BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/7834 21. Wahlperiode 10.02.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Birgit Stöver (CDU) vom 03.02.17 und Antwort des Senats Betr.: Drogentote 2016 in Hamburg Drogenkonsum ist mit hohen gesundheitlichen Risiken verbunden, die bis zum Tod führen können. Daher setzt Hamburg seit Jahren auf vielfältige Beratungs- und Präventionsmaßnahmen – vom niedrigschwelligen Angebot bis hin zum Methadonprogramm. Dem waren die unhaltbaren Zustände der offenen Drogenszene am Hamburger Hauptbahnhof und in St. Georg um die Jahrtausendwende vorausgegangen . Über 100 Drogentote waren damals pro Jahr zu beklagen. Diese erschreckende Zahl ist während der CDU-Regierungszeit von 2001 – 2011 sukzessive gesunken und erreichte mit 49 Drogentoten einen historischen Tiefstand. Doch diese im Kern erfreuliche Tendenz fand im Jahr 2013 ein jähes Ende. Wie aus der Antwort des Senats auf meine Anfrage (Drs. 20/10941) hervorging , starben 2013 insgesamt 62 Menschen in Hamburg durch den Konsum von Drogen. Dies entsprach einem Anstieg um 25 Prozent innerhalb nur eines Jahres und lag deutlich über der bundesweiten Steigerung von 8 Prozent im selben Zeitraum. Im Jahr 2014 deutete sich eine leichte Entspannung an, die Zahl sank auf 51 Todesfälle (Drs. 20/14523). 2015 stieg die Zahl dann wiederum auf 59 Fälle (Drs. 21/3590). Laut aktuellen Medienberichten ist die Zahl der Drogentoten in Hamburg im vergangenen Jahr nun erneut deutlich gestiegen, auf insgesamt 75 Fälle. Eine offizielle Bestätigung hierzu steht noch aus. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Todesfälle im Zusammenhang mit Betäubungsmittelmissbrauch werden durch das Institut für Rechtsmedizin Hamburg (IfR) untersucht und dort festgestellte Todesursuchen dem Landeskriminalamt Hamburg (LKA) mitgeteilt. Den zuständigen Behörden liegen diese nachfolgend zitierten Zahlen vor. Sie sind jedoch noch nicht abschließend geprüft. Daher sind die nachfolgenden Zahlen als vorläufig zu bewerten. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Drogentote gab es im Jahr 2016 in Hamburg? Bitte zusätzlich angeben: a. Die Verteilung der Opferzahlen auf die Geschlechter b. Das Durchschnittsalter der Opfer Jahr 2016 Drogentote gesamt 75 Drucksache 21/7834 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Jahr 2016 davon weiblich 19 davon männlich 56 Durchschnittsalter in Jahren 42,9 c. Die Zahl der Drogentoten je 100.000 Einwohner Basierend auf der Einwohnerzahl des Statistikamtes Nord vom 31. Dezember 20151 (1.787.408 Einwohner/-innen) ergibt sich ein Wert von 4,19 Drogentoten je 100.000 Einwohner/-innen. d. Die Zahl der Drogentoten im Straßenverkehr Es gab 2016 keine Drogentoten im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr. e. Die Todesursache, aufgeschlüsselt nach monovalenten Vergiftungen (Opiate, Opiat-Substitutionsmittel, andere Substanzen als Opiate ), polyvalenten Vergiftungen (Opiate, Opiat-Substitutionsmittel, andere Substanzen als Opiate), Vergiftungen durch psychoaktive Medikamente, Suiziden, Unfällen und sonstigen Fällen. Die vom IfR festgestellten und dem LKA gemeldeten Todesursachen sind der folgenden Tabelle zu entnehmen: Todesursachen 2016 „monovalente“ Vergiftungen durch Opioide/Opiate 15 davon Heroin/Morphin 6 davon Opiat-Substitutionsmittel 9 davon Opiat-basierte Arzneimittel 0 „polyvalente“ Vergiftungen durch Opioide/Opiate 27 davon Heroin/Morphin i.V.m. anderer Substanz(en) 11 davon Opiat-Substitutionsmittel i.V.m. anderer Substanz (en) 14 davon Opiat-basierte Arzneimittel 2 „monovalente“ Vergiftungen durch andere Substanzen als Opioide/Opiate (ohne psychoaktive Substanzen) 3 „polyvalente“ Vergiftungen durch andere Substanzen als Opioide/Opiate 5 Vergiftungen durch psychoaktive Medikamente ausschließlich 0 Suizide 2 Langzeitschädigungen 18 Unfälle 5 Sonstige 0 Gesamtzahl der Todesfälle 75 2. Wie bewertet der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde die unter 1. abgefragte Zahl der Drogentoten in Hamburg im Jahr 2016? Handelt es sich bei dem gegenüber dem Vorjahr und gegenüber dem Jahr 2012 erkennbaren deutlichen Anstieg aus Sicht der zuständigen Behörde um eine zufällige Entwicklung? Wenn nein, welche Ursachen hat der Anstieg der Fallzahlen? Die Steigerung der Fallzahlen ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen, die mit der Verbesserung des Ermittlungs- und Erfassungsprozesses zu tun haben. Insbesondere besteht eine höhere Sensibilisierung der vor Ort Tätigen (zum Beispiel durch Schulungen ). Somit werden nunmehr Fälle als drogenindiziert erfasst, die in den vergangenen Jahren nicht als solche erkannt wurden. Als häufigste Todesursache ist weiterhin der polyvalente Konsum von Suchtmitteln beziehungsweise Substitutionsmitteln sowie 1 Statistische Daten zu Einwohnerzahlen der Freien und Hansestadt Hamburg für 2016 liegen aktuell nicht vor. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/7834 3 Gesundheitsbeeinträchtigungen infolge des Langzeitkonsums entsprechender Substanzen (Drogenfolgeerkrankungen) zu nennen. Im Rahmen der fachlichen Bewertung der Zahlen können keine konkreten Auffälligkeiten festgestellt werden, die alleinursächlich für den Anstieg der Fallzahlen sind. Der Anstieg im Jahr 2016 kann daher im Rahmen üblicher Schwankungen bewertet werden. 3. Wie hat sich die Zahl der Drogentoten je 100.000 Einwohner in den Bundesländern seit 2011 entwickelt? (Bitte jahresweise und für jedes Bundesland inklusive Hamburg sowie für Deutschland gesamt angeben.) Offizielle Daten für das Jahr 2016 liegen noch nicht vor. Für die Jahre 2011 bis 2015 zeigt sich folgende Entwicklung: 2011 2012 2013 2014 2015 absolut je 100.000 Einwohner absolut je 100.000 Einwohner absolut je 100.000 Einwohner absolut je 100.000 Einwohner absolut je 100.000 Einwohner Baden- Württemberg 139 1,3 127 1,2 121 1,1 137 1,3 142 1,3 Bayern 177 1,4 213 1,7 230 1,8 252 2,0 314 2,5 Berlin 114 3,3 113 3,2 119 3,5 123 3,7 153 4,4 Brandenburg 2 0,1 2 0,1 5 0,2 5 0,2 10 0,4 Bremen 17 2,6 15 2,3 7 1,1 19 2,9 19 2,9 Hamburg 57 3,32 49 2,7 62 3,55 51 3,0 59 3,3 Hessen 90 1,5 77 1,3 88 1,5 66 1,1 104 1,7 Mecklenburg - Vorpom - mern 5 0,3 5 0,3 1 0,1 2 0,1 5 0,3 Niedersachsen 52 0,7 56 0,7 60 0,8 73 0,9 70 0,9 Nordrhein - Westfalen 216 1,2 204 1,1 198 1,1 184 1,0 182 1,0 Rheinland - Pfalz 41 1,0 25 0,6 38 1,0 55 1,4 48 1,2 Saarland 12 1,2 9 0,9 11 1,1 8 0,8 19 1,9 Sachsen 12 0,3 9 0,2 14 0,3 10 0,2 27 0,7 Sachsen - Anhalt 9 0,4 5 0,2 9 0,4 6 0,3 13 0,6 Schleswig - Holstein 35 1,2 26 0,9 23 0,8 29 1,0 42 1,5 Thüringen 8 0,4 9 0,4 16 0,7 12 0,6 19 0,9 Deutsch land gesamt 986 1,2 944 1,2 1002 1,2 1032 1,3 1226 1,5 Quelle: Bundeskriminalamt 2016 Drucksache 21/7834 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 4. Wie hat sich die Zahl der Drogentoten je 100.000 Einwohner in anderen deutschen Großstädten seit 2011 entwickelt? (Bitte jahresweise und für jede Großstadt angeben.) Offizielle Daten für das Jahr 2016 liegen noch nicht vor. Für die Jahre 2011 bis 2015 zeigt sich folgende Entwicklung: 2011 2012 2013 2014 2015 absolut je 100.000 Einwohner absolut je 100.000 Einwohner absolut je 100.000 Einwohner absolut je 100.000 Einwohner absolut Je 100.000 Einwohner Frankfurt 26 3,8 21 3,0 27 3,9 22 3,3 29 4,1 Köln 34 3,4 29 2,9 42 4,2 37 3,7 42 4,1 München 35 2,6 35 2,5 41 3,0 46 3,4 62 4,4 Hannover 7 1,3 3 0,6 11 1,0 12 2,4 6 1,2 Dortmund 11 1,9 4 0,7 8 1,4 7 1,2 6 1,0 Essen 18 3,1 20 3,5 5 0,9 10 1,8 11 1,9 Stuttgart 7 1,2 11 1,8 12 2,0 11 1,9 13 2,2 Nürnberg 20 4,0 13 2,5 30 6,1 27 5,5 27 5,4 Düsseldorf 16 2,7 9 1,5 8 1,0 10 1,7 6 1,0 Quelle: Bundeskriminalamt 2016 5. Inwiefern korrelieren nach Erkenntnis der zuständigen Behörde die in einer Region bereitgestellten Mittel für Suchtprävention, Suchthilfe und Suchtselbsthilfe mit der Zahl der Drogentoten? Ein direkter Zusammenhang zwischen bereitgestellten Mitteln und der Zahl der Drogentoten kann aufgrund der Komplexität der Todesursachen, der für die Steigerung relevanten Faktoren und der Wirkung präventiver Maßnahmen und Angebote der Suchthilfe nicht hergestellt werden. Im Übrigen siehe Antwort zu 2. 6. Beruht die unter 1. für das Jahr 2016 genannte Zahl der Drogentoten in Hamburg auf Daten aus Totenscheinen, wie sie vom Statistischen Bundesamt (Destatis) erhoben werden, oder auf durch Obduktionen und Gewebeproben diagnostizierten Todesfällen, wie sie vom Bundeskriminalamt (BKA) erhoben werden und in den vergangenen Jahren vom Universitätsklinikum Eppendorf für Hamburg erhoben wurden? Inwieweit haben sich durch die verschiedenen Methoden unterschiedliche Zahlen für 2016 ergeben? In Hamburg werden alle Verdachtsfälle durch das Universitätsklinikum Hamburg- Eppendorf obduziert, sodass keine unterschiedlichen Methoden zur Anwendung kommen.