BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/7820 21. Wahlperiode 10.02.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 02.02.17 und Antwort des Senats Betr.: Drama im Gerichtssaal – Angriff im Landgericht Am 31.01.2017 hatte ein 39-jähriger Angeklagter im Gerichtssaal am Landgericht Hamburg eine Zeugin angegriffen und verletzt. Trotz Sicherheitsvorkehrungen konnte er eine präparierte Rasierklinge und eine angespitzte Zahnbürste in den Gerichtssaal mitbringen. Lediglich eine Beamtin soll zur Bewachung des Angeklagten eingesetzt worden sein. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Welche Sicherheitsvorkehrungen gab es in der Untersuchungshaft am 31.01.2017, als der 39-jährige Angeklagte dort überprüft wurde? Wie viel Personal war dort für die Sicherheitsvorkehrungen abgestellt und verantwortlich ? Siehe Drs. 21/7772. 2. Welche grundsätzlichen Sicherheitsvorkehrungen bestehen in Hamburg bei gefährlichen Angeklagten, die sich wegen Bedrohung und gefährlicher Körperverletzung verantworten müssen, wenn diese in einer Untersuchungshaft untergebracht sind? Wie viel Personal ist bei Kontrollen grundsätzlich zugegen und wie umfangreich werden diese durchgeführt? 3. Welche Kriterien müssen erfüllt sein, damit die höchsten Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden? Sicherheitsmaßnahmen bei Untersuchungshaftgefangenen werden abhängig vom Einzelfall durch die jeweilige zuständige Anstalt angeordnet und durch den Gerichtsservice der Untersuchungshaftanstalt umgesetzt. Bei besonders fluchtgefährdeten oder besonders gewaltbereiten Untersuchungsgefangenen kommen als besondere Sicherungsmaßnahmen im Rahmen der Vorführung zu einem Gerichtstermin insbesondere in Betracht: - Vorführung mit zwei oder mehr Bediensteten, - Fesselung an Hand- und/oder Fußgelenken; gegebenenfalls auch während der Gerichtsverhandlung, - körperliche Durchsuchung mit Entkleidung, - besonders gesicherte Gerichtssäle. Bei Personenkontrollen (Durchsuchungen von Gefangenen) sind in der Untersuchungshaftanstalt grundsätzlich zwei Bedienstete zugegen. Diese Kontrollen erfolgen durch Abtasten der Personen, durch Scannen mittels Handsonde und/oder durch Metalldetektoren. Drucksache 21/7820 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Die Anordnung von Hand- und Fußfesseln im Gerichtssaal kommt insbesondere in Betracht, wenn konkrete, belastbare Anhaltspunkte für eine Entweichungsabsicht des Betroffenen, eine Gefangenenbefreiung oder die Begehung von Gewaltstraftaten im Gerichtssaal bestehen. Hat das Gericht in der Haftsache keine Fesselungsanordnung getroffen, ist in der Regel von einer Fesselung im Verhandlungsraum abzusehen. Wird seitens der Justizvollzugsanstalt eine Fesselung im Gerichtssaal als erforderlich angesehen, ist dies dem zuständigen Gericht mitzuteilen. Die Entscheidung ist aber letztlich von der Vorsitzenden Richterin beziehungsweise dem Vorsitzenden Richter zu treffen. Im Übrigen siehe Drs. 21/7820. 4. Inwieweit war der Angeklagte in welcher JVA auffällig beziehungsweise in wie vielen Fällen seit wann gewalttätig geworden? a. Wenn ja, wie werden dann in solchen Fällen die Sicherheitsvorkehrungen erhöht? In der laufenden Untersuchungshaft vom 21. Dezember 2015 bis zur Berufungsverhandlung am 31. Januar 2017 ist der Angeklagte nicht mit Gewalt gegen andere Personen auffällig geworden. Im Mai 2016 wandte sich der Angeklagte an einen Bediensteten der JVA, da er aufgrund eines Konflikts mit einer Auseinandersetzung mit einem anderen Gefangenen rechnete. Der Angeklagte wurde daraufhin in eine andere Anstalt verlegt, um so die Eskalation des Konflikts zu verhindern. Beim Angeklagten ist aufgrund des psychischen Zustandes des Gefangenen wiederholt Suizidgefahr beziehungsweise die Gefahr von Selbstverletzungen angenommen worden. Es wurden daraufhin jeweils besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet, insbesondere die Beobachtung im Haftraum und der Entzug beziehungsweise die Vorenthaltung von gefährlichen und gefährdenden Gegenständen. Die besonderen Sicherungsmaßnahmen konnten jeweils nach kurzer Zeit wieder vollständig aufgehoben werden. In einem Einzelfall wirkte der Gefangene desorientiert und reagierte auf Ansprache mit unverständlichen Worten. Es erfolgte eine Ausführung zur ärztlichen Behandlung und eine kurze sich anschließende Unterbringung im Vollzugskrankenhaus der Untersuchungshaftanstalt . Als Hintergrund wurde Drogenmissbrauch vermutet, der sich aber im Folgenden nicht bestätigen ließ. Im Übrigen siehe Drs. 21/7772. b. Inwieweit spielen die Gefährlichkeit des Angeklagten und bereits verübten Straftaten bei den Sicherheitsvorkehrungen eine Rolle? Die Anordnung besonderer Sicherungsmaßnahmen ist nur zulässig, wenn nach dem konkreten Verhalten oder aufgrund einer akuten psychischen Belastung in erhöhtem Maße insbesondere die Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen oder die Gefahr der Selbsttötung oder Selbstverletzung anzunehmen ist. Dabei handelt es sich in der jeweiligen Situation um eine Einzelfallentscheidung, bei der Erkenntnisse aus der laufenden Inhaftierung und – soweit bekannt – auch Erkenntnisse aus Vorinhaftierungen in die Entscheidung einzubeziehen sind. Im Übrigen siehe Drs. 21/7772. 5. Wie viele Justizvollzugsbedienstete, Wächter begleiteten den Angeklagten in den Gerichtssaal und waren bei dem Gang von der Untersuchungshaft in den Gerichtssaal und im Gerichtssaal abgestellt? Wer hat dies angeordnet? Siehe Drs. 21/7772. 6. Wie hoch ist die Zahl der Justizvollzugsbediensteten, Wächter, die einen gefährlichen Angeklagten normalerweise in den Gerichtssaal am Landgericht begleiten? Gab es im vorliegenden Fall Abweichungen und wenn ja, warum? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/7820 3 Siehe Antwort zu 2. und 3. und Drs. 21/7772. 7. Seit wann haben Senat und zuständige Behörde wie über den Vorfall Kenntnis erlangt? Siehe Drs. 21/7772. 8. Welche genaueren Erkenntnisse liegen dem Senat und der zuständigen Behörde über den Vorfall vor? Inwieweit sind Gespräche wann in der JVA und im Gericht dazu erfolgt? 9. Weshalb konnte aus Sicht des Senats und der zuständigen Behörde der Angeklagte eine präparierte Rasierklinge und eine angespitzte Zahnbürste unbemerkt in den Gerichtssaal des Landgerichts schmuggeln? Wer trägt dafür die Verantwortung? Zur Aufarbeitung werden laufend Gespräche in und mit den betroffenen Justizvollzugsanstalten geführt. Mit dem Gericht werden Gespräche zum geplanten Fortgang der Berufungshauptverhandlung geführt. Im Übrigen siehe Drs. 21/7772. 10. Wie viele Personen haben bei der elektronischen Kontrolle des Angeklagten auf das Gerät/den Bildschirm zur Überprüfung der Sicherheit am 31.01.2017 geschaut? Wie viele Personen sind dort grundsätzlich vorhanden ? Bei der Kontrolle kommen lediglich Geräte ohne Bildgebung zum Einsatz. Im Übrigen siehe Drs. 21/7772. 11. Wurde fachfremdes Personal bei den Sicherheitsvorkehrungen und/oder der Bewachung des Angeklagten am 31.01.2017 eingesetzt? Wenn ja, wie viele Personen und inwieweit war das Personal fachfremd? Nein. 12. Wie oft wird grundsätzlich bei Sicherheitsvorkehrungen fachfremdes Personal in Hamburg eingesetzt? Wie häufig ist dies bereits seit 2012 der Fall gewesen (bitte begründen)? Im Hamburgischen Justizvollzug wird im Rahmen von besonderen Sicherungsmaßnahmen kein fachfremdes Personal eingesetzt. Private Sicherheitsdienste werden in Gerichtsgebäuden ausschließlich für die allgemeine Gebäudesicherung eingesetzt. 13. Inwieweit könnten die Sichervorkehrungen in der JVA nicht funktioniert haben? Wenn ja, warum nicht? Siehe Drs. 21/7772. 14. Kam es gegebenenfalls beim Umbau der Untersuchungshaftanstalt zu personellen Engpässen? Wenn ja, seit wann? Wenn ja, wie hoch sind dort die Fehlzeiten und Krankenstände bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von 2012 bis 2017? Nein. Aufgrund der Baumaßnahmen im Bereich des B-Flügels der Untersuchungshaftanstalt wurde die Belegungsfähigkeit herabgesetzt und die Personalbedarfsplanung wurde angepasst. Die Baumaßnahmen haben hingegen zu keiner Verschärfung der angespannten Personalsituation im Justizvollzug geführt. Auf diese Personalsituation hat der Senat mit einer Ausbildungsoffensive reagiert. 15. Inwieweit könnten die Sicherheitsvorkehrungen vor und in dem Gerichtssaal am Landgericht nicht funktioniert haben? Wenn ja, warum nicht? 16. Wann genau ist Alarm im Gericht ausgelöst worden und wie viel Zeit war seit dem Angriff des Angeklagten auf die Zeugin vergangen? Drucksache 21/7820 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Siehe Drs. 21/7772. 17. Welche Konsequenzen ziehen Senat und zuständige Behörde aus dem Fall? Über abschließende Konsequenzen entscheidet die zuständige Behörde nach Abschluss der Ermittlungen. Im Übrigen siehe Drs. 21/7772.