BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/8029 21. Wahlperiode 24.02.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 17.02.17 und Antwort des Senats Betr.: Prostituiertenschutzgesetz – Stand der Umsetzung in Hamburg Am 7. Juli 2016 hat der Bundestag in 2. und 3. Lesung das Prostituiertenschutzgesetz beschlossen. Eckpunkte des Gesetzes sind unter anderem die Meldepflicht für alle Menschen, die nach der Definition des Gesetzes der Prostitution nachgehen. Ebenso soll es eine verpflichtende medizinische Gesundheitsberatung geben, die wiederum durch die Gesundheitsämter durchzuführen sei. Verstöße gegen diese Vorschriften sollen mit Bußgeldern geahndet werden. Das Gesetz tritt im Juli 2017 in Kraft. Der Senat will die Bürgerschaft erst kurz vor Inkrafttreten des Gesetzes („im 2. Quartal 2017“, Drs. 21/7567) über die geplanten Maßnahmen informieren. Doch es gibt für Öffentlichkeit, Politik und vor allem Betroffene viele drängende Fragen. Dazu gehört nach wie vor auch die Umsetzung der Sperrgebietsverordnung in Hamburg St. Georg, die dazu führt, dass Sexarbeiter/-innen manchmal mehrfach in der Woche Bußgelder bezahlen müssen, was infolge zu Verschuldung und dem Druck führt, dieses Geld wieder verdienen zu müssen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. In Drs. 21/7567 informiert der Senat, dass hierzu seit dem 15.11.2016 zwei Bund-Länder-Besprechungen stattgefunden haben. a) Wie viele weitere Gespräche sind noch geplant? Aktuell hat das federführende Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) zu zwei weiteren Besprechungen eingeladen (28.02. und 09.03.2017). Weitere Termine stehen noch nicht fest. b) Welche Ergebnisse haben die Gespräche bisher hervorgebracht? Sind darüber Protokolle oder Ähnliches erhältlich? Verabredet wurde die Einrichtung einer Unterarbeitsgruppe (UAG) insbesondere zur Ausgestaltung der Anmeldebescheinigung sowie der Aliasbescheinigung nach § 6 Absatz 1 und 2 Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) im Sinne von § 36 Absatz 2 Nummern 1 und 2 ProstSchG, die sich aus Vertreterinnen des BMFSFJ, der Länderministerien und der behördlichen Praxis zusammensetzt. Die UAG tagte erstmals 18.01.2017 und setzt ihre Arbeit am 28.02.2017 fort. Das BMFSFJ hat darüber hinaus die Bereitschaft signalisiert, bundeseinheitliches Informationsmaterial für die Informations- und Beratungsgespräche erstellen zu lassen . Hierbei sollen die Akteure aus der Praxis der Behörden und der Beratungsstellen einbezogen werden, gegebenenfalls in Form einer weiteren UAG. Das Protokoll des BMFSFJ vom 15.11.2016 liegt der BASFI vor. Der Senat sieht grundsätzlich davon ab, den Wortlaut von Dokumenten oder internen Aktenvermerken Drucksache 21/8029 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 zu veröffentlichen. Dies käme im Ergebnis einer Aktenvorlage gleich. Diese ist gemäß Artikel 30 der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg an Voraussetzungen gebunden, die hier nicht vorliegen (vergleiche auch VerfGH Sachsen, Urteil vom 19.07.2012 – Vf. 102-I-11 – juris Rn. 35). c) Welchen zeitlichen „Fahrplan“ für die Umsetzung des Gesetzes in Hamburg sieht die Behörde vor? d) Warum wird offensichtlich erst kurz vor Inkrafttreten des Gesetzes (siehe oben) über die geplanten Maßnahmen informiert? Das Gesetz ist zum 01. Juli 2017 umzusetzen, siehe Drs. 21/7567 und Drs. 21/6265. 2. Nach § 7 unter 5. (3) des Gesetzes (BT.-Drs. 18/8556) heißt es: „Die zuständige Behörde stellt der oder dem Prostituierten während des Beratungsgesprächs Informationen zur Ausübung der Prostitution in geeigneter Form zur Verfügung. Die Informationen sollen in einer Sprache verfasst sein, die die oder der Prostituierte versteht.“ a) In welchen Sprachen sollen die Informationen zur Verfügung gestellt werden? b) Werden zur Informationsvermittlung Medien eingesetzt, beispielsweise Filme? Wenn ja, wie genau? c) Ist geplant, persönliche Gespräche zu führen? Wenn ja, in welchem Umfang und welchen Inhalts? d) Inwiefern ist der Einsatz von Dolmetschern/-innen vorgesehen: Auf Antrag, oder durch Einsatz von Begleitpersonen, oder regelhaft? e) Inwiefern ist geplant, ausschließlich oder vorwiegend Beraterinnen einzusetzen, also keine männlichen Berater? Bitte begründen. f) Wie soll speziell sichergestellt werden, dass Mitarbeiter/-innen erkennen können, wenn es sich bei der Antragstellerin um eine nicht freiwillig der Prostitution nachgehende Person handelt? g) Ist vorgesehen, dass Begleitpersonen grundsätzlich zu dem Beratungsgespräch und der Anmeldung nicht zugelassen werden? Wenn ja, aus welchem Grund? h) Welche Art von Beistand ist zugelassen beziehungsweise wird von Behördenseite eingeplant, damit dem Umstand Rechnung getragen werden kann, dass erfahrungsgemäß Menschen bei Behördengängen überfordert sind, Sachverhalte nicht verstehen und sprachliche Verständigungsschwierigkeiten haben? Laut § 7 Absatz 1 ProstSchG in Verbindung mit § 8 Absatz 1 ProstSchG ist ein persönliches Informationsgespräch vorgesehen. Im Übrigen sind die Planungen noch nicht abgeschlossen. 3. Wie hoch werden (voraussichtlich) die Kosten für die Stadt Hamburg für die Bearbeitung der Meldepflicht und der Gesundheitsberatung? Bitte aufschlüsseln in a) jährliche Kosten, b) einmalige Kosten, c) Ist die Einführung einer Gebühr geplant? Wenn ja, in welcher Höhe und Form (einmalig, jährlich et cetera)? 4. Wurden/werden neue Personalstellen geschaffen? a) Wenn ja, wie viele und an welche Ämter werden sie angeschlossen ? Bitte nach Bezirken aufschlüsseln. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/8029 3 b) Wenn nein, wie sollen die zusätzlichen Aufgaben abgedeckt werden ? c) Welche Mittel sollen eingesetzt werden? d) Wird darauf geachtet, Mitarbeiter/-innen einzustellen, die bereits berufliche Erfahrungen mit der Zielgruppe vorweisen können? e) Werden die Mitarbeiter/-innen sensibilisiert und geschult? Wenn ja, mit welchen Inhalten und in welchem Umfang? Wenn nein, warum nicht? Siehe Drs. 21/7567. Im Übrigen sind die Planungen noch nicht abgeschlossen. 5. Sind Kooperationen mit ehrenamtlichen Strukturen, beispielsweise „Mission Freedom“ oder dem „Etwas Neues Café“, geplant oder bereits umgesetzt worden? Wenn ja, mit welchen Strukturen und in welcher Form? Nein. Im Übrigen siehe Drs. 20/9664 und Drs. 20/9950. 6. Wie viele Fälle von Verstößen gegen die Sperrgebietsverordnung sind im Zeitraum Juni 2016 bis heute angezeigt? Bitte aufschlüsseln nach Bezirk. Bei dem für die Ahndung der Verstöße nach § 120 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) zuständigen Justiziariat der Polizei sind in dem Zeitraum 1. Juli 2016 bis 17. Februar 2017 169 Verstöße nach § 120 Absatz 1 Nummer 1 OWiG angezeigt worden. Mehrfach begangene Verstöße können den Verdacht einer Straftat gemäß § 184 f des Strafgesetzbuches (StGB) (Ausübung der verbotenen Prostitution) begründen. Im erfragten Zeitraum wurden 101 Ermittlungsverfahren wegen beharrlichen Zuwiderhandelns gemäß § 184 f StGB i.V.m. § 1 der Verordnung über das Verbot der Prostitution eingeleitet. Darüber hinaus werden Statistiken im Sinne der Fragestellungen bei der Polizei nicht geführt. Zur Beantwortung dieser Fragen wäre eine Durchsicht aller Hand- und Ermittlungsakten des erfragten Zeitraums bei den sachbearbeitenden Dienststellen der Polizei erforderlich. Die händische Auswertung von mehreren Zehntausend Akten ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. a) Wie hoch sind die gesamten Bußgelder in diesem Zeitraum? 10.400 Euro. b) Bei wie vielen davon handelt es sich um Erstfälle, bei wie vielen um Wiederholerinnen? c) Wann findet die angekündigte Evaluation der Verordnung statt und wer wird damit beauftragt? Siehe Antwort zu 6. Darüber hinaus sind die Planungen noch nicht abgeschlossen. 7. Wurde der im letzten Jahr angekündigte Runde Tisch Prostitution (Drs. 21/4048) bereits eingesetzt? Wenn ja, wann? Wenn nein, warum nicht? a) Steht die Zusammensetzung der Akteure/-innen schon fest? Wenn ja, welche Akteure/-innen nehmen regelmäßig teil? b) Wann wird die Bürgerschaft über die ersten Fortschritte und Ergebnisse informiert? c) In welchem Umfang wird Personal für die Betreuung des Runden Tisches eingesetzt? Drucksache 21/8029 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 d) Aus welchen Mitteln werden die Kosten für den Runden Tisch bereitgestellt? e) Welche Aufgaben und Zuständigkeiten soll er übernehmen? Die konzeptionellen Planungen für einen Runden Tisch Prostitution Hamburg haben begonnen, sind aber noch nicht abgeschlossen. Priorität hat aktuell die Umsetzung des Gesetzes zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen.