BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/7772 21. Wahlperiode 07.02.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 31.01.17 und Antwort des Senats Betr.: Angriff im Gerichtssaal des Hamburger Landgerichts Am 31. Januar 2017 kam es zu einem tragischen Vorfall in einem Gerichtssaal des Hamburger Landgerichts. Medienberichten zufolge soll ein 39-jähriger Angeklagter, der sich unter anderem wegen Bedrohung und gefährlicher Körperverletzung verantworten muss, eine Zeugin, seine frühere Freundin, durch einen Angriff verletzt und dabei auch selbst Verletzungen erlitten haben. Im Gerichtssaal sei Alarm ausgelöst worden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: In einer mehrtägigen laufenden Berufungshauptverhandlung vor dem Landgericht Hamburg im Strafjustizgebäude am Sievekingplatz kam es am 31. Januar 2017 gegen 10 Uhr zu einem tätlichen Angriff des Angeklagten auf eine Zeugin, bei der es sich um dessen ehemalige Lebensgefährtin handelt. Nach ersten Erkenntnissen sprang der Angeklagte während der Aussage der Zeugin über einen Tisch, griff diese mit einem Werkzeug an und würgte sie. Die Vorführungsbeamtin und weitere Anwesende eilten der Zeugin zu Hilfe. Aufgrund der durch den Vorfall verursachten Geräusche betraten unmittelbar – noch vor Auslösung des Alarms durch den Vorsitzenden – vier im Flurbereich befindliche Wachtmeister den Saal und schritten ebenfalls ein. Der Vorsitzende und die Beamtin der Zuführung lösten unmittelbar Alarm aus. Der Alarm des Landgerichts lief um 10.03 Uhr in den Alarmzentralen auf. Daraufhin begaben sich die verfügbaren Wachtmeister von Amts- und Landgericht sowie der Polizeibeamte der Sonderwache zum Sitzungssaal. Zusätzlich erschienen im Sitzungssaal Beamte aus der Untersuchungshaftanstalt (UHA) auf den dortigen Alarm hin. Der Beamte der Sonderwache forderte externe Verstärkung durch die Polizei an. Um 10.05 Uhr wurde ein Notruf über die 110 abgesetzt, wobei der Anrufer noch nicht abschließend identifiziert werden konnte. Die Beamten überwältigten den Angeklagten sowie zwei zunächst im Publikumsbereich befindliche Brüder des Angeklagten, die in den Tumult involviert waren. Um 10.36 Uhr informierte der Geschäftsleiter des Landgerichts die zuständige Behörde telefonisch über den Vorfall. Die Zeugin und der Staatsanwalt wurden am Hals verletzt. Der Angeklagte wies an der linken Halsseite eine tiefe Schnittwunde und an der rechten Halsseite einen Kratzer auf. Zudem wurde auf seinem linken Handrücken eine oberflächliche Schnittwunde festgestellt. Wodurch diese Verletzungen verursacht worden sind, ist derzeit nicht bekannt und Gegenstand der laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen. Art und Intensität der Verletzungen sind im Übrigen Gegenstand einer rechtsmedizinischen Untersuchung. Die Zeugin und der Staatsanwalt konnten ambulant versorgt werden. Eine Protokollführerin verständigte aus einem nahe gelegenen Sitzungssaal heraus den Rettungsdienst . Vorsorglich wurde vom Pförtner ein weiterer Rettungswagen angefordert, da es mehrere Verletzte geben konnte. Der Angeklagte wurde durch eine hinzugeeilte Drucksache 21/7772 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Ärztin medizinisch erstversorgt und anschließend von Beamten der Vorführungsabteilung in die UHA zurückgeführt. Dort sind gegen ihn besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet worden. Die Ermittlungen bezüglich der Hintergründe der Tat am 31. Januar 2017 dauern an. Abschließende Ergebnisse liegen noch nicht vor. Fest steht, dass der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung und anderer Delikte unter anderem auch zum Nachteil der jetzt geschädigten Zeugin in der ersten Instanz vom Amtsgericht Hamburg -St. Georg am 23. Juni 2016 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt worden war und sich diesbezüglich in der anhängigen Berufungsverhandlung zu verantworten hat. Das Amtsgericht Hamburg-St. Georg hatte in der erstinstanzlichen Entscheidung eine positive Sozialprognose verneint. Der Angeklagte ist erheblich vorbestraft, unter anderem wegen verschiedener Gewaltdelikte und Mordes. Er wurde letztmalig im Mai 2015 aus der Haft entlassen. Aufgrund des Vorfalls, der Gegenstand der Berufungshauptverhandlung am 31. Januar 2017 vor dem Landgericht war, hatte das Amtsgericht am 21. Dezember 2015 gegen den Angeklagten einen Haftbefehl wegen Fluchtgefahr hilfsweise Wiederholungsgefahr erlassen. Der Angeklagte befand sich seitdem in Untersuchungshaft, zuletzt in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Billwerder. Am Morgen des 31. Januar 2017 wurde der Angeklagte schließlich in die UHA überstellt, um von dort zur Wahrnehmung des fortgesetzten Hauptverhandlungstermins in das Strafjustizgebäude vorgeführt zu werden. Die für den 1., 7 und 14. November 2016 anberaumte Berufungshauptverhandlung war zuvor am 7. November 2016 ausgesetzt worden, nachdem die UHA dem Polizeikommissariat 14 am 28. Oktober 2016 angezeigt hatte, dass nach den Informationen eines Mitgefangenen der Angeklagte einen Mord zum Nachteil seiner Freundin plane. Dies hatte die Staatsanwaltschaft dem Landgericht zur Kenntnis gebracht. Zudem sind von der Zeugin überreichte Briefe des Angeklagten mit aggressivem Inhalt von der Staatsanwaltschaft dem Landgericht zum Verfahren übersandt worden. Das Landgericht hat einen Sachverständigen mit der Begutachtung des Angeklagten beauftragt. Der Sachverständige erstellte ein vorläufiges Gutachten, das der Staatsanwaltschaft im Januar 2017 vom Landgericht zugeleitet worden ist. Die Staatsanwaltschaft leitete ein Ermittlungsverfahren wegen Bedrohung nach § 241 StGB ein. Der Mitgefangene wurde am 3. November 2016 ausführlich durch die Polizei zeugenschaftlich vernommen. Seit Oktober 2016 waren der Angeklagte und der Mitgefangene aufgrund einer entsprechenden Anordnung des Justizvollzugs durchgängig getrennt voneinander untergebracht. Nach derzeitigem Erkenntnisstand hat sich der Mitgefangene am 25. Januar 2017 erneut mit dem Hinweis an einen Stationsbeamten der UHA gewandt, der Angeklagte werde einen Tötungsplan umsetzen. Im Übrigen dauern die Ermittlungen an. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie stellt sich der Sachverhalt nach derzeitigen Informationen der zuständigen Behörden im Einzelnen dar? 2. Welche Verletzungen hat das Opfer erlitten? 3. Welche Verletzungen hat der Angeklagte erlitten und wodurch wurden diese verursacht? 4. Welche Erkenntnisse liegen über den Hintergrund des Vorfalls vor? 5. Welche Erkenntnisse liegen über den Angeklagten vor? 6. Galt der Angeklagte als gefährlich? 7. Befand sich der Angeklagte vor der Gerichtsverhandlung auf freiem Fuß? a. Falls nein, wo befand er sich aus welchem Grund? b. Falls er sich in einer JVA befand, inwiefern hat er sich dort bereits auffällig verhalten? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/7772 3 Siehe Vorbemerkung. 8. Welche Sicherheitsvorkehrungen bestanden bei der Gerichtsverhandlung ? Welche Maßnahmen wurden gegebenenfalls im Rahmen der Vorführung getroffen? Der Untersuchungsgefangene wurde in der JVA Billwerder am 31. Januar 2017 vor Verlassen der JVA Billwerder durchsucht. Unmittelbar nach Ankunft in der UHA wurde er erneut durchsucht. Zur Unterstützung der Durchsuchung wurde dabei eine Handsonde eingesetzt. Bei der Durchsuchung hat den Beamten eine weitere Justizvollzugsbeamtin unterstützt, die die Jacke des U-Gefangenen durchsucht hat. Unmittelbar vor Verlassen der UHA wurde der Untersuchungsgefangene wiederum durchsucht. In diesem Fall wurde zur Unterstützung der Durchsuchung ein Metalldetektor eingesetzt. Mit Verlassen der UHA erfolgte die Beaufsichtigung durch eine Vorführbeamtin der UHA, die auch im Gerichtssaal anwesend war. Im Rahmen der Gerichtsverhandlung waren die bei Terminen im Strafjustizgebäude generell bestehenden Sicherheitsvorkehrungen gewährleistet. Dazu gehören eine strenge Einlasskontrolle für Besucherinnen und Besucher bei Betreten des Strafjustizgebäudes unter Verwendung von Durchleuchtungsgeräten, die gesonderte Zuführung des Angeklagten vom Untersuchungsgefängnis (UG) in das Strafjustizgebäude über einen abgeschlossenen Zuführungstrakt sowie Alarmknöpfe am Richtertisch, durch die bei Gefahr die Beamtinnen und Beamten der im Hause ansässigen Sonderwache der Polizei sowie die im Hause präsenten Wachtmeisterinnen und Wachtmeister vom Amtsgericht und Landgericht gerufen werden können. Wenn keine besonderen Sicherungsmaßnahen angeordnet sind beziehungsweise das Vorführersuchen keine Hinweise enthält, ist die Vorführung durch einen Vorführungsbeamten, der auch während der Verhandlung stets anwesend ist, der Regelfall. So war es auch vorliegenden Fall. Die entsprechende Anordnung erfolgte am 27. Januar 2017 durch die zuständige Vollzugsleitung der JVA Billwerder. 9. Welche Maßnahmen wurden nach dem Angriff im Gerichtssaal von wem ergriffen? Siehe Vorbemerkung. 10. Wie und wann wird grundsätzlich von wem geprüft, welche Sicherheitsvorkehrungen im Gerichtssaal erforderlich sind? Welche Maßnahmen können dabei getroffen werden? Im Hinblick auf den einzelnen vorzuführenden Gefangenen können im Vorfeld der Hauptverhandlung für die Zeit während der Hauptverhandlung im Gerichtssaal Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden. Zum einen kann die Zahl der den Gefangenen beaufsichtigenden Justizvollzugsbediensteten festgelegt, zum anderen die Fesselung des Gefangenen angeordnet werden. Hat das Gericht dabei in der Haftsache keine Fesselungsanordnung getroffen, ist in der Regel von einer Fesselung im Verhandlungsraum abzusehen. Wird seitens der Justizvollzugsanstalt eine Fesselung im Gerichtssaal als erforderlich angesehen, ist dies dem zuständigen Gericht mitzuteilen. Die Entscheidung ist aber letztlich von der Vorsitzenden Richterin beziehungsweise dem Vorsitzenden Richter zu treffen. Die abschließende Anordnung erfolgt in der Regel spätestens einen Werktag vor dem anberaumten Hauptverhandlungstermin.