BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/7811 21. Wahlperiode 10.02.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Inge Hannemann (DIE LINKE) vom 02.02.17 und Antwort des Senats Betr.: Welche Logik steckt dahinter? Mieten steigen, Mietkostenübernahme wird bei Sozialleistungen jedoch gesenkt Zum 19. Januar 2017 wurde durch die Sozialbehörde überraschenderweise die Fachanweisung zu § 22 SGB II (Kosten der Unterkunft und Heizung) geändert. Wurde die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem SGB II und SGB XII bisher anhand der Nettokaltmiete überprüft , gilt nun eine sogenannte Bruttokaltmiete. Demnach wurden Betriebs-, Wasser- und Heizkosten grundsätzlich in tatsächlicher Höhe übernommen. Eine Überprüfung der Nebenkosten fand dann statt, wenn die Grenzwerte pro Quadratmeter oder bestimmte Verbrauchswerte überschritten wurden. Nun werden als Maßstab für die Angemessenheit der Mietkosten die Nettokaltmiete sowie die sogenannten kalten Betriebskosten angenommen. Grundsteuer, Straßenreinigung, Müllbeseitigung, Gebäudereinigung, Gartenpflege , Allgemeinstrom, Schornsteinfeger, Gebäudeversicherung, Hauswart, vorhandenen Antennen- beziehungsweise Kabelanschluss und gegebenenfalls die Kosten für den Aufzug wurden als kalte Betriebskosten festgesetzt. Als Durchschnittswert wurden 1,80 Euro/Quadratmeter berechnet. Es häufen sich die Fälle, in denen Bezieher/-innen, insbesondere des Arbeitslosengeldes II, zur Kostensenkung aufgefordert werden beziehungsweise nur noch die Kaltmiete durch die Jobcenter erstattet bekommen, da die kalten Betriebskosten noch in der Berechnung sind. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Festlegung von Angemessenheitsgrenzen anhand der Bruttokaltmiete folgt einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG, B 14 AS 50/10 R; B 4 AS 18/14 B). Ein Abstellen auf die Nettokaltmiete ist danach auch dann nicht zulässig, wenn durch einen Leistungsträger die Betriebskosten in voller Höhe übernommen werden. Für Hamburg ist deshalb eine Anpassung der Angemessenheitsgrenzen notwendig geworden. Durch die Einbeziehung der kalten Betriebskosten in die Angemessenheitsgrenze soll der Spielraum von Leistungsberechtigten erhöht werden. Danach können auch Wohnungen angemessen sein, bei denen nach dem bisherigen Verfahren die Kaltmiete über der bisherigen Angemessenheitsgrenze liegt, die Gesamtangemessenheitsgrenze für eine Bruttokaltmiete aber aufgrund unterdurchschnittlicher Betriebskosten nicht überschritten wird. Nachteile entstehen den Leistungsberechtigten nicht. Vorsorglich wurde eine Bestandsschutzregelung aufgenommen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: Drucksache 21/7811 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 1. In welcher Form und zu wann wurden Leistungsbezieher/-innen nach dem SGB II und SGB XII über die neuen Änderungen in der Fachanweisung beziehungsweise in der Arbeitshilfe zu § 22 SGB II und § 35 SGB XII informiert? Mit der Infoline Sozialhilfe steht allen Hamburger Dienststellen, Verbänden sowie Bürgerinnen und Bürgern ein bewährtes und weithin genutztes Online-Regelwerk für die gesetzlichen Grundlagen und Ausführungsvorschriften zur Bewilligung von Sozialleistungen zur Verfügung: http://www.hamburg.de/infoline/. 2. In welcher Form und zu wann wurden die Mitarbeiter/-innen bei Jobcenter t.a.h. und den Grundsicherungsämtern über die neuen Änderungen in der Fachanweisung beziehungsweise in der Arbeitshilfe zu § 22 SGB II und § 35 SGB XII informiert? Jobcenter team.arbeit.hamburg und die Fachämter für Grundsicherung und Soziales waren bei der Erstellung der Arbeitshilfe eingebunden. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. 3. In welcher Form und wann fanden Schulungen der Mitarbeiter/-innen bei Jobcenter t.a.h. und den Grundsicherungsämtern über die neuen Änderungen in der Fachanweisung beziehungsweise in der Arbeitshilfe zu § 22 SGB II und § 35 SGB XII statt und wer erhielt die Schulungen? Umsetzungsfragen wurden im Rahmen der Abstimmung bei der Erstellung der Arbeitshilfe berücksichtigt, weshalb von keinem zusätzlichen Schulungsbedarf ausgegangen wird. 4. Wurden Beratungsstellen, wie zum Beispiel die Wohnungsnothilfe, ebenfalls über die neue Fachanweisung und Arbeitshilfe informiert? Wenn ja, zu wann? Wenn nein, warum nicht? Siehe Antwort zu 1. 5. Zu den allgemeinen Nebenkosten zählen zum Beispiel auch Wartung der Rauchmelder, allgemeine Wasserrechnungen, Wasserverbrauch, Niederschlagswasser, das Auswechseln von Wasserzählern, Versicherungen und andere Posten, die nicht in der benannten Arbeitshilfe explizit erwähnt werden. Wurden diese Kosten ebenfalls im Durchschnittswert der kalten Betriebskosten von 1,80 Euro/Quadratmeter berücksichtigt ? Dem „Betriebskostenspiegel für Hamburg“ des Mietervereins zu Hamburg, der Grundlage für die Berechnung der kalten Betriebskosten im Rahmen der Angemessenheitsgrenze war, liegen alle Positionen der Betriebskostenverordnung zugrunde, die als kalte Betriebskosten abgerechnet werden können. 6. In der Annahme, dass durch die weiteren benannten kalten Betriebskosten nach Frage 5. die kalten Betriebskosten den jetzigen Durchschnittsbetrag überschreiten, werden diese durch Jobcenter t.a.h. und den Grundsicherungsämtern nach Vorlage übernommen? Wenn ja, wie ist der Ablauf? Wenn nein, warum nicht? Nein, siehe Antwort zu 5. 7. Besteht durch Jobcenter t.a.h. und den Grundsicherungsämtern die Möglichkeit, das Kostensenkungsverfahren einzuleiten, wenn die kalten Betriebskosten den Gesamtbetrag überschreiten, obwohl nach den alten Regelungen der angemessene Höchstwert nicht überschritten wurde? Wenn ja, wie bewertet der Senat dieses? Die Arbeitshilfe sieht eine Bestandschutzregelung vor: http://www.hamburg.de/basfi/ah-sgbii-kap03-22/8006916/ah-sgbii-22-sgbxii-35/. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/7811 3 8. In welchen Abständen wird der durchschnittliche Betriebskostenspiegel für Hamburg in der Fachanweisung und der benannten Arbeitshilfe angepasst und wie wird dieses für die Betroffenen und Beratungsstellen kommuniziert? Eine Überprüfung ist im Rahmen der nächsten Erhebung des Mietenspiegels 2017 geplant. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. 9. Kalte Betriebskosten unterliegen Schwankungen, auf die Mieter/-innen keinen Einfluss haben. So kann es vorkommen, dass durch äußere Umstände diese steigen und damit die neue Angemessenheitsgrenze überschritten wird, obwohl sich die Nettokaltmiete nicht verändert hat. Welche Kulanz, mit Ausnahme der benannten Bestandsschutzregelungen , wird durch Jobcenter t.a.h. und Grundsicherungsämter für diese Fälle angesetzt? Bitte in Prozent, Euro und Fristen angeben. Es gilt das übliche Instrumentarium gemäß den Regelungen der Fachanweisungen und Arbeitshilfe zu § 22 SGB II und § 35 SGB XII: http://www.hamburg.de/infoline/. 10. Der „Mieterverein zu Hamburg von 1899 r.V.“ hat im September 2016 den durchschnittlichen Betriebskostenspiegel für Hamburg veröffentlicht. Demnach sind 2,06 Euro/Quadratmeter für die sogenannten kalten Betriebskosten angefallen. Trotz eines Sicherheitszuschlages von 10 Prozent, setzt die neue benannte Arbeitshilfe eine geringere Summe von 1,80 Euro/Quadratmeter fest. Auf welcher Grundlage berechnete der Senat die Differenz von 0,26 Euro/Quadratmeter und wie bewertet der Senat diese Differenz? Es wurden nur die Ausgaben für kalte Betriebskosten berücksichtigt, für die belastbare Daten vorliegen. Bei den Wasserkosten handelte es sich um geschätzte Werte, sodass diese entsprechend der bisherigen Regelung in tatsächlicher Höhe übernommen werden, soweit sie angemessen sind. 11. Wie viele Bedarfs-, Haushaltsgemeinschaften werden voraussichtlich von den neuen Regelungen jeweils nach dem SGB II und SGB XII betroffen sein? Bitte auflisten nach Bezirke. Für Haushalte im Leistungsbezug greifen die Bestandsschutzregelungen gemäß der Arbeitshilfe, siehe Antwort zu 7. Wie viele Leistungsberechtige in Zukunft von den Regelungen betroffen sein werden, ist nicht prognostizierbar. 12. Aus welchem Anlass wurde diese Änderung vorgenommen und gibt es weitere Gründe als den in der Arbeitshilfe benannten Grund? Die Änderung war durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), des Landessozialgerichts (LSG) und der Sozialgerichte (SG) geboten.