind von der Akademie der Weltreligionen bei einer privaten Stiftung eingeworben worden. Im Einzelnen: Pos. Beschreibung Betrag € 1 Reisekosten 1.467,37 2 Honorar November 2016 4.000,00 3 Honorar Dezember 2016 4.000,00 4 Honorar Januar 2017 4.000,00 5 Unterkunft Hotel Vorbach 340,00 6 Unterkunft Gästehaus der Universität Hamburg 2.283,00 7 Druck Flyer 214,20 Summe Pos.1-7 16.304,57 5. Für Antisemitismus darf in keiner Form Platz an Hamburgs Hochschulen sein. Was tut der Senat beziehungsweise die zuständige Wissenschaftssenatorin , um sicherzustellen, dass zukünftig keine Vertreter antisemitischer Organisationen in Forschung und Lehre beziehungsweise keine antisemitischen Organisationen an den Hamburger Hochschulen tätig sind beziehungsweise Aktivitäten durchführen? Im Rahmen der gesetzlich garantierten Hochschulautonomie ist es Aufgabe der Hochschulen, zum Beispiel durch geeignete Maßnahmen der Qualitätssicherung, kritische Evaluationen und interne Kontrollen, sicherzustellen, dass an den Hochschulen kein antisemitistisches Gedankengut gelehrt oder verbreitet wird. Hierbei werden die Hochschulen seitens der zuständigen Behörde unterstützt. Zudem stehen den Hochschulen unter anderem die Instrumente des Disziplinarrechts sowie der Strafanzeige zur Verfügung, sofern es zu derartigen Fällen kommen sollte. In einem Telefonat am 27. Januar 2017 mit dem Botschafter des Staates Israel in der Bundesrepublik Deutschland hat die Senatorin der zuständigen Behörde noch einmal bekräftigt, dass Antisemitismus keinen Platz an Hamburgs Hochschulen hat. Im Übrigen siehe Vorbemerkung .