BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/7862 21. Wahlperiode 14.02.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Jennyfer Dutschke (FDP) vom 06.02.17 und Antwort des Senats Betr.: Kooperation bei Rückführungen beziehungsweise freiwilliger Ausreise mit EU-Staaten In Artikel 21 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ist bestimmt, dass jeder Unionsbürger das Recht hat, „sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten (...) frei zu bewegen und aufzuhalten.“1 Die Ausübung des Freizügigkeitsrechts steht unter den Bedingungen und Beschränkungen der Durchführungsvorschriften, in erster Linie der Richtlinie 2004/38/EG vom 29. April 2004, der sogenannten Freizügigkeitsrichtlinie. Sie fasst Rechte und Pflichten von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen bei Einreise und Aufenthalt in anderen Mitgliedstaaten zusammen. Die Freizügigkeitsrichtlinie wird durch das Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU) in nationales Recht umgesetzt.2 In §2 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU – FreizügG/EU) sind die Maßgaben kodifiziert, unter welchen EU-Bürger das Recht auf Einreise und Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Ferner ist darin niedergelegt, dass Unionsbürger unter bestimmten Umständen ihr Recht auf Freizügigkeit verlieren können. So kann die Ausländerbehörde auf der Grundlage von Paragraf 2 Absatz 7 Freizügigkeitsgesetz/EU das Nichtbestehen des Freizügigkeitsrechts feststellen, wenn Unionsbürger falsche Angaben über ein Arbeitsverhältnis gemacht haben und stattdessen in erheblichem Umfang Sozialleistungen in Anspruch nehmen. Gleiches gilt für sogenannte Scheinehen oder Scheinvaterschaften.3 Aus der Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts resultiert eine Ausreisepflicht des Betroffenen. Kommt der Unionsbürger seiner Ausreisepflicht nicht freiwillig nach, kann er abgeschoben werden. „Bei Mittellosigkeit besteht die Möglichkeit, dass im Rahmen spezieller Programme (REAG/GARP) die Reisekosten (z.B. für das Flugticket oder die Busfahrkarte) übernommen werden. Zusätzlich dazu kann auch eine Reisebeihilfe für Fahrtkosten im Heimatland und Verpflegung während der Reise 1 Vergleiche: http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/FAQs/DE/Themen/Migration/Freizuegigkeit/ Freizuegigkeit_15.html. 2 Ebenda. 3 Ebenda. Drucksache 21/7862 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 sowie ggf. weitere Unterstützung zur Erleichterung der Wiedereingliederung im Heimatland gewährt werden.“4 Obdachlose mit deutscher Staatsangehörigkeit machen nur noch circa 9 Prozent der Obdachlosen im Winternotprogramm der Freien und Hansestadt Hamburg aus. 55 Prozent der Obdachlosen im Hamburger Winternotprogramm kommen aus Polen, Rumänien und Bulgarien.5 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat hat die Bürgerschaft bereits mehrfach über das Hamburger Programm zur Förderung der freiwilligen Rückkehr und Reintegration von Ausländerinnen und Ausländern informiert (vergleiche zum Beispiel Drs. 21/5547). Hamburg beteiligt sich neben dem Bund und anderen Ländern an den humanitären Rückkehrprogrammen Reintegration and Emigration Programme for Asylum-Seekers in Germany (REAG) und des „Government Assisted Repatriation Programme“ (GARP). Das Programm wird von der IOM (Internationale Organisation für Migration) organisiert und durchgeführt . Die Freizügigkeit für EU-Bürgerinnen und Bürger stellt eines der zentralen Elemente für die Europäische Union dar. Dennoch ist sie entsprechend dem Freizügigkeitsgesetz /EU (FreizüG/EU) an bestimmte, in § 2 FreizüG/EU geregelte Voraussetzungen gebunden. Darüber hinaus ist mit der Wahrnehmung der Freizügigkeit grundsätzlich verbunden, dass eine Inanspruchnahme von Leistungen des Aufenthaltsstaates nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich und zulässig ist und der Inanspruchnahme der Freizügigkeit nicht entgegensteht. Die Bedingungen für eine Feststellung des Nichtbestehens eines Rechts auf Freizügigkeit ergeben sich aus § 2 Absatz 7, § 5 Absatz 4 und § 6 FreizüG/EU. Soweit sich EU-Bürgerinnen und Bürgereines anderen Landes unter Inanspruchnahme des Freizügigkeitsrechtes in Deutschland aufhalten, ohne die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Unterstützungsleistungen zu erfüllen, beschränkt sich die Unterstützung dieser Personen mit öffentlichen Leistungen grundsätzlich auf die Hilfe bei der Rückkehr in ihre Heimatländer. Die Inanspruchnahme von REAG-/GARP- Mitteln kommen dabei für EU-Ausländer aufgrund der Förderbedingungen nicht in Betracht. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Gibt es Kooperationen zwischen den deutschen Behörden und den Behörden anderer EU-Staaten hinsichtlich der Rückführung von EU- Bürgern, welche das Freizügigkeitsrecht verloren haben? Wenn ja, welche? (Bitte ausführlich beschreiben.) Wenn nein, warum nicht? Bei der Rückführung von Unionsbürgern, welche das Freizügigkeitsrecht verloren haben, arbeitet die dafür zuständige Behörde mit den Behörden der anderen EU- Mitgliedsstaaten zusammen, soweit diese Zusammenarbeit nicht Bundesbehörden obliegt und dies im Einzelfall für die Durchsetzung von Ausreisepflichten erforderlich ist. 2. Gibt es Kooperationen zwischen den deutschen Behörden und den Behörden anderer EU-Staaten hinsichtlich der freiwilligen Ausreise von mittellosen EU-Bürgern? Wenn ja, welche? (Bitte ausführlich beschreiben.) Wenn nein, warum nicht? 4 http://www.hamburg.de/innenbehoerde/asyl/2725754/ausreise/. 5 http://www.abendblatt.de/hamburg/article209102357/Obdachlose-aus-Osteuropa-verlassen- Hamburg.html. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/7862 3 3. Gibt es ehrenamtliche Kooperationen zwischen in Hamburg ansässigen privaten Trägern und den Behörden anderer EU-Staaten hinsichtlich der Rückführung von EU-Bürgern, welche das Freizügigkeitsrecht verloren haben? Wenn ja, welche? (Bitte ausführlich beschreiben.) Wenn nein, warum nicht? 4. Gibt es ehrenamtliche Kooperationen zwischen in Hamburg ansässigen privaten Trägern und den Behörden anderer EU-Staaten hinsichtlich der freiwilligen Ausreise von mittellosen EU-Bürgern? Wenn ja, welche? (Bitte ausführlich beschreiben.) Wenn nein, warum nicht? 5. Gibt es Kooperationen zwischen den Hamburger Behörden und privaten Trägern anderer EU-Staaten hinsichtlich der Rückführung von EU- Bürgern, welche das Freizügigkeitsrecht verloren haben? Wenn ja, welche? (Bitte ausführlich beschreiben.) Wenn nein, warum nicht? 6. Gibt es Kooperationen zwischen den Hamburger Behörden und privaten Trägern anderer EU-Staaten hinsichtlich der freiwilligen Ausreise von mittellosen EU-Bürgern? Wenn ja, welche? (Bitte ausführlich beschreiben.) Wenn nein, warum nicht? 7. Gibt es öffentlich geförderte Kooperationen zwischen in Hamburg ansässigen privaten Trägern und privaten Trägern anderer EU-Staaten hinsichtlich der Rückführung von EU-Bürgern, welche das Freizügigkeitsrecht verloren haben? Wenn ja, welche? (Bitte ausführlich beschreiben.) Wenn nein, warum nicht? Siehe Vorbemerkung und Antwort zu 8. Darüber hinaus bestehen keine entsprechenden Kooperationen 8. Gibt es öffentlich geförderte Kooperationen zwischen in Hamburg ansässigen privaten Trägern und privaten Trägern anderer EU-Staaten hinsichtlich der freiwilligen Ausreise von mittellosen EU-Bürgern? Wenn ja, welche? (Bitte ausführlich beschreiben.) Wenn nein, warum nicht? Mittellose EU-Bürgerinnen und -Bürger geraten teilweise in prekäre Lebensverhältnisse . Vor diesem Hintergrund wurde mit dem Projekt Plata ein Beratungs- und Unterstützungsangebot eingerichtet, das sich an mittellose EU-Bürgerinnen und -Bürger – vornehmlich aus Osteuropa – wendet und gegebenenfalls auch die Rückkehr in die Heimatländer zum Ziel hat; vergleiche http://stadtmission-hamburg.de/plata-EU- Wohnungslosenhilfe.73.0.html. Es hat sich erwiesen, dass die freiwillige Rückkehr gelingt, wenn Träger der freien Wohlfahrtspflege eine möglichst muttersprachliche Beratung übernehmen und zugleich gute Kontakte zu Angeboten freier Träger und Institutionen in den Herkunftsländern haben. Die Kooperation mit kommunalen und ministeriellen Institutionen und vor allem vielfältige Kontakte zu freien Trägern mit Angeboten auch für kranke und wohnungslose Menschen sind für das Gelingen der Rückkehr von großer Bedeutung. Es besteht eine gute Kommunikation mit Konsulaten und Botschaften, die von behördlicher Seite unterstützt wird. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.