BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/7883 21. Wahlperiode 14.02.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Sabine Boeddinghaus (DIE LINKE) vom 07.02.17 und Antwort des Senats Betr.: Geschieht der Übergang von EA-Lerngruppen in IV-Klassen pädagogisch sinnvoll? Der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde hat eine richtige Entscheidung getroffen, indem sie einen Prozess angestoßen hat, die Lerngruppen aus den Unterkünften (Erstaufnahme) in den Schulen stattfinden zu lassen und sie sukzessive in Internationale Vorbereitungsklassen zu überführen. Die spannende Frage während dieses Prozesses ist, ob bei allen organisatorischen und personellen Entscheidungen stets die Perspektiven der betroffenen Kinder und Jugendlichen im Mittelpunkt stehen oder eher formale Vorgaben dominieren. Dies gilt insbesondere für EA-Lerngruppen, die bereits längere Zeit an Schulen installiert wurden und deren Schüler/-innen durch die kompetente Begleitung der dortigen Lehrkräfte gute Lernfortschritte sowie ein sehr positives „Ankommen“ in Schulalltag und Lernen zeigen. Denn für all diese Kinder stellt der Übergang in Internationale Vorbereitungsklassen (IVK), mit dem der unvermittelten Bruch der mit ihnen vertrauten Bezugspersonen in einer guten Lernatmosphäre einhergeht, eine kritikwürdige Situation dar. Ich frage den Senat: Der übergeordneten Zielsetzung folgend, nach Hamburg geflüchtete Kinder und Jugendliche so schnell wie möglich und so gut wie möglich zu integrieren, hat die zuständige Behörde im Herbst 2016 damit begonnen, Kinder und Jugendliche im Alter von elf bis 15 Jahren aus Lerngruppen in Erstaufnahmeeinrichtungen in Basisklassen beziehungsweise Internationale Vorbereitungsklassen umzuschulen. Insgesamt sind seit Oktober 2016 443 Schülerinnen und Schüler aus 29 Einrichtungen umgeschult worden. Auch Dank der großen Unterstützung an den Schulen ist dieser Prozess bislang sehr erfolgreich. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. In wie vielen Schulen, und welchen im Einzelnen, findet gegenwärtig der oben geschilderte Umstrukturierungsprozess von EA-Lerngruppen zu IV- Klassen statt? (Bitte mit Nennung von Standort, Schulform, Sozialindex, Bezirk und Stadtteil in einer Excel-Tabelle angeben.) Grundsätzlich werden die Erstaufnahme (EA)-Lerngruppen nicht umstrukturiert, sondern die Kinder aus den EA-Lerngruppen in Internationale Vorbereitungsklassen (IVK) eingeschult. Die Umschulung der Schülerinnen und Schüler findet dabei für jede Erstaufnahmeeinrichtung gesondert statt. Die Schülerinnen und Schüler werden in bereits bestehenden beziehungsweise neu eingerichteten IVK eingeschult. Die IVK werden zum Teil von derselben Schule realisiert, die auch die EA-Lerngruppen betreut hat, Drucksache 21/7883 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 zum Teil aber auch an anderen Standorten. Zu den betroffenen Schulen und Einrichtungen siehe Anlage, im Übrigen siehe Vorbemerkung. 2. Mit welchem zeitlichen Vorlauf und wann genau wurden die betreffenden Schulen von der bevorstehenden Umstrukturierung informiert und durch wen genau geschah das? Die Schulleitungen wurden von der zuständigen Behörde mit Schreiben vom 27. September 2016 und auf einer eigens zu dem Thema einberufenen Sitzung am 13. Oktober 2016 informiert. Die Umschulungen begannen an einzelnen Standorten nach vorheriger individueller Absprache mit den Schulleitungen nach den Herbstferien. 3. Wie haben die betroffenen Schulen darauf reagiert, gab es Einwände und/oder Beschwerden der Schulen gegen diese Übergangspraxis, wenn ja, was genau wurde dahin gehend schulseitig geltend gemacht? (Bitte Anzahl der Einwände/Beschwerden und die vorgebrachten Inhalte angeben.) a. Wie hat die zuständige Fachbehörde darauf jeweils reagiert? (Bitte einzeln erläutern.) Die Schulen haben sich konstruktiv an dem Prozess beteiligt, siehe auch Vorbemerkung . 4. Gab es Gespräche zwischen zuständiger Fachbehörde und den betroffenen Pädagogen/-innen, die bisher in den EA-Lerngruppen an den Schulen gearbeitet haben, zum Beispiel zu folgenden Sachverhalten : a. Leistungsniveau der Schüler und Schülerinnen? b. Erreichte und noch zu erreichende Ziele? c. Leistungen und Tätigkeiten der Pädagogen/-innen? d. Integration an der jeweiligen Schule? e. Familiäre Situation der Schüler und Schülerinnen? f. Traumatische Erlebnisse? g. Individuelle Förderbedarf? h. Kontakte zu den Sozialarbeitern von f & w fördern und wohnen AöR? (Bitte für jeden Sachverhalt (a. – h.) im Einzelnen darstellen, in welcher Weise die Übergabe pädagogisch vertretbar zwischen den neuen Lehrern /-innen, den Pädagogen/-innen und der zuständigen Behörde erfolgt ist.) Die Zuweisungen in Vorbereitungsmaßnahmen wurden auf der Basis eines Dokumentationsbogens vorgenommen, der den Lernstand des Kindes sowie gegebenenfalls notwendige Unterstützungsmaßnahmen dokumentiert (http://www.hamburg.de/schulefuer -fluechtlinge/4610828/ea-bogen). Die Bögen wurden von der jeweils zuständigen Pädagogin beziehungsweise dem zuständigen Pädagogen ausgefüllt. Darüber hinaus gab es in Einzelfällen individuelle Rücksprachen. 5. Mit welchem Ziel und aus welchen Gründen im Einzelnen wird seitens der zuständigen Fachbehörde beim Übergang von eingerichteten EA- Lerngruppen an Schulen in IV-Klassen eine personelle Veränderung vorgenommen, welche Kriterien liegen dieser Veränderung zugrunde und wie sieht diese jeweils an jedem betroffenen Schulstandort aus? (Bitte erläutern.) Unterricht soll in Hamburg grundsätzlich von examinierten Lehrkräften erteilt werden, dies gilt auch für IVK. In EA-Lerngruppen kann aufgrund der besonderen Ankunftssituation der Kinder nach der Flucht in einer Ausnahmeregelung ähnlich wie in Vorschulklassen kurzfristig auch von Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen Unter- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/7883 3 richt erteilt werden. IVK haben ein deutlich erweitertes Curriculum und sind daher analog der Regelklassen mit Lehrkräften zu besetzen. Dort, wo IVK eingerichtet wurden , sind regelhaft auch die entsprechenden Lehrkräfte eingestellt worden. Das Einstellungsverfahren obliegt der Schule und wird nicht zentral dokumentiert. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. 6. Wie und durch welche Maßnahmen wird sichergestellt, dass gut funktionierende und über einen langen Zeitraum aufgebaute und gewachsene vertrauensvolle Strukturen und Bindungen der Schüler/-innen der schulischen EA-Lerngruppen beim Übergang in die IV-Klassen erhalten beziehungsweise fortentwickelt werden können? (Bitte erläutern.) 7. Warum hat sich die zuständige Fachbehörde bei der Überführung in IV- Klassen gegen einen sanften pädagogischen Übergang von vertrauten Pädagogen/-innen aus den EA-Lerngruppen hin zu neuen Lehrkräften in IV-und Regelklassen entschieden? (Bitte erläutern.) 8. Inwiefern spielten dabei folgende pädagogische Fragestellungen für die zuständige Fachbehörde eine ausschlaggebende Rolle und wie wurde diesen Rechnung getragen: a. Auf Vertrautes und Erlerntes weiterhin aufzubauen? b. Beziehungsarbeit fortzuführen? c. Unterschiedliche Leistungsniveaus nach gewohnten Strukturen zu fördern? d. Chancengleichheit in Bezug auf Bildung mit individuellen Förderbedarf zu sichern? (Bitte jeweils Stellung nehmen.) Der Wechsel von Lehrkräften und Lernorten ist in der Bildungskarriere von Schülerinnen und Schülern ein durchaus üblicher Vorgang, insbesondere beim Übergang von der Grundschule in die Sekundarstufe. Auch der Übergang aus einer EA-Lerngruppe in eine IVK ist mit einem Wechsel der Lehrkraft und zum überwiegenden Teil auch mit einem Ortswechsel verbunden, da die meisten IVK an anderen Schulen angesiedelt sind als die EA-Lerngruppen. Der pädagogisch sinnvolle Übergang wird durch den EA-Bogen (siehe Antwort zu 4.) oder gegebenenfalls ein Gespräch im Schulinformationszentrum gesichert. Im Übrigen siehe Antworten zu 1. und 5. sowie Vorbemerkung. 9. Vor dem Hintergrund zu weniger ausgebildeter Lehrkräfte für die Arbeit in IV-Klassen, inwiefern ist gewährleistet, dass durch den Personalwechsel von EA-Lerngruppen zu IV-Klassen keine etwaigen Versorgungslücken im Stammpersonal der betroffenen Schulen entstehen? Und wenn diese doch entstehen, wie und durch welche konkreten personellen Entscheidungen werden sie durch die zuständige Fachbehörde geschlossen? (Bitte erläutern.) Die IVK werden erst eröffnet, wenn das erforderliche Personal eingestellt wurde. Vorher verbleiben die Schülerinnen und Schüler in der EA-Lerngruppe. 10. Warum dürfen die jetzigen Lehrkräfte, die die jeweiligen EA-Schüler/ -innen bisher sehr erfolgreich an den betroffenen Schulen unterrichtet und begleitet haben, ihre Arbeit in den IVK an Gymnasien nicht fortsetzen , sondern müssen dort durch Lehrkräfte mit Zweitem Staatsexamen ersetzt werden, während sie aber gleichzeitig befähigt sind, die Klassenführung einer IVK an einer Stadtteilschule zu übernehmen? (Bitte fachlich und sachlich erläutern.) Lehrkräfte ohne erstes und zweites Staatsexamen sollen grundsätzlich keine Klassenführung übernehmen, siehe auch Antwort zu 5. 11. Sieht die zuständige Fachbehörde die Notwendigkeit, auch an Gymnasien verstärkt sozialpädagogische Kompetenz in die Kollegien zu bringen? Drucksache 21/7883 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Und wenn ja, wäre dies nicht gerade durch die Weiterbeschäftigung der jeweiligen EA-Lehrkräfte gegeben? (Bitte Stellung nehmen.) Grundsätzlich ist sozialpädagogische Kompetenz an Schulen sinnvoll. Den Gymnasien werden zurzeit 22 Stellen für Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen zugewiesen . Im Übrigen sind die Überlegungen noch nicht abgeschlossen. 12. Am 16.01.2017 schrieben Lehrer/-innen aus dem Kollegium des Goethe- Gymnasiums einen Brief an den Schulsenator mit der Bitte um Berücksichtigung des oben beschriebenen Tatbestandes. Darin äußerten sie ihre Sorgen darüber, dass in diesem fortlaufenden Prozess pädagogische Kompetenz und die wichtige vertrauensvolle Bindungsarbeit mit den geflüchteten Kindern und Jugendlichen auf der Strecke bleiben könnten. Hat der Schulsenator mittlerweile dem Kollegium geantwortet und wenn ja, mit welchem Tenor? (Bitte erläutern.) Die zuständige Behörde hat mit einem Schreiben vom 9. Februar 2017 im Sinne der hier vorliegenden Aussagen geantwortet. 13. Bezogen auf die Situation am Goethe-Gymnasium, sollen die bestehenden vier EA-Lerngruppen zu zwei Lerngruppen zusammengelegt werden ? Wenn ja, aufgrund welcher pädagogischen Begründung geschieht dies? (Bitte sachlich und fachlich erläutern.) Es wurden zwei IVK eingerichtet. Ein Teil der Schülerinnen und Schüler der EA- Lerngruppen des Goethe-Gymnasiums wurde dort zugeschult, die anderen in umliegenden IVK. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. 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