BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/7969 21. Wahlperiode 21.02.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Joachim Lenders (CDU) vom 14.02.17 und Antwort des Senats Betr.: Illegale Einreise, illegaler Aufenthalt, unklare Identität, Schwarzarbeit – Wie verfährt die Staatsanwaltschaft Hamburg? Die Behörden der Zollverwaltung (Finanzkontrolle Schwarzarbeit) prüfen unter anderem nach § 2 Absatz 1 SchwarzArbG, ob bei ausländischen Arbeitnehmern die erforderlichen Arbeitsgenehmigungen beziehungsweise Aufenthaltstitel vorliegen. Seit 1998 haben die Beschäftigten der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) bei der Verfolgung von Straftaten, die mit einem in § 2 Absatz 1 Schwarz- ArbG genannten Prüfgegenstand unmittelbar zusammenhängen, die Polizeibefugnisse nach der Strafprozessordnung, § 14 SchwarzArbG. Die Beamten sind insoweit Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft im Sinne des § 152 Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG). Die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft sind verpflichtet, im Strafverfahren den Anordnungen der Staatsanwaltschaft Folge zu leisten. Die Staatsanwaltschaft hat die Verfahrensherrschaft im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Nur diese darf zum Beispiel das Strafverfahren einstellen, den Beschäftigten der FKS ist dies nicht erlaubt. Das bedeutet, dass die Beschäftigten der FKS alle Maßnahmen treffen oder Weisungen der Staatsanwaltschaft ausführen müssen, um Straftaten aufzuklären . Dazu gehören insbesondere: Identitätsfeststellungen, erste Vernehmungen von Beschuldigten/Betroffenen oder Zeugen, Sicherstellungen oder Beschlagnahmen von Beweismitteln und deren Auswertung, Durchsuchungen, vorläufige Festnahmen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Im Zusammenhang mit Kontrollen des Zolls und anderer Behörden auf Hamburger Baustellen oder in Hamburger Firmen zur Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung werden immer wieder Personen festgestellt, die sich nicht ausweisen können beziehungsweise kei- Drucksache 21/7969 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 nen gültigen Aufenthaltstitel besitzen und dringend tatverdächtig sind, illegal in die Bundesrepublik Deutschland eingereist zu sein beziehungsweise sich unerlaubt im Bundesgebiet aufzuhalten. Wie wird mit diesen tatverdächtigen Personen konkret verfahren? Bitte die zu treffenden Maßnahmen detailliert erläutern. Es gibt keine gesonderte Verfahrensweise der Staatsanwaltschaft bei Verstößen gegen das Aufenthaltsgesetz (AufenthG), wenn die Personen im Zuge von Kontrollen auf Baustellen oder bei Arbeitgebern angetroffen werden. Welche strafprozessualen Maßnahmen konkret zu veranlassen sind, hängt von den vielfach variierenden Umständen des Einzelfalls ab. Dabei sind insbesondere die Vorgaben der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zur Richtlinie 2008/115/EG über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (Rückführungsrichtlinie) zu beachten. 2. Hat die Staatsanwaltschaft Hamburg das unter 1. erfragte Verfahren vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise verändert? 3. Falls ja, in welcher Form und mit welchen konkreten Auswirkungen? Wird dieses Verfahren evaluiert und gegebenenfalls wieder verändert? Nein. 4. Ist es richtig, dass die Staatsanwaltschaft Hamburg den Zoll anweist beziehungsweise angewiesen hat, überprüfte Personen, die nicht im Besitz eines gültigen Aufenthaltstitels sind, lediglich mit einer Meldeauflage bei der Ausländerbehörde zu entlassen? a) Falls ja, wer hat dies wann entschieden und wie begründet die Staatsanwaltschaft Hamburg diese Vorgehensweise? b) Ist es richtig, dass die Staatsanwaltschaft Hamburg darauf verzichtet , informiert zu werden, wenn der Zoll Personen ohne gültigen Aufenthaltstitel mit einer Meldeauflage bei der Ausländerbehörde entlässt? Falls ja, weshalb? 5. In welchen gleichgelagerten Fällen (fehlender gültiger Aufenthaltstitel) und mit welcher Begründung veranlasst die Staatsanwaltschaft eine vorläufige Festnahme und die Zuführung in die Untersuchungshaftanstalt Hamburg? Die Dezernentinnen und Dezernenten der Staatsanwaltschaften entscheiden in jedem Verfahren orientiert an den Erfordernissen des konkreten Einzelfalls, wie weiter zu verfahren ist. Dabei berücksichtigen sie auch, dass bei Verstößen allein gegen § 95 Absatz 1 Nummer 2 AufenthG (Aufenthalt ohne Aufenthaltstitel) eine Zuführung vor die Haftrichterin beziehungsweise den Haftrichter zum Zwecke des Erlasses eines Haftbefehls grundsätzlich nicht veranlasst ist, da ein Haftbefehl im Hinblick auf europarechtliche Vorgaben regelmäßig nicht erlassen wird. Eine generelle Anweisung an den Zoll besteht nicht. Die Dezernentinnen und Dezernenten werden mit Vorlage der Akte informiert, wenn eine Person mit einer Anlaufbescheinigung oder Meldeauflage entlassen wurde. Sie entscheiden sodann einzelfallbezogen über den weiteren Verfahrensfortgang. 6. Wie oft wurde die Staatsanwaltschaft Hamburg im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2016 vom Zoll hinsichtlich der Feststellung von Personen ohne gültigen Aufenthaltstitel informiert? Für wie viele dieser Personen wurde eine Festsetzung angeordnet und wie viele Personen wurden mit beziehungsweise ohne Auflagen entlassen? Bitte tabellarisch aufführen und monatsweise angeben. Die zur Beantwortung der Frage erforderlichen Daten – insbesondere der Umstand, ob die einem Ermittlungsverfahren zugrunde liegenden Straftaten im Zusammenhang mit einer Kontrolle des Zolls stehen – werden statistisch nicht erfasst. Es müssten daher alle Verfahren aus den angefragten Aktenzeichenjahrgängen wegen eines Vor- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/7969 3 wurfs einer Straftat nach § 95 Absatz 1 Nummer 2 AufenthG händisch ausgewertet werden. Vorbehaltlich der vollständigen und richtigen Erfassung in MESTA handelt es sich um insgesamt 6.375 Verfahren. Eine Auswertung dieser Anzahl an Verfahren ist in Hinblick auf die für die Bearbeitung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.