BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/7891 21. Wahlperiode 14.02.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 08.02.17 und Antwort des Senats Betr.: Ein Jahr nach dem sinnlosen Tod von Amanda K. – Welche Konsequenzen für psychisch kranke Straftäter wurden seitdem gezogen? Seit dem sinnlosen Tod der 20-jährigen Amanda K., die in Berlin von dem aus Hamburg stammenden psychisch kranken Hamin E. vor eine einfahrende Bahn gestoßen wurde, ist nun ein Jahr vergangen. Der mehrfach erheblich strafrechtlich in Erscheinung getretene Hamin E. befand sich zu der Zeit auf freiem Fuß, weil er wegen Schuldunfähigkeit nicht verurteilt wurde. Im Zuge der Aufarbeitung dieses tragischen Vorfalls stellte sich heraus, dass im Hamburger Justizvollzug eine Vielzahl von Gefangenen untergebracht ist, die psychisch krank oder besonders auffällig sind. Nach Angaben des Senats in der Antwort auf meine Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/3396 befanden sich im Januar 2016 allein 295 Gefangene in psychiatrischer Behandlung. Schleswig-Holstein reagierte auf die steigende Zahl der psychisch kranken und besonders auffälligen Gefangenen mit der Einrichtung einer besonderen Abteilung für psychiatrisch erkrankte Gefangene in der JVA Neumünster. Im vergangenen Mai teilte der Senat in der Antwort auf meine Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/4615 hin mit, dass „die zuständige Behörde über den Stand der Einrichtung einer Abteilung für psychiatrisch erkrankte Gefangene in der JVA Neumünster in einem engen Informationsaustausch mit dem Ministerium für Justiz, Kultur und Europa des Landes Schleswig-Holstein steht. Eine abschließende Beurteilung, ob eine entsprechende Einrichtung auch für den Hamburger Justizvollzug in Betracht kommt, liegt noch nicht vor.“ Mit einem Antrag in der Bürgerschaft, Drs. 21/5065, haben wir den Senat im letzten Juli aufgefordert, zur Erhöhung der Sicherheit für die Bediensteten und zur dem Opferschutz dienenden Verbesserung der Resozialisierung eine spezielle Abteilung für psychisch erkrankte beziehungsweise besonders auffällige Gefangene einzurichten. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Welche Informationen liegen der zuständigen Behörde über den Sachstand des Strafverfahrens gegen den U-Bahn-Schubser Hamin E. beziehungsweise seinen derzeitigen Verbleib vor? Keine. Das Ermittlungsverfahren wird von der Staatsanwaltschaft Berlin geführt. 2. Wie viele Gefangene welcher Justizvollzugsanstalten befanden sich am 31. Januar 2017 in psychiatrischer Behandlung? Bitte pro JVA darstellen . Justizvollzugsanstalt (JVA) Billwerder 70 Teilanstalt für Frauen der JVA Billwerder 29 Drucksache 21/7891 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 JVA Fuhlsbüttel 121 JVA Glasmoor 1 JVA Hahnöfersand 52 Sozialtherapeutische Anstalt 40 Untersuchungshaftanstalt 59 Für psychisch kranke und psychisch auffällige Gefangene gibt es im Hamburger Justizvollzug spezielle Behandlungsangebote. In allen Anstalten des geschlossenen Vollzuges sind regelmäßig Psychiaterinnen und Psychiater mit der Behandlung dieser Gefangenen befasst. Im Jugendvollzug verfügt der dortige Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie dafür über eine besondere Fachkunde. Stationäre psychiatrische Behandlungen werden regelmäßig in der Klinik für Forensische Psychiatrie der Asklepios Klinik Nord-Ochsenzoll durchgeführt. Die Justizvollzugsanstalten arbeiten dabei eng mit der Asklepios Klinik Nord zusammen. In der Untersuchungshaftanstalt wird die psychiatrische Versorgung auf der Grundlage einer Kooperationsvereinbarung mit der Asklepios Klinik durch eine Psychiaterin der Forensischen Klinik gewährleistet . Hinzu kommen im Bereich der Sicherungsverwahrung gemeinsame Fallbesprechungen und eine regelmäßige Fachberatung durch die Klinikleitung bei konzeptionellen und psychiatrisch relevanten Fragestellungen. 3. Wie beurteilt die zuständige Behörde darüber hinaus die Entwicklung der psychisch besonders auffälligen Gefangenen in den Hamburger Justizvollzugsanstalten ? Im Vergleich zum 31. Januar des Vorjahres ist die Anzahl der in psychiatrischer Behandlung befindlichen Gefangenen um 77 Gefangene angestiegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch die Gesamtbelegung in diesem Zeitraum angestiegen ist. Die Beurteilung dieser Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen. Im Übrigen siehe Drs. 21/3396. 4. Der Senat gab in der Drs. 21/4615 an, dass die zuständige Behörde über die Einrichtung einer Abteilung für psychiatrisch erkrankte Gefangene in der JVA Neumünster in einem engen Informationsaustausch mit dem Ministerium für Justiz, Kultur und Europa des Landes Schleswig- Holstein stehe. a. Welche Erkenntnisse liegen der zuständigen Behörde über die Einrichtung der speziellen Abteilung in der JVA Neumünster vor? Die Abteilung wurde am 1. Oktober 2016 in Betrieb genommen. Weitergehende Erkenntnisse erwartet die zuständige Behörde von einer Besichtigung der Einrichtung und einem Informationsaustausch in der JVA Neumünster. Im Übrigen siehe Drs. 21/4615. b. Hat sie mittlerweile eine abschließende Beurteilung hinsichtlich der Frage getroffen, ob eine entsprechende Einrichtung für den hamburgischen Justizvollzug in Betracht kommt? Falls ja, zu welchem Ergebnis ist sie gelangt? Falls nein, weshalb ist diese Entscheidung nach mehr als neun Monaten noch immer nicht getroffen worden und wann ist mit einem Ergebnis zu rechnen? c. Wie beurteilt die zuständige Behörde die Einrichtung einer entsprechenden Abteilung sowohl für die Sicherheit der Bediensteten im Justizvollzug als auch im Sinne der Resozialisierung psychisch kranker und psychisch besonders auffälliger Gefangener? Mit Verfügung vom 27. August 2014 wurde durch den Leiter des Amtes für Justizvollzug , Recht und Gleichstellung als Auftraggeber eine Projektgruppe eingesetzt und beauftragt, die ambulante und stationäre medizinische Versorgung der Gefangenen in Hamburg insgesamt und unter fachkundiger Beratung der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz zu untersuchen und Optimierungsvorschläge zu erarbeiten. Die Projektgruppe war mit vollzuglichen und medizinischen Fachkräften einschließlich Ärzten interdisziplinär aufgestellt. Die psychiatrische Versorgung der Gefangenen Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/7891 3 wurde im Hinblick auf steigende Gesundheitskosten und eine mögliche Neuausrichtung sowie bessere Auslastung des Zentralkrankenhauses ebenfalls behandelt. Die Projektgruppe hat in ihrem Abschlussbericht festgestellt, dass in einem noch zu bestimmenden Bereich des Zentralkrankenhauses die Einrichtung einer vollzuglichpsychiatrischen Übergangsstation Station fachlich möglich, im Hinblick auf eine Standardverbesserung für psychisch erkrankte Gefangene sinnvoll ist und eine Wirtschaftlichkeitsprüfung empfohlen. Die Übergangsstation könnte, vorbehaltlich der weiteren Prüfungsergebnisse, die vorhandenen Angebote zur psychiatrischen Versorgung der Gefangenen ergänzen. Dazu gehören insbesondere die in den Anstalten regelmäßig tätigen Psychiaterinnen und Psychiater, die Tätigkeit einer Psychiaterin der Asklepios Klinik Nord-Ochsenzoll in der Untersuchungshaftanstalt sowie die stationäre Behandlung psychisch kranker Gefangener in der Asklepios Klinik Nord. Die zuständige Behörde bezieht in ihre Entscheidung die Empfehlungen des umfassenderen Projekts zur medizinischen Versorgung der Gefangenen ein, dessen Abschlussbericht das Projekt im Dezember 2016 vorgelegt hat.