BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/7705 21. Wahlperiode 03.02.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Dora Heyenn (fraktionslos) vom 26.01.17 und Antwort des Senats Betr.: Hamburger Stiftungen und das Stifterprivileg Derzeit ist Hamburg mit deutlich über 1.300 rechtsfähige Stiftungen des bürgerlichen Rechts die deutsche „Stiftungshauptstadt“. In Hamburg kommen auf 100.000 Einwohner 75 Stiftungen – in keinem anderen Bundesland ist die Stiftungsdichte so hoch. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 25 Stiftungen pro 100.000 Einwohner. Darüber hinaus nimmt Hamburg ein Spitzenplatz beim Kapitalvermögen ein; 36 Prozent der Stiftungen haben ein Vermögen von mehr als 1 Million Euro. Dabei können Stiftungen selbst entscheiden, ob sie Geschäftszahlen preisgeben oder nicht. Geheimniskrämerei ist hier an der Tagesordnung. Im bundesweiten Vergleich enthält das HamStiftG zudem eine Besonderheit: Das Stifterprivileg. Das Stifterprivileg ermöglicht den Stifter zu Lebzeiten, frei über sein Stiftungsvermögen zu verfügen, ohne unter der Kontrolle der Stiftungsaufsicht zu stehen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie viele und welche rechtsfähige Stiftungen des bürgerlichen Rechts unterliegen gegenwärtig der Stiftungsaufsicht der Freien und Hansestadt Hamburg? (Bitte namentlich auflisten.) Alle 1.393 rechtsfähigen Stiftungen, die ihren Sitz in der Freien und Hansestadt Hamburg haben, unterliegen nach § 5 Absatz 1 des Hamburgischen Stiftungsgesetzes (StiftGHA) vom 14.12.2005 (HmbGVBl. 2005, S. 521) der Rechtsaufsicht der zuständigen Behörde. Nach § 3 StiftGHA führt die Justizbehörde ein Verzeichnis der öffentlichen Stiftungen, welches unter https://gateway.hamburg.de/hamburggateway/fvp/fv/ Justiz/Stiftungsdatenbank/?sid=55 kostenfrei einsehbar ist. 2. Wie viele und welche Stiftungen zu Frage 1. gelten als gemeinnützig? (Bitte namentlich auflisten.) Gegenwärtig gelten 1.287 Stiftungen als gemeinnützig im Sinne der Verfolgung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke (§§ 51 fortfolgende der Abgabenordnung (AO)). Eine namentliche Aufstellung ist im Hinblick auf das Steuergeheimnis des § 30 AO nicht gestattet. § 30 AO verbietet allen Amtsträgern die unbefugte Offenbarung aller persönlichen und wirtschaftlichen Umstände, die mit einer bestimmten natürlichen oder juristischen Person im Zusammenhang stehen. Dazu gehört auch der Umstand, ob das jeweilige Steuersubjekt steuerbegünstigt nach den §§ 51 fortfolgende AO ist. 3. Wie verteilen sich die gemeinnützigen Stiftungen zu Frage 1. und ihr Wirken auf die Bereiche Drucksache 21/7705 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 I. Jugend-, Alten- und Familienhilfe, Wohlfahrtswesen, II. Gesundheitswesen, Behindertenhilfe, Sport, III. Entwicklungszusammenarbeit, Förderung des demokratischen Staatswesens, der internationalen Gesinnung, des Völkerverständigungsgedankens und des bürgerschaftlichen Engagements, Förderung der Hilfe für Verfolgte und Flüchtlinge, IV. Erziehung, Volks- und Berufsbildung, V. Wissenschaft und Forschung, Studentenhilfe, VI. Kunst und Kultur, Denkmalschutz, VII. Religion, VIII. Natur- und Umweltschutz, Tierschutz, IX. sonstige gemeinnützige Zwecke, X. betriebliche Unterstützungseinrichtungen, XI. Familienstiftungen in Hamburg? Die erfragten Bereiche werden statistisch nicht erfasst. Die Ermittlung der konkreten Verteilung würde eine Auswertung von 1.287 Akten erfordern, was in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich ist. 4. Gemäß § 4 Absatz 4 HamStiftG hat das zuständige Stiftungsorgan jährlich eine Jahresrechnung mit einer Vermögensübersicht und einem Bericht über die Erfüllung des Stiftungszwecks zu erstellen. Wie hoch ist derzeit das Vermögen aller rechtsfähigen Stiftungen des bürgerlichen Rechts, die ihren Sitz in der Freien und Hansestadt Hamburg haben? Die Höhe des Vermögens aller rechtsfähigen Stiftungen des bürgerlichen Rechts mit Sitz in der Freien und Hansestadt Hamburg ist der zuständigen Behörde nicht bekannt. Von den Stiftungen nach §§ 2 Absatz 1, 8 Absatz 3 StiftGHA, § 5 Absatz 1 Satz 3 StiftGHA sowie denjenigen, welche von der Privilegierung nach § 5 Absatz 3 StiftGHA Gebrauch gemacht haben, liegen keine Angaben zum aktuellen Vermögen vor. Aufgrund der vorliegenden Datenlage beträgt das Gesamtvermögen der Stiftungen mindestens 9,19 Milliarden Euro. 5. Wie viele und welche Verbrauchsstiftungen gibt es in der Freien und Hansestadt Hamburg und welche sind gemeinnützig? (Bitte namentlich auflisten.) Aktuell haben sieben Verbrauchsstiftungen ihren Sitz in der Freien und Hansestadt Hamburg. Alle sieben gelten als gemeinnützig. Dazu soll auch die Brigitte-Kreßner- Stiftung gehören, wie sich aus dem Internetauftritt der Stiftung ergibt. Im Übrigen ist die erbetene namentliche Aufstellung im Hinblick auf das Steuergeheimnis des § 30 AO nicht gestattet, da durch die Auflistung Auskunft über die Stellung als steuerbegünstigte Organisation gegeben würde. Die genannte Stiftung ist hiervon ausgenommen , weil sie diesen Umstand selbst auf ihrem Internetauftritt darstellt. 6. Welche Ewigkeitsstiftung wurde in eine Verbrauchsstiftung umgewandelt ? Es wurde bisher keine Ewigkeitsstiftung in eine Verbrauchsstiftung umgewandelt. 7. Im Gegensatz zur rechtsfähigen Stiftung ist bei der Treuhandstiftung ein behördliches Anerkennungsverfahren nicht vorgeschrieben. Gleichwohl ist die nicht rechtsfähige Stiftung ein eigenes Steuersubjekt und wird vom Finanzamt bei Vorliegen der Voraussetzungen als gemeinnützig anerkannt. Wie viele und welche fiduziarischen Stiftungen gibt es derzeit in der Freien und Hansestadt Hamburg und wie viele und welche davon sind gemeinnützig? (Bitte namentlich auflisten.) Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/7705 3 Die Anzahl der Treuhandstiftungen wird nicht gesondert statistisch erfasst. Die Ermittlung der konkreten Anzahl und die Ermittlung, ob eine Gemeinnützigkeit vorliegt, würde die Auswertung von rund 1.800 Akten erfordern, was in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich ist. 8. Wie viele und welche gemeinnützige Stiftungs-GmbHs gibt es derzeit in der Freien und Hansestadt Hamburg? (Bitte namentlich auflisten.) Es gibt zurzeit elf gemeinnützige Stiftungs-GmbHs. Die erbetene namentliche Aufstellung ist im Hinblick auf das Steuergeheimnis des § 30 AO nicht gestattet. 9. Gemäß § 4 Absatz 4 Hamburgisches Stiftungsgesetz (HamStiftG) hat das zuständige Stiftungsorgan jährlich eine Jahresrechnung mit einer Vermögensübersicht und einem Bericht über die Erfüllung des Stiftungszwecks zu erstellen. Wie hoch ist derzeit das Vermögen aller rechtsfähigen Stiftungen des bürgerlichen Rechts, die ihren Sitz in der Freien und Hansestadt Hamburg haben? Siehe Antwort zu 4. 10. Welche sind die 50 größten rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts, die ihren Sitz in der Freien und Hansestadt Hamburg haben, gemessen am Stiftungskapital? (Bitte namentlich auflisten.) Der Aufsichtsbehörde liegen keine Daten zur Vermögenshöhe aller beaufsichtigten Stiftungen vor. 11. Gemäß § 3 Absatz 4 Hamburgisches Stiftungsgesetz (HamStiftG) kann, auf Antrag einer Stiftung, von der Einstellung der Anschrift der Stiftung in das Internet abgesehen werden. Wie viele und welche Stiftungen haben einen entsprechenden Antrag gestellt und aus welchen Gründen? Welche Stiftungen einen Antrag nach § 3 Absatz 4 StiftGHA gestellt haben und wie diese Anträge begründet wurden, wird von der zuständigen Behörde statistisch nicht erfasst. Eine Ermittlung würde eine Auswertung aller 1.311 Akten der öffentlichen Stiftungen erfordern, was in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich ist. 12. Gemäß § 5 Absatz 3 HamStiftG genießen Stifter in Hamburg besondere Privilegien; Stiftungen, die von natürlichen Personen errichtet werden, müssen zu Lebzeiten des Stifters nur dann eine Jahresrechnung bei der Aufsichtsbehörde einreichen, wenn der Stifter dies ausdrücklich wünscht. Diese Vorschrift ist einmalig in der Bundesrepublik. Wie viele und welche Stiftungen machen Gebrauch vom sogenannten Stifterprivileg und wie hoch ist das jeweilige Vermögen? Derzeit machen 358 Stiftungen Gebrauch vom Stifterprivileg. Zur jeweiligen Vermögenshöhe können keine Angaben gemacht werden, weil diese Daten aufgrund der Inanspruchnahme des Stifterprivilegs nicht mitgeteilt werden. Die erbetene namentliche Aufstellung aller Stiftungen, die vom Stifterprivileg Gebrauch machen, ist nicht möglich. Die zuständige Behörde geht davon aus, dass es sich bei den abgefragten Daten um schützenswerte Daten der betroffenen Stiftungen handelt. § 5 Absatz 3 Satz 1 StiftGHA sieht vor, dass die Vorlage einer Jahresrechnung bei durch natürliche Personen vorgenommenen Stiftungen nur auf Wunsch der Stifterin beziehungsweise des Stifters erfolgen soll. Hierüber werden die Stiftungen durch die Stiftungsaufsicht nach der Anerkennung auch ausdrücklich hingewiesen. Durch diese gesetzliche Regelung wird dem Willen einer Stifterin beziehungsweise eines Stifters Rechnung getragen, neben dem stiftungsinternen Kontroll- oder Entlastungsverfahren die Jahresrechnung nicht zusätzlich der staatlichen Aufsicht vorlegen zu müssen. Dies ist auch deshalb unbedenklich, weil bei Hinweisen auf Fehlentwicklungen die Vorlage der Jahresrechnungen gefordert werden kann und ohnehin durch die Finanzverwaltung im Rahmen der Überprüfung der Gemeinnützigkeit Kontrolle ausgeübt wird. Der Grundsatz der vorrangigen Beachtung des Stifterwillens wird dadurch ergänzt, dass im Stiftungsverzeichnis nicht öffentlich gemacht wird, ob eine Drucksache 21/7705 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Stiftung das Stifterprivileg in Anspruch nimmt. Diese Wertung des Gesetzes würde umgangen, wenn diese Angaben offengelegt würden. 13. Wie viele Hinweise auf Fehlentwicklungen des § 5 Absatz 3 HamStiftG wurden seitens der Aufsichtsbehörde seit 2006 verfolgt und mit welchen Konsequenzen? Seit 2006 gab es keine Hinweise auf Fehlentwicklungen des § 5 Absatz 3 StiftGHA, welche seitens der Aufsichtsbehörde verfolgt wurden. 14. Wie hat sich die Zahl der Beschäftigten, die im Bereich der Stiftungsaufsicht tätig sind, seit 2001 bis 2017 jeweils jährlich entwickelt? Die Stiftungsaufsicht war bis zum 1. März 2005 auf mehrere Behörden verteilt. Das Genehmigungs- beziehungsweise Anerkennungsverfahren und die folgende Aufsicht erfolgten bis zum 31. Dezember 2002 in der Senatskanzlei sowie ab dem 1. Januar 2003 in der Justizbehörde. Die sogenannte wirtschaftliche Aufsicht (unter anderem Prüfung der Jahresrechnung) lag bis zum 1. März 2005 bei der Fachbehörde, deren Zuständigkeitsbereich der jeweiligen Stiftung nach ihrem Hauptzweck zuzuordnen war. In den Fachbehörden wurde die wirtschaftliche Aufsicht häufig nur stellenanteilsmäßig neben weiteren Aufgaben wahrgenommen. Die Angabe einer konkreten Anzahl von Beschäftigten, die die wirtschaftliche Aufsicht in den Fachbehörden ausgeübt haben, ist daher in der zur Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Dies vorausgeschickt, umfasst die nachfolgende Tabelle die Anzahl der Beschäftigten in der Referatsleitung und der Geschäftsstelle. Angegeben werden sowohl Vollzeitals auch Teilzeitbeschäftigte. Jahre Anzahl der Beschäftigten* 31.12.2001 4 31.12.2002 4 31.12.2003 4 31.12.2004 4 31.12.2005 11 31.12.2006 11 31.12.2007 10 31.12.2008 12 31.12.2009 11 31.12.2010 11 31.12.2011 12 31.12.2012 12 31.12.2013 12 31.12.2014 13 31.12.2015 12 31.12.2016 11 31.01.2017 11 * Anzahl der Beschäftigten in der Senatskanzlei beziehungsweise ab 2003 der Justizbehörde (ohne die Fachbehörden) 15. Wie hat sich die Zahl der Stiftungen gemäß § 2 Absatz 1 HamStiftG seit 2001 bis 2017 jeweils entwickelt? Jahr Anzahl der Stiftungen 31.12.2001 45 31.12.2002 45 31.12.2003 48 31.12.2004 49 31.12.2005 52 31.12.2006 54 31.12.2007 57 31.12.2008 61 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/7705 5 Jahr Anzahl der Stiftungen 31.12.2009 63 31.12.2010 65 31.12.2011 65 31.12.2012 67 31.12.2013 68 31.12.2014 76 31.12.2015 81 31.12.2016 82 31.12.2017 82 16. Wie hat sich die Zahl der Stiftungen gemäß § 5 Absatz 3 HamStiftG seit 2001 bis 2017 jeweils entwickelt? Das Stifterprivileg nach § 5 Absatz 3 StiftGHA kann seit 2006 in Anspruch genommen werden. Die erfragten Daten werden nicht gesondert statistisch erfasst. Die Ermittlung der konkreten Anzahl der Stiftungen im Sinne des § 5 Absatz 3 StiftGHA würde die Auswertung von geschätzt rund 500 Akten erfordern, was in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich ist. 17. Wie oft hat die Stiftungsaufsicht in den letzten zehn Jahren Beschlüsse oder sonstige Maßnahmen der Stiftungsorgane beanstandet und weshalb ? Beanstandungen der Stiftungsaufsicht von Beschlüssen oder sonstigen Maßnahmen der Stiftungsorgane werden von der zuständigen Behörde nicht statistisch erfasst. Die Ermittlung der Anzahl der Beanstandungen und der Gründe für die Beanstandungen würde die Auswertung von rund 1.400 Akten erfordern, was in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich ist. 18. Wie viele Fälle hat es in den letzten zehn Jahren gegeben, in denen Hamburger Stiftungen die Gemeinnützigkeit wieder entzogen wurde, und weshalb? Für die Entziehung der Gemeinnützigkeit ist die Steuerverwaltung zuständig. Es gilt das Steuergeheimnis nach § 30 AO.