BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/7819 21. Wahlperiode 10.02.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten David Erkalp (CDU) vom 02.02.17 und Antwort des Senats Betr.: Plenumswahl 2017 der Handelskammer Hamburg Seit einigen Jahren sind die Plenumsmitglieder der Handelskammer nicht so homogen, wie man es sich als Außenstehender vorstellt. Zwar stritten sich Kaufleute auch früher schon über das richtige Vorgehen der Handelskammer , doch es passierte still und blieb innerhalb der Handelskammermauern. Des Weiteren verbot es die Hamburger Kaufmannsehre, etwaige Meinungsverschiedenheiten in die Öffentlichkeit zu tragen. Heute nun ist es anders. Für den einen ist der klassische Kaufmann und Unternehmer überholt und nicht mehr zeitgemäß. Für den anderen sollte die Handelskammer etwas reformiert werden. Wiederum andere unterstützen die Arbeit der Handelskammer und wünschen sich in manchen Bereichen lediglich ein „Update“. Doch seit einigen Monaten bemerken wir in Hamburg eine Auseinandersetzung innerhalb der Plenumsmitglieder und Kaufleute, die Außenstehende nur schwer verstehen können. Hier wird eine gewöhnliche Handelskammer- Plenumswahl in einer Art und Weise öffentlich diskutiert, dass man annehmen könnte, hier werde ein neuer Bürgermeister gewählt. In einer nie dagewesenen Art wird um die Gunst der wahlberechtigten Kaufleute und Selbständigen geworben. Manche Wahlbündnisse schreiben zigtausende Wahlberechtigte an und buhlen um ihre Stimmen. Diese Wahlen sind nun endgültig politisch geworden. Doch anders als in der Politik kennen Außenstehende häufig die Hintergründe der einzelnen Wahlbündnisse nicht. Außenstehende verstehen oftmals genau, was bezweckt wird oder gar welchen Status einzelne Wahlbündnisse oder Bewerber haben beziehungsweise was sie heute leisten oder über wie viele Arbeitsplätze sie verfügen, inwieweit sie Auszubildenden eine Chance geben und dadurch ihren Beitrag leisten. Oder ob sie lediglich an die Macht kommen wollen, aber der Stadt nur wenig Arbeit abnehmen. Zum Beispiel möchte ein Wahlbündnis die Kammerbeiträge abschaffen; doch welche Einschnitte dadurch entstehen, wird nicht erklärt. Die meisten Kandidaten haben sich in drei Wahlbündnissen zusammengeschlossen. Erst wenn diese und andere Fragen beantwortet sind, kann man abschätzen welche Wahlbündnisse tatsächlich zum Wohle der Stadt und schließlich zum Wohle der Wettbewerbsfähigkeit und von Arbeitsplätzen handeln. Die meisten Hamburger Unternehmer kennen die Wahlbündnisse und ihre wahren Ziele nicht. Daher ist vor dem Hintergrund des nun öffentlich ausgetragenen Wahlkampfs auch eine Zusammenfassung notwendig. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Drucksache 21/7819 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Der Senat beantwortet die Fragen auf der Grundlage von Auskünften der Handelskammer Hamburg wie folgt: 1. Wie viele Auszubildende haben in jeweiliger Summe die Unternehmen der Kandidaten der Wahlbündnisse „Vorfahrt für Hamburg“, „Unternehmer für Hamburg“ und „Die Kammer sind wir“? Bitte auch für die Summe der Unternehmen der unabhängigen Kandidaten angeben. Die Anzahl der bei der Handelskammer eingetragenen Ausbildungsverhältnisse (Stand: 22. November 2016) bei den Kandidaten für die Plenumswahl beträgt: Unternehmen Anzahl Auszubildende Wahlbündnis „Starke Kammer. Vorfahrt für Hamburg“ 172 Wahlbündnis „MACHEN STATT REDEN - #Unternehmer- FürHamburg!“ 78 Wahlbündnis „Zwangsbeiträge abschaffen - die Kammer sind WIR!“ 79 Unabhängige Kandidaten 1.146 2. Wie viele Mitarbeiter haben in jeweiliger Summe die Unternehmen der Kandidaten der Wahlbündnisse „Vorfahrt für Hamburg“, „Unternehmer für Hamburg“ und „Die Kammer sind wir“? Bitte auch für die Summe der Unternehmen der unabhängigen Kandidaten angeben. Die Anzahl der Beschäftigten in Hamburg gemäß Datenbestand der Handelskammer (zuletzt aktualisiert durch Mitgliederbefragung im Mai 2016) bei den Kandidaten für die Plenumswahl beträgt: Unternehmen Anzahl Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Wahlbündnis „Starke Kammer. Vorfahrt für Hamburg“ 2.603 Wahlbündnis „MACHEN STATT REDEN - #Unternehmer- FürHamburg!“ 467 Wahlbündnis „Zwangsbeiträge abschaffen - die Kammer sind WIR!“ 876 Unabhängige Kandidaten 34.788 3. Nach welchen Kriterien wird der Handelskammerbeitrag für Unternehmer festgelegt? Und wie hoch liegt er derzeit? 4. Gibt es auch für geringverdienende Selbstständige einen Pflichtbeitrag beziehungsweise gibt es Gruppen, die keinen Pflichtbeitrag leisten müssen ? Wenn ja, warum nicht und welche Gruppen sind das? Nach § 3 Absatz 3 Sätze 2 bis 4 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (IHK-Gesetz) sollen bei der Höhe des Kammerbeitrages Art, Umfang und Leistungskraft des jeweiligen Mitgliedsunternehmens berücksichtigt werden und sind bestimmte Kammerzugehörige mit einem Gewerbeertrag beziehungsweise Gewinn bis 5.200 Euro sowie Existenzgründerinnen und Existenzgründer vom Beitrag befreit. Die Höhe des Beitrags wird von der Handelskammer mit der Wirtschaftssatzung für das jeweilige Geschäftsjahr festgelegt. Siehe https://www.hk24.de/blob/ hhihk24/servicemarken/ueber_uns/downloads/3609966/de08455f0ec13a1f654f24226 de6758c/wirtschaftssatzung_2017-data.pdf. 5. Wie viele Wahlberechtigte aus allen Wirtschaftszweigen dürfen an der Kammerwahl teilnehmen? Und wie hoch war ihr Kammerbeitrag insgesamt 2016? An der Handelskammer-Wahl 2017 dürfen 159.465 Mitglieder teilnehmen. Für das Beitragsjahr 2016 wurden bisher Beiträge in Höhe von 30,1 Millionen Euro veranlagt. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/7819 3 6. Mit welchem finanziellen Beitrag unterstützte die Hansestadt Hamburg die Handelskammer in 2016? Die Freie und Hansestadt Hamburg unterstützte die Handelskammer 2016 mit keinem finanziellen Beitrag. Folgende projektbezogene Kostenbeteiligungen gab es: rund 130.000 Euro für den Umbau des Hamburg Welcome Centers (siehe Drs. 21/5466), rund 2.000 Euro für den 5. Hamburger Schifffahrtsdialog, 3.000 Euro für den Hamburger Tourismustag. 7. Ist es gängige Praxis in Deutschland, dass Handelskammern einen Pflichtbeitrag erheben? Wenn nicht, wie viele Handelskammern erheben keinen Pflichtbeitrag? Alle 79 deutschen Industrie- und Handelskammern erheben Beiträge von ihren Kammerzugehörigen . 8. Laut der Forderung des Wahlbündnisses „Die Kammer sind wir“ wird bei einem Wahlsieg die Abschaffung des Kammerbeitrags angekündigt. Ist es möglich, die Beiträge der Handelskammer einfach abzuschaffen, oder entscheiden das andere Gremien oder politische Instanzen, Parlamente et cetera? Wenn ja, welche? Nach § 3 Absatz 2 Satz 1 IHK-Gesetz sind die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufzubringen. Über die Abschaffung dieser gesetzlichen Berechtigung zur Erhebung von Kammerbeiträgen entscheidet der Bundesgesetzgeber. Die Abschaffung des Kammerbeitrags, wie er durch die Wirtschaftssatzung festgesetzt ist, ist durch Entscheidung des Plenums der Handelskammer möglich, wenn die Kosten der Kammer anderweitig gedeckt sind. 9. Wenn die Kammerbeiträge abgeschafft würden, welche Maßnahmen, Projekte und sonstige Aktionen würden nicht mehr im Namen der Handelskammer finanziert werden können? Und würde dieses Ereignis zwangsläufig auch zu Entlassungen von Mitarbeitern der Handelskammer und Mitarbeitern ihrer kooperierenden Projekte führen? Die Betriebserträge der Handelskammer Hamburg speisen sich zu circa 81 Prozent aus den Kammerbeiträgen. Insbesondere folgende Leistungen der Geschäftsbereiche der Handelskammer sind beitragsfinanziert und könnten daher bei einer Abschaffung der Kammerbeiträge in der bisherigen Form voraussichtlich nicht mehr durchgeführt werden (Zahlenangaben beziehen sich auf das Jahr 2015): Geschäftsbereich I (Branchen/Cluster/Vor Ort): Betreuung der Cluster, Unternehmerische Kulturförderung, Hamburger Immobilientreff, Vermittlertreffs, Branchenforen Geschäftsbereich II (Unternehmensförderung, Existenzgründung): 8.500 Existenzgründungsberatungen , elektronische Gründungswerkstatt, 493 Stellungnahmen zu Förderanträgen, 32 Vor-Ort-Sprechtage in je sieben Bezirken, Unternehmerfrühstücke , allgemeine Betriebsberatung, 69 Krisenberatungen, Beratung von migrantischen Unternehmen, Unterstützung von 17 Business Improvement Districts (BID), handelsbezogene Informationsveranstaltungen zur digitalen Transformation Geschäftsbereich III (Marketing, Kommunikation, Mitgliederbeziehungen): Internetauftritt HK24, weitere Online-Dienstleistungsangebote, Handelskammer-Magazin „HW“ – Hamburger Wirtschaft, New-Kammer-Begrüßungsveranstaltungen, Zeitung „Handelskammer plus“, Erhebung und Pflege der Mitgliederdaten, Durchführung der Handelskammer-Wahlen Drucksache 21/7819 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Geschäftsbereich IV (Wirtschaftspolitik): Konjunkturanalysen, Steuerforen, Mitarbeit in Gremien der Metropolregion, Vertretung des Gesamtinteresses auf Podien, in politischen Gremiensitzungen, Erarbeitung von Grundsatzpositionen und Redeentwürfen , 2.050 Erstauskünfte zum Steuerrecht Geschäftsbereich V (Infrastruktur): Netzwerk- und Informationsveranstaltungen im Bereich Verkehr, 31 Stellungnahmen zu Bebauungsplänen, 76 Stellungnahmen zu Straßenverkehrsplanungen, 1.118 Stellungnahmen zu Neugründungen und Unternehmensveränderungen im Verkehrsgewerbe Geschäftsbereich VI (Innovation und Umwelt): 202 Energie- und Umweltberatungen bei Unternehmen vor Ort, Mitarbeit in der Innovationsallianz, Organisation des Hochschulforums der Wirtschaft, 5.037 Erstberatungen zu gewerblichen Schutzrechten Geschäftsbereich VII (International): 1.500 Beratungen zum Eintritt in ausländische Märkte, 92 Länderinformationsveranstaltungen, Empfang von 170 ausländischen Delegationen, 250 Beratungen zu aufenthaltsrechtlichen Fragen, 6.500 Auskünfte zum Zoll- und Außenwirtschaftsrecht Geschäftsbereich VIII (Recht, Sachverständigenwesen, Streiterledigung): 4.357 allgemeine Rechtsauskünfte, Vermittlung von öffentlich bestellten Sachverständigen in 1.315 Fällen, 5.359 Handelsregisterstellungnahmen Geschäftsbereich IX (Berufsausbildung, Sach- und Fachkundeprüfungen): Hanseatische Lehrstellenbörse, Nachvermittlungsaktionen, Azubi-Speed-Dating, Bestenehrungen , Online-Lehrstellenbörse, Betreuung der Berufsschulen, Schulpreis der Hamburger Wirtschaft, Lehrerbetriebspraktikum, Schlichtungsverfahren in Berufsausbildungsverhältnissen von Sachverständigen Das System der Ausbildungsberatung und -prüfungen wird zu 50 Prozent aus Gebühren gedeckt. Ein Wegfall der Mitgliedsbeiträge führte daher zu einem Anstieg der Gebühren Geschäftsbereich X (Zentrale Aufgaben, Beteiligungsmanagement) mit Stäben: Personalwesen, IT, Rechnungswesen, Commerzbibliothek, Archiv, Allgemeine Hausverwaltung Verschiedene Geschäftsbereiche: 166 Stellungnahmen zu Gesetzgebungsverfahren auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene, 377 Informationsveranstaltungen zu unternehmensrelevanten Themen mit 28.160 Teilnehmern Im Übrigen hat sich der Senat damit nicht befasst. 10. Hat die Handelskammer Hamburg Projekte im Bereich der Ausbildung zur Eingliederung von benachteiligten Ausländern und Migranten? Wenn ja, wie viele Ausbildungsverträge konnten in 2016 geschlossen werden? Ja. Im Jahr 2016 wurden bei der Handelskammer Hamburg insgesamt 620 Ausbildungsverhältnisse von Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit neu eingetragen .